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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Hochzeit des Mönchs.

und mit einem Korbe abgewiesen wird. Indem er sich zurückzieht, vergißt er
ganz, den Verlobten seiner Schwester Diana mit sich davonzuführen. Und
nun beherrschen sich die beiden nicht länger, sie überlassen sich ihrer Leidenschaft,
und Astorre, nachdem er vor der Mutter gelobt, Antiope als sein Weib zu ehren
und zu schützen, gewinnt einen Mönch des Ordens, dessen Kutte er selbst vor
einigen Tagen abgeworfen hat, ihn zur Stelle mit der Jugendlichen, deren Lieb¬
reiz ihn berauscht, zu trauen. Ascanio kommt zu spät hinzu, um den Frevel
abzuwenden, und kann jetzt nur auf die Macht und das Wort seines Oheims
Ezzelin hoffen, vor dessen Gericht die Neuvermählten am andern Morgen ge¬
leitet werden. Der Tyrann hat seine eignen Gedanken über den Ausgang
dieser Dinge, in denen alles unabwendbares Schicksal scheint. Aber er entspricht
allen Wünschen des Neffen und tritt gebieterisch zwischen die rachedürstenden
Pizzaguerra und den vermählten Mönch, er läßt die edeln Geschlechter von
Padua in den Palast Vieedomini, um, wie gebräuchlich, Hochzeit mit Masken
zu feiern. Selbst die verschmähte Diana verspricht, dabei zu erscheinen, fordert
aber von ihrer jungen Nebenbuhlerin Antiope, daß diese reuig und demütig
komme, um ihr den Ring vom Finger zu ziehen, welchen sie, die Pizzagnerra,
noch von Antiopes Gemahl trägt. Astorre, der die wahre Meinung Dianas
nicht ahnt, zwingt an dem festlichen Abende sein junges Weib, das Verlangen
Dianas zu erfüllen. Mitten im Getümmel ermordet nun die Erbitterte mit
einem silbernen Pfeil die schöne Antiope. Der hinzukommende Astorre fällt in
der Raserei des Schmerzes den Bruder Dianas mit dem blutigen Pfeil an
und wird, indem er ihn niederstößt, von dem Schwert des Kriegers zum Tode
getroffen. "Der Mönch, von Ascanio gestützt, that noch einige Schritte nach
seinem Weibe und bettete sich, von dem Freunde niedergelassen, zu ihr, Mund
an Mund."

Bis zu diesem Schluß seiner Erzählung hat Dante sich von seinen Hörern ge¬
legentlich unterbrechen lassen und ihren Einwürfen und Fragen Rede und Antwort
gestanden. Jetzt schneidet er weitere Betrachtungen über seine Novelle ab. "Dante
erhob sich. "Ich habe meinen Platz am Feuer bezahlt, sagte er, und suche
nun das Glück des Schlummers. Der Herr des Friedens behüte uns alle."
Er wendete sich und schritt durch die Pforte, welche ihm der Edelknabe geöffnet
hatte. Aller Augen folgten ihm, der die Stufen einer fackelhellen Treppe
langsam emporstieg." So klingt die Novelle aus, wie sie begonnen, und neben
den Gestalten des Abenteuers selbst bannt sie die des großen Florentiners vor
den innern Blick der Leser.

Es ist eine reife Anmut und viel Geist in dieser Art des Vortrages, und
die Farben der Zeit, obschon sie knapp und maßvoll verwandt sind, leuchten
uns kräftig entgegen. Die ganze Schöpfung bekundet wiederum die frische
Stärke der Phantasie des Dichters und seine Fähigkeit, die Leser auf einen
einsameren Pfad nachzuziehen, auf welchem sich ihnen hundert neue Aussichten


Die Hochzeit des Mönchs.

und mit einem Korbe abgewiesen wird. Indem er sich zurückzieht, vergißt er
ganz, den Verlobten seiner Schwester Diana mit sich davonzuführen. Und
nun beherrschen sich die beiden nicht länger, sie überlassen sich ihrer Leidenschaft,
und Astorre, nachdem er vor der Mutter gelobt, Antiope als sein Weib zu ehren
und zu schützen, gewinnt einen Mönch des Ordens, dessen Kutte er selbst vor
einigen Tagen abgeworfen hat, ihn zur Stelle mit der Jugendlichen, deren Lieb¬
reiz ihn berauscht, zu trauen. Ascanio kommt zu spät hinzu, um den Frevel
abzuwenden, und kann jetzt nur auf die Macht und das Wort seines Oheims
Ezzelin hoffen, vor dessen Gericht die Neuvermählten am andern Morgen ge¬
leitet werden. Der Tyrann hat seine eignen Gedanken über den Ausgang
dieser Dinge, in denen alles unabwendbares Schicksal scheint. Aber er entspricht
allen Wünschen des Neffen und tritt gebieterisch zwischen die rachedürstenden
Pizzaguerra und den vermählten Mönch, er läßt die edeln Geschlechter von
Padua in den Palast Vieedomini, um, wie gebräuchlich, Hochzeit mit Masken
zu feiern. Selbst die verschmähte Diana verspricht, dabei zu erscheinen, fordert
aber von ihrer jungen Nebenbuhlerin Antiope, daß diese reuig und demütig
komme, um ihr den Ring vom Finger zu ziehen, welchen sie, die Pizzagnerra,
noch von Antiopes Gemahl trägt. Astorre, der die wahre Meinung Dianas
nicht ahnt, zwingt an dem festlichen Abende sein junges Weib, das Verlangen
Dianas zu erfüllen. Mitten im Getümmel ermordet nun die Erbitterte mit
einem silbernen Pfeil die schöne Antiope. Der hinzukommende Astorre fällt in
der Raserei des Schmerzes den Bruder Dianas mit dem blutigen Pfeil an
und wird, indem er ihn niederstößt, von dem Schwert des Kriegers zum Tode
getroffen. „Der Mönch, von Ascanio gestützt, that noch einige Schritte nach
seinem Weibe und bettete sich, von dem Freunde niedergelassen, zu ihr, Mund
an Mund."

Bis zu diesem Schluß seiner Erzählung hat Dante sich von seinen Hörern ge¬
legentlich unterbrechen lassen und ihren Einwürfen und Fragen Rede und Antwort
gestanden. Jetzt schneidet er weitere Betrachtungen über seine Novelle ab. „Dante
erhob sich. »Ich habe meinen Platz am Feuer bezahlt, sagte er, und suche
nun das Glück des Schlummers. Der Herr des Friedens behüte uns alle.«
Er wendete sich und schritt durch die Pforte, welche ihm der Edelknabe geöffnet
hatte. Aller Augen folgten ihm, der die Stufen einer fackelhellen Treppe
langsam emporstieg." So klingt die Novelle aus, wie sie begonnen, und neben
den Gestalten des Abenteuers selbst bannt sie die des großen Florentiners vor
den innern Blick der Leser.

Es ist eine reife Anmut und viel Geist in dieser Art des Vortrages, und
die Farben der Zeit, obschon sie knapp und maßvoll verwandt sind, leuchten
uns kräftig entgegen. Die ganze Schöpfung bekundet wiederum die frische
Stärke der Phantasie des Dichters und seine Fähigkeit, die Leser auf einen
einsameren Pfad nachzuziehen, auf welchem sich ihnen hundert neue Aussichten


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[0431] Die Hochzeit des Mönchs. und mit einem Korbe abgewiesen wird. Indem er sich zurückzieht, vergißt er ganz, den Verlobten seiner Schwester Diana mit sich davonzuführen. Und nun beherrschen sich die beiden nicht länger, sie überlassen sich ihrer Leidenschaft, und Astorre, nachdem er vor der Mutter gelobt, Antiope als sein Weib zu ehren und zu schützen, gewinnt einen Mönch des Ordens, dessen Kutte er selbst vor einigen Tagen abgeworfen hat, ihn zur Stelle mit der Jugendlichen, deren Lieb¬ reiz ihn berauscht, zu trauen. Ascanio kommt zu spät hinzu, um den Frevel abzuwenden, und kann jetzt nur auf die Macht und das Wort seines Oheims Ezzelin hoffen, vor dessen Gericht die Neuvermählten am andern Morgen ge¬ leitet werden. Der Tyrann hat seine eignen Gedanken über den Ausgang dieser Dinge, in denen alles unabwendbares Schicksal scheint. Aber er entspricht allen Wünschen des Neffen und tritt gebieterisch zwischen die rachedürstenden Pizzaguerra und den vermählten Mönch, er läßt die edeln Geschlechter von Padua in den Palast Vieedomini, um, wie gebräuchlich, Hochzeit mit Masken zu feiern. Selbst die verschmähte Diana verspricht, dabei zu erscheinen, fordert aber von ihrer jungen Nebenbuhlerin Antiope, daß diese reuig und demütig komme, um ihr den Ring vom Finger zu ziehen, welchen sie, die Pizzagnerra, noch von Antiopes Gemahl trägt. Astorre, der die wahre Meinung Dianas nicht ahnt, zwingt an dem festlichen Abende sein junges Weib, das Verlangen Dianas zu erfüllen. Mitten im Getümmel ermordet nun die Erbitterte mit einem silbernen Pfeil die schöne Antiope. Der hinzukommende Astorre fällt in der Raserei des Schmerzes den Bruder Dianas mit dem blutigen Pfeil an und wird, indem er ihn niederstößt, von dem Schwert des Kriegers zum Tode getroffen. „Der Mönch, von Ascanio gestützt, that noch einige Schritte nach seinem Weibe und bettete sich, von dem Freunde niedergelassen, zu ihr, Mund an Mund." Bis zu diesem Schluß seiner Erzählung hat Dante sich von seinen Hörern ge¬ legentlich unterbrechen lassen und ihren Einwürfen und Fragen Rede und Antwort gestanden. Jetzt schneidet er weitere Betrachtungen über seine Novelle ab. „Dante erhob sich. »Ich habe meinen Platz am Feuer bezahlt, sagte er, und suche nun das Glück des Schlummers. Der Herr des Friedens behüte uns alle.« Er wendete sich und schritt durch die Pforte, welche ihm der Edelknabe geöffnet hatte. Aller Augen folgten ihm, der die Stufen einer fackelhellen Treppe langsam emporstieg." So klingt die Novelle aus, wie sie begonnen, und neben den Gestalten des Abenteuers selbst bannt sie die des großen Florentiners vor den innern Blick der Leser. Es ist eine reife Anmut und viel Geist in dieser Art des Vortrages, und die Farben der Zeit, obschon sie knapp und maßvoll verwandt sind, leuchten uns kräftig entgegen. Die ganze Schöpfung bekundet wiederum die frische Stärke der Phantasie des Dichters und seine Fähigkeit, die Leser auf einen einsameren Pfad nachzuziehen, auf welchem sich ihnen hundert neue Aussichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/431>, abgerufen am 29.12.2024.