Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Diplomatenschule.

nicht imstande ist, seinem Range und der Größe des deutschen Reiches gemäß
zu leben. . . . Ein Botschafter braucht wegen seines Titels kein höheres Ge¬
halt. Er hat, wenn er überhaupt knapp dotirt ist, gegen einen Gesandten an
einem großen Hofe nur ein Mehrbedürfnis von einem bis dreitausend Thalern,
weil es in den meisten Ländern üblich ist, daß er große Feste in einem gewissen
monarchischen Stile giebt, bei denen er von dem Souverän selbst besucht wird,
und wo die ihm dadurch erwiesene Ehre ihm größere Achtung in den Augen
der Unterthanen verschafft. Darum aber handelt es sich hier nicht. Der Grund,
aus welchem wir den Titel "Botschafter" gegeben haben, bezieht sich vielmehr
ans den Rang der diplomatischen Vertreter unter sich. Es ist da ein Unter¬
schied. Es kommt z. B. vor, daß, wenn der auswärtige Minister mit einem
Gesandten in einer verabredeten Konferenz ist, und es wird ein Botschafter ge¬
meldet, der Minister sich dann für verpflichtet hält, die Unterredung abzubrechen
und den Botschafter zu empfangen. Oder wenn ein Gesandter, der vielleicht
schon eine Stunde im Vorzimmer gewartet hat, gerade empfangen werden soll
und in dem Moment ein Botschafter angemeldet wird, so wird der Botschafter
empfangen, und der Gesandte kann noch eine Stunde warten oder wird an dem¬
selben Tage garnicht empfangen. Man kann sagen: der Gesandte braucht sich
das nicht gefallen zu lassen, und ich bin selbst in der Lage gewesen, mir das
mit Erfolg abzuwehren. Aber diese Dinge streifen leicht an die Grenzen einer
persönlichen Spannung, die mit der Sache oft in gar keinem Verhältnisse steht.
Man vermeidet das einfach, indem man den Titel giebt, der mit den Ehren¬
bezeigungen, mit denen er verbunden ist, und mit den gesamten Ansprüchen, die
damit gegeben werden, als ein Äquivalent für Geld, als eine Ersparung an¬
gesehen werden kann."

Die vornehmste Klasse der päpstlichen Diplomaten zerfällt in Legaten
(loß'Ali a oder as 1g,tsrs, d. h. von der Seite, aus der unmittelbaren Umgebung
des heiligen Vaters), die der Papst im Konsistorium aus der Zahl der Kardi¬
näle wählt, und Nuntien, die früher für niedriger stehend galten als jene.
Indes kommen Legaten mit diplomatischem Charakter schon seit geraumer Zeit
nicht mehr vor, wogegen es Nuntien in München, Wien, Paris, Brüssel,
Madrid und Lissabon giebt. Dieselben sind immer Erzbischöfe, meist in va-rtivus
wlläslwin, und verlassen ihren Posten in der Regel nur, um in das Kollegium
der Kardinäle einzutreten. Der gegenwärtige Inhaber des apostolischen Stuhles
war früher Nuntius in Brüssel. Die Nuntiaturen griffen ehedem vielfach in die
Gerechtsame der Bischöfe ein und geberdeten sich überhaupt als regierende, den
Landeskirchen vorgesetzte, nur dem Papste Gehorsam schütterte und verantwort¬
liche Oberbehörde. Sowohl nach den Dekretalien als nach der Praxis der Kurie
berechtigte sie ihr Amt, die angeblich unbeschränkte Gewalt des Papstes über
die gesamte Kirche im Bereich des ihnen angewiesenen Landes auszuüben, und
sie beanspruchten daher eine mit jedem Bischof oder Erzbischof in seinem Sprengel


Aus der Diplomatenschule.

nicht imstande ist, seinem Range und der Größe des deutschen Reiches gemäß
zu leben. . . . Ein Botschafter braucht wegen seines Titels kein höheres Ge¬
halt. Er hat, wenn er überhaupt knapp dotirt ist, gegen einen Gesandten an
einem großen Hofe nur ein Mehrbedürfnis von einem bis dreitausend Thalern,
weil es in den meisten Ländern üblich ist, daß er große Feste in einem gewissen
monarchischen Stile giebt, bei denen er von dem Souverän selbst besucht wird,
und wo die ihm dadurch erwiesene Ehre ihm größere Achtung in den Augen
der Unterthanen verschafft. Darum aber handelt es sich hier nicht. Der Grund,
aus welchem wir den Titel »Botschafter« gegeben haben, bezieht sich vielmehr
ans den Rang der diplomatischen Vertreter unter sich. Es ist da ein Unter¬
schied. Es kommt z. B. vor, daß, wenn der auswärtige Minister mit einem
Gesandten in einer verabredeten Konferenz ist, und es wird ein Botschafter ge¬
meldet, der Minister sich dann für verpflichtet hält, die Unterredung abzubrechen
und den Botschafter zu empfangen. Oder wenn ein Gesandter, der vielleicht
schon eine Stunde im Vorzimmer gewartet hat, gerade empfangen werden soll
und in dem Moment ein Botschafter angemeldet wird, so wird der Botschafter
empfangen, und der Gesandte kann noch eine Stunde warten oder wird an dem¬
selben Tage garnicht empfangen. Man kann sagen: der Gesandte braucht sich
das nicht gefallen zu lassen, und ich bin selbst in der Lage gewesen, mir das
mit Erfolg abzuwehren. Aber diese Dinge streifen leicht an die Grenzen einer
persönlichen Spannung, die mit der Sache oft in gar keinem Verhältnisse steht.
Man vermeidet das einfach, indem man den Titel giebt, der mit den Ehren¬
bezeigungen, mit denen er verbunden ist, und mit den gesamten Ansprüchen, die
damit gegeben werden, als ein Äquivalent für Geld, als eine Ersparung an¬
gesehen werden kann."

Die vornehmste Klasse der päpstlichen Diplomaten zerfällt in Legaten
(loß'Ali a oder as 1g,tsrs, d. h. von der Seite, aus der unmittelbaren Umgebung
des heiligen Vaters), die der Papst im Konsistorium aus der Zahl der Kardi¬
näle wählt, und Nuntien, die früher für niedriger stehend galten als jene.
Indes kommen Legaten mit diplomatischem Charakter schon seit geraumer Zeit
nicht mehr vor, wogegen es Nuntien in München, Wien, Paris, Brüssel,
Madrid und Lissabon giebt. Dieselben sind immer Erzbischöfe, meist in va-rtivus
wlläslwin, und verlassen ihren Posten in der Regel nur, um in das Kollegium
der Kardinäle einzutreten. Der gegenwärtige Inhaber des apostolischen Stuhles
war früher Nuntius in Brüssel. Die Nuntiaturen griffen ehedem vielfach in die
Gerechtsame der Bischöfe ein und geberdeten sich überhaupt als regierende, den
Landeskirchen vorgesetzte, nur dem Papste Gehorsam schütterte und verantwort¬
liche Oberbehörde. Sowohl nach den Dekretalien als nach der Praxis der Kurie
berechtigte sie ihr Amt, die angeblich unbeschränkte Gewalt des Papstes über
die gesamte Kirche im Bereich des ihnen angewiesenen Landes auszuüben, und
sie beanspruchten daher eine mit jedem Bischof oder Erzbischof in seinem Sprengel


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157289"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Diplomatenschule.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> nicht imstande ist, seinem Range und der Größe des deutschen Reiches gemäß<lb/>
zu leben. . . . Ein Botschafter braucht wegen seines Titels kein höheres Ge¬<lb/>
halt. Er hat, wenn er überhaupt knapp dotirt ist, gegen einen Gesandten an<lb/>
einem großen Hofe nur ein Mehrbedürfnis von einem bis dreitausend Thalern,<lb/>
weil es in den meisten Ländern üblich ist, daß er große Feste in einem gewissen<lb/>
monarchischen Stile giebt, bei denen er von dem Souverän selbst besucht wird,<lb/>
und wo die ihm dadurch erwiesene Ehre ihm größere Achtung in den Augen<lb/>
der Unterthanen verschafft. Darum aber handelt es sich hier nicht. Der Grund,<lb/>
aus welchem wir den Titel »Botschafter« gegeben haben, bezieht sich vielmehr<lb/>
ans den Rang der diplomatischen Vertreter unter sich. Es ist da ein Unter¬<lb/>
schied. Es kommt z. B. vor, daß, wenn der auswärtige Minister mit einem<lb/>
Gesandten in einer verabredeten Konferenz ist, und es wird ein Botschafter ge¬<lb/>
meldet, der Minister sich dann für verpflichtet hält, die Unterredung abzubrechen<lb/>
und den Botschafter zu empfangen. Oder wenn ein Gesandter, der vielleicht<lb/>
schon eine Stunde im Vorzimmer gewartet hat, gerade empfangen werden soll<lb/>
und in dem Moment ein Botschafter angemeldet wird, so wird der Botschafter<lb/>
empfangen, und der Gesandte kann noch eine Stunde warten oder wird an dem¬<lb/>
selben Tage garnicht empfangen. Man kann sagen: der Gesandte braucht sich<lb/>
das nicht gefallen zu lassen, und ich bin selbst in der Lage gewesen, mir das<lb/>
mit Erfolg abzuwehren. Aber diese Dinge streifen leicht an die Grenzen einer<lb/>
persönlichen Spannung, die mit der Sache oft in gar keinem Verhältnisse steht.<lb/>
Man vermeidet das einfach, indem man den Titel giebt, der mit den Ehren¬<lb/>
bezeigungen, mit denen er verbunden ist, und mit den gesamten Ansprüchen, die<lb/>
damit gegeben werden, als ein Äquivalent für Geld, als eine Ersparung an¬<lb/>
gesehen werden kann."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1260" next="#ID_1261"> Die vornehmste Klasse der päpstlichen Diplomaten zerfällt in Legaten<lb/>
(loß'Ali a oder as 1g,tsrs, d. h. von der Seite, aus der unmittelbaren Umgebung<lb/>
des heiligen Vaters), die der Papst im Konsistorium aus der Zahl der Kardi¬<lb/>
näle wählt, und Nuntien, die früher für niedriger stehend galten als jene.<lb/>
Indes kommen Legaten mit diplomatischem Charakter schon seit geraumer Zeit<lb/>
nicht mehr vor, wogegen es Nuntien in München, Wien, Paris, Brüssel,<lb/>
Madrid und Lissabon giebt. Dieselben sind immer Erzbischöfe, meist in va-rtivus<lb/>
wlläslwin, und verlassen ihren Posten in der Regel nur, um in das Kollegium<lb/>
der Kardinäle einzutreten. Der gegenwärtige Inhaber des apostolischen Stuhles<lb/>
war früher Nuntius in Brüssel. Die Nuntiaturen griffen ehedem vielfach in die<lb/>
Gerechtsame der Bischöfe ein und geberdeten sich überhaupt als regierende, den<lb/>
Landeskirchen vorgesetzte, nur dem Papste Gehorsam schütterte und verantwort¬<lb/>
liche Oberbehörde. Sowohl nach den Dekretalien als nach der Praxis der Kurie<lb/>
berechtigte sie ihr Amt, die angeblich unbeschränkte Gewalt des Papstes über<lb/>
die gesamte Kirche im Bereich des ihnen angewiesenen Landes auszuüben, und<lb/>
sie beanspruchten daher eine mit jedem Bischof oder Erzbischof in seinem Sprengel</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0364] Aus der Diplomatenschule. nicht imstande ist, seinem Range und der Größe des deutschen Reiches gemäß zu leben. . . . Ein Botschafter braucht wegen seines Titels kein höheres Ge¬ halt. Er hat, wenn er überhaupt knapp dotirt ist, gegen einen Gesandten an einem großen Hofe nur ein Mehrbedürfnis von einem bis dreitausend Thalern, weil es in den meisten Ländern üblich ist, daß er große Feste in einem gewissen monarchischen Stile giebt, bei denen er von dem Souverän selbst besucht wird, und wo die ihm dadurch erwiesene Ehre ihm größere Achtung in den Augen der Unterthanen verschafft. Darum aber handelt es sich hier nicht. Der Grund, aus welchem wir den Titel »Botschafter« gegeben haben, bezieht sich vielmehr ans den Rang der diplomatischen Vertreter unter sich. Es ist da ein Unter¬ schied. Es kommt z. B. vor, daß, wenn der auswärtige Minister mit einem Gesandten in einer verabredeten Konferenz ist, und es wird ein Botschafter ge¬ meldet, der Minister sich dann für verpflichtet hält, die Unterredung abzubrechen und den Botschafter zu empfangen. Oder wenn ein Gesandter, der vielleicht schon eine Stunde im Vorzimmer gewartet hat, gerade empfangen werden soll und in dem Moment ein Botschafter angemeldet wird, so wird der Botschafter empfangen, und der Gesandte kann noch eine Stunde warten oder wird an dem¬ selben Tage garnicht empfangen. Man kann sagen: der Gesandte braucht sich das nicht gefallen zu lassen, und ich bin selbst in der Lage gewesen, mir das mit Erfolg abzuwehren. Aber diese Dinge streifen leicht an die Grenzen einer persönlichen Spannung, die mit der Sache oft in gar keinem Verhältnisse steht. Man vermeidet das einfach, indem man den Titel giebt, der mit den Ehren¬ bezeigungen, mit denen er verbunden ist, und mit den gesamten Ansprüchen, die damit gegeben werden, als ein Äquivalent für Geld, als eine Ersparung an¬ gesehen werden kann." Die vornehmste Klasse der päpstlichen Diplomaten zerfällt in Legaten (loß'Ali a oder as 1g,tsrs, d. h. von der Seite, aus der unmittelbaren Umgebung des heiligen Vaters), die der Papst im Konsistorium aus der Zahl der Kardi¬ näle wählt, und Nuntien, die früher für niedriger stehend galten als jene. Indes kommen Legaten mit diplomatischem Charakter schon seit geraumer Zeit nicht mehr vor, wogegen es Nuntien in München, Wien, Paris, Brüssel, Madrid und Lissabon giebt. Dieselben sind immer Erzbischöfe, meist in va-rtivus wlläslwin, und verlassen ihren Posten in der Regel nur, um in das Kollegium der Kardinäle einzutreten. Der gegenwärtige Inhaber des apostolischen Stuhles war früher Nuntius in Brüssel. Die Nuntiaturen griffen ehedem vielfach in die Gerechtsame der Bischöfe ein und geberdeten sich überhaupt als regierende, den Landeskirchen vorgesetzte, nur dem Papste Gehorsam schütterte und verantwort¬ liche Oberbehörde. Sowohl nach den Dekretalien als nach der Praxis der Kurie berechtigte sie ihr Amt, die angeblich unbeschränkte Gewalt des Papstes über die gesamte Kirche im Bereich des ihnen angewiesenen Landes auszuüben, und sie beanspruchten daher eine mit jedem Bischof oder Erzbischof in seinem Sprengel

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/364
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/364>, abgerufen am 29.12.2024.