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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschnle.

Wenden, in welchem Falle sie als Geschäftsträger (aAsuts ouarZss ä'gFairss) figu-
rirten.. . . Seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts bildeten an den
meisten Höfen die gsutiluoiumss suvoz^s eine besondre Klasse zwischen den Bot¬
schaftern und den Residenten, deren Mitglieder bald sirvo^Sö <zxt,rÄoräing.irs8,
bald nüniströs xlsuixotöntiÄrss genannt wurden, sodaß es nun drei Arten von
Gesandten: Botschafter, suvo^hö oder miuistrss xlsuixot-öMgires und Residenten
oder Geschäftsträger gab." (Alt, Handbuch des europäischen Gesandtschafts¬
rechtes, S, 14).

Auf dem Wiener Kongresse wurden durch ein Reglement vom 19. März
1815, das zwischen den acht Mächten vereinbart worden war, welche den Pa¬
riser Frieden von 1814 abgeschlossen hatten, für die Gesandten drei Rangklassen
geschaffen, zu deren oberster die päpstlichen Legaten und Nuntien und die ors-torss
(Vertreter der katholischen Mächte bei der Kurie, sowie bei Konzilen), Botschafter
und Großbotschafter der weltlichen Mächte gehören sollten. Diesen Gesandten
erster Ordnung "wird von ihrem Souverän der vollkommene Repräsentativ¬
charakter beigelegt, d. h. sie sind nicht nur hinsichtlich der ihnen übertragenen
Geschäfte, sondern auch hinsichtlich ihrer Person Stellvertreter desselben und
können daher im allgemeinen die Ehrenauszeichnungen in Anspruch nehmen,
welche jenem bei persönlicher Anwesenheit zukommen würden, allein die rein
Persönlichen Privilegien werden sie nicht beanspruchen können; denn der Ver¬
treter einer Person ist niemals die Physische Person selbst." (Alt, a. a. O.,
S. 15.)

Ein vielverbreiteter Irrtum ist es, wenn Alt meint: "Was den geschäft¬
lichen Verkehr betrifft, so besteht der Unterschied zwischen der Stellung eines
Gesandten und eines Botschafters hauptsächlich darin, daß, während jener sich
nur an die Regierung des Staates, bei welchem er beglaubigt M, mit Rat¬
schlägen und Vorschlägen wenden kann, der Botschafter Zulaß zu dem Souverän
selbst begehren darf und somit unmittelbar auf denselben einzuwirken imstande
ist." Wir können uns bei Berichtigung desselben auf eine Autorität ersten
Ranges beziehen. Am 16. November 1871 sagte Fürst Bismarck im deutschen
Reichstage: "In den Blättern habe ich viel von den besondern Privilegien des
Botschafters in bezug auf seinen Verkehr mit dem Souverän gelesen... . Der
Botschafter als solcher hat rin dem Monarchen nicht leichteren Verkehr als jeder
Gesandte, und er kann in keiner Weise das Recht in Anspruch nehmen, mit dem
Monarchen ohne Vermittlung seines Ministers zu verkehren." Vorher hatte der
Reichskanzler bemerkt: "Ob jemand Botschafter oder Gesandter ist, hat mit der
Sache an sich so sehr viel nicht zu thun. Ich würde darauf an sich kein so hohes
Gewicht legen; es kommt vielmehr darauf an, ob jemand die Mittel zur
Disposition hat, um würdig auftreten zu können. Ein Gesandter mit 40000
Thalern Gehalt in einem imposanten Hotel mit stattlichem Privatvermögen ist
mir in dieser Beziehung lieber als ein Botschafter mit 30000 Thalern, der


Aus der Diplomatenschnle.

Wenden, in welchem Falle sie als Geschäftsträger (aAsuts ouarZss ä'gFairss) figu-
rirten.. . . Seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts bildeten an den
meisten Höfen die gsutiluoiumss suvoz^s eine besondre Klasse zwischen den Bot¬
schaftern und den Residenten, deren Mitglieder bald sirvo^Sö <zxt,rÄoräing.irs8,
bald nüniströs xlsuixotöntiÄrss genannt wurden, sodaß es nun drei Arten von
Gesandten: Botschafter, suvo^hö oder miuistrss xlsuixot-öMgires und Residenten
oder Geschäftsträger gab." (Alt, Handbuch des europäischen Gesandtschafts¬
rechtes, S, 14).

Auf dem Wiener Kongresse wurden durch ein Reglement vom 19. März
1815, das zwischen den acht Mächten vereinbart worden war, welche den Pa¬
riser Frieden von 1814 abgeschlossen hatten, für die Gesandten drei Rangklassen
geschaffen, zu deren oberster die päpstlichen Legaten und Nuntien und die ors-torss
(Vertreter der katholischen Mächte bei der Kurie, sowie bei Konzilen), Botschafter
und Großbotschafter der weltlichen Mächte gehören sollten. Diesen Gesandten
erster Ordnung „wird von ihrem Souverän der vollkommene Repräsentativ¬
charakter beigelegt, d. h. sie sind nicht nur hinsichtlich der ihnen übertragenen
Geschäfte, sondern auch hinsichtlich ihrer Person Stellvertreter desselben und
können daher im allgemeinen die Ehrenauszeichnungen in Anspruch nehmen,
welche jenem bei persönlicher Anwesenheit zukommen würden, allein die rein
Persönlichen Privilegien werden sie nicht beanspruchen können; denn der Ver¬
treter einer Person ist niemals die Physische Person selbst." (Alt, a. a. O.,
S. 15.)

Ein vielverbreiteter Irrtum ist es, wenn Alt meint: „Was den geschäft¬
lichen Verkehr betrifft, so besteht der Unterschied zwischen der Stellung eines
Gesandten und eines Botschafters hauptsächlich darin, daß, während jener sich
nur an die Regierung des Staates, bei welchem er beglaubigt M, mit Rat¬
schlägen und Vorschlägen wenden kann, der Botschafter Zulaß zu dem Souverän
selbst begehren darf und somit unmittelbar auf denselben einzuwirken imstande
ist." Wir können uns bei Berichtigung desselben auf eine Autorität ersten
Ranges beziehen. Am 16. November 1871 sagte Fürst Bismarck im deutschen
Reichstage: „In den Blättern habe ich viel von den besondern Privilegien des
Botschafters in bezug auf seinen Verkehr mit dem Souverän gelesen... . Der
Botschafter als solcher hat rin dem Monarchen nicht leichteren Verkehr als jeder
Gesandte, und er kann in keiner Weise das Recht in Anspruch nehmen, mit dem
Monarchen ohne Vermittlung seines Ministers zu verkehren." Vorher hatte der
Reichskanzler bemerkt: „Ob jemand Botschafter oder Gesandter ist, hat mit der
Sache an sich so sehr viel nicht zu thun. Ich würde darauf an sich kein so hohes
Gewicht legen; es kommt vielmehr darauf an, ob jemand die Mittel zur
Disposition hat, um würdig auftreten zu können. Ein Gesandter mit 40000
Thalern Gehalt in einem imposanten Hotel mit stattlichem Privatvermögen ist
mir in dieser Beziehung lieber als ein Botschafter mit 30000 Thalern, der


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[0363] Aus der Diplomatenschnle. Wenden, in welchem Falle sie als Geschäftsträger (aAsuts ouarZss ä'gFairss) figu- rirten.. . . Seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts bildeten an den meisten Höfen die gsutiluoiumss suvoz^s eine besondre Klasse zwischen den Bot¬ schaftern und den Residenten, deren Mitglieder bald sirvo^Sö <zxt,rÄoräing.irs8, bald nüniströs xlsuixotöntiÄrss genannt wurden, sodaß es nun drei Arten von Gesandten: Botschafter, suvo^hö oder miuistrss xlsuixot-öMgires und Residenten oder Geschäftsträger gab." (Alt, Handbuch des europäischen Gesandtschafts¬ rechtes, S, 14). Auf dem Wiener Kongresse wurden durch ein Reglement vom 19. März 1815, das zwischen den acht Mächten vereinbart worden war, welche den Pa¬ riser Frieden von 1814 abgeschlossen hatten, für die Gesandten drei Rangklassen geschaffen, zu deren oberster die päpstlichen Legaten und Nuntien und die ors-torss (Vertreter der katholischen Mächte bei der Kurie, sowie bei Konzilen), Botschafter und Großbotschafter der weltlichen Mächte gehören sollten. Diesen Gesandten erster Ordnung „wird von ihrem Souverän der vollkommene Repräsentativ¬ charakter beigelegt, d. h. sie sind nicht nur hinsichtlich der ihnen übertragenen Geschäfte, sondern auch hinsichtlich ihrer Person Stellvertreter desselben und können daher im allgemeinen die Ehrenauszeichnungen in Anspruch nehmen, welche jenem bei persönlicher Anwesenheit zukommen würden, allein die rein Persönlichen Privilegien werden sie nicht beanspruchen können; denn der Ver¬ treter einer Person ist niemals die Physische Person selbst." (Alt, a. a. O., S. 15.) Ein vielverbreiteter Irrtum ist es, wenn Alt meint: „Was den geschäft¬ lichen Verkehr betrifft, so besteht der Unterschied zwischen der Stellung eines Gesandten und eines Botschafters hauptsächlich darin, daß, während jener sich nur an die Regierung des Staates, bei welchem er beglaubigt M, mit Rat¬ schlägen und Vorschlägen wenden kann, der Botschafter Zulaß zu dem Souverän selbst begehren darf und somit unmittelbar auf denselben einzuwirken imstande ist." Wir können uns bei Berichtigung desselben auf eine Autorität ersten Ranges beziehen. Am 16. November 1871 sagte Fürst Bismarck im deutschen Reichstage: „In den Blättern habe ich viel von den besondern Privilegien des Botschafters in bezug auf seinen Verkehr mit dem Souverän gelesen... . Der Botschafter als solcher hat rin dem Monarchen nicht leichteren Verkehr als jeder Gesandte, und er kann in keiner Weise das Recht in Anspruch nehmen, mit dem Monarchen ohne Vermittlung seines Ministers zu verkehren." Vorher hatte der Reichskanzler bemerkt: „Ob jemand Botschafter oder Gesandter ist, hat mit der Sache an sich so sehr viel nicht zu thun. Ich würde darauf an sich kein so hohes Gewicht legen; es kommt vielmehr darauf an, ob jemand die Mittel zur Disposition hat, um würdig auftreten zu können. Ein Gesandter mit 40000 Thalern Gehalt in einem imposanten Hotel mit stattlichem Privatvermögen ist mir in dieser Beziehung lieber als ein Botschafter mit 30000 Thalern, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/363>, abgerufen am 29.12.2024.