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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.

Sache viel kostet, mit der Zeit wohl durch freiwilligen Verzicht vor dem Ver¬
langen einer sparsamen Volksvertretung in Wegfall kommen werden. Ferner
sind vom aktiven Gesandtschaftsrechte, d. h. dem Rechte, Gesandte abzuordnen,
nicht ausgeschlossen: die Fürsten, die zu einem andern im Lehrs- oder Schutz¬
verhältnisse stehen, und die sogenannten Halbsouveränen Staaten. Hierher ge¬
hörten bis vor kurzem Serbien, die Moldau, die Walachei und Tunis, während
sich jetzt nur Bulgarien noch dieses Rechtes erfreut. Ein Souverän, der sich
infolge eines unglücklichen Krieges oder einer gelungenen Revolution nicht mehr
im faktischen Besitze der Staatsgewalt befindet, ist auch nicht befugt, das Ge¬
sandtschaftsrecht auszuüben, und dasselbe gilt von einem solchen, der freiwillig die
Krone niedergelegt hat. Doch find hier Beispiele vom Gegenteile vorgekommen;
man denke an Kaiser Karl den Fünften und Christine von Schweden. Karl
der Zehnte von Frankreich, Ludwig Philipp und Napoleon der Dritte besaßen
jenes Recht, als sie ins Exil gegangen waren, nicht mehr, und die in den letzten
beiden Jahrzehnten depossedirten deutschen und italienischen Potentaten hatten
es gleichermaßen verloren. Der Herzog Friedrich von Augustenburg aber hat
es zwar quasi (in Wien, Frankfurt, Dresden und -- Paris) auszuüben ver¬
sucht, es aber niemals wirklich besitzen können.

Die Diplomaten, deren sich die Fürsten und andre Staatsgewalten (Präsi¬
denten und dergleichen) zur Vermittlung des Verkehrs mit andern Mächten be¬
dienen, sind Gesandte mit amtlichen Charakter, bloße Agenten und Kommissäre
ohne solchen und Konsuln, die vorzüglich für Handelssachen zu sorgen haben.

Die Gesandten sind Beamte, die mit einem bestimmten herkömmlichen Titel
und einem Beglaubigungsschreiben an fremde Höfe abgeschickt werden und hier
gewisse Vorrechte genießen, welche ihnen das Völkerrecht einräumt. Sie haben
entweder ein beschränktes Mandat, welches sie nicht ohne besondre Genehmigung des
Auftraggebers überschreiten dürfen, oder unbegrenzte, nur in den Grundzügen durch
Instruktion ihres obersten Chefs von vornherein oder von Fall zu Fall ge¬
regelte Vollmacht (lidsrg, xotsstW ÄAöuäi, pleuixotsutia). Lauge Zeit gab es,
abgesehen von den Abgeordneten des Papstes, zur Betreibung der diplomatische"
Geschäfte im Auslande nur eine Klasse von Gesandten, "nämlich die Botschafter
(Äiul)iWg.ä<zur8, xrooursurs), während die Agenten, welche die Privatangelegen¬
heiten der Fürsten in fremden Ländern besorgten, niemals auf die Rechte von
Diplomaten Anspruch hatten. In minder wichtigen, namentlich Zeremoniell¬
sachen, ordnete man auch Hofkavaliere ab, die als Asutiluorurnös Luvoz^s be¬
zeichnet wurden, aber anfänglich nicht als wirkliche Gesandte galten. Seit
Einführung der ständigen Missionen und insbesondre als die Idee von dem per¬
sönlichen Repräsentationscharakter der Gesandten manche Streitigkeiten, sowie
auch höhern Aufwand verursachte, wurde neben den Botschafter" die Klasse der
Residenten eingeführt, sowie die Fürsten auch anfingen, die mit der Besorgung
ihrer privaten Angelegenheiten betrauten Agenten zu Staatsgeschäften zu ver-


Aus der Diplomatenschule.

Sache viel kostet, mit der Zeit wohl durch freiwilligen Verzicht vor dem Ver¬
langen einer sparsamen Volksvertretung in Wegfall kommen werden. Ferner
sind vom aktiven Gesandtschaftsrechte, d. h. dem Rechte, Gesandte abzuordnen,
nicht ausgeschlossen: die Fürsten, die zu einem andern im Lehrs- oder Schutz¬
verhältnisse stehen, und die sogenannten Halbsouveränen Staaten. Hierher ge¬
hörten bis vor kurzem Serbien, die Moldau, die Walachei und Tunis, während
sich jetzt nur Bulgarien noch dieses Rechtes erfreut. Ein Souverän, der sich
infolge eines unglücklichen Krieges oder einer gelungenen Revolution nicht mehr
im faktischen Besitze der Staatsgewalt befindet, ist auch nicht befugt, das Ge¬
sandtschaftsrecht auszuüben, und dasselbe gilt von einem solchen, der freiwillig die
Krone niedergelegt hat. Doch find hier Beispiele vom Gegenteile vorgekommen;
man denke an Kaiser Karl den Fünften und Christine von Schweden. Karl
der Zehnte von Frankreich, Ludwig Philipp und Napoleon der Dritte besaßen
jenes Recht, als sie ins Exil gegangen waren, nicht mehr, und die in den letzten
beiden Jahrzehnten depossedirten deutschen und italienischen Potentaten hatten
es gleichermaßen verloren. Der Herzog Friedrich von Augustenburg aber hat
es zwar quasi (in Wien, Frankfurt, Dresden und — Paris) auszuüben ver¬
sucht, es aber niemals wirklich besitzen können.

Die Diplomaten, deren sich die Fürsten und andre Staatsgewalten (Präsi¬
denten und dergleichen) zur Vermittlung des Verkehrs mit andern Mächten be¬
dienen, sind Gesandte mit amtlichen Charakter, bloße Agenten und Kommissäre
ohne solchen und Konsuln, die vorzüglich für Handelssachen zu sorgen haben.

Die Gesandten sind Beamte, die mit einem bestimmten herkömmlichen Titel
und einem Beglaubigungsschreiben an fremde Höfe abgeschickt werden und hier
gewisse Vorrechte genießen, welche ihnen das Völkerrecht einräumt. Sie haben
entweder ein beschränktes Mandat, welches sie nicht ohne besondre Genehmigung des
Auftraggebers überschreiten dürfen, oder unbegrenzte, nur in den Grundzügen durch
Instruktion ihres obersten Chefs von vornherein oder von Fall zu Fall ge¬
regelte Vollmacht (lidsrg, xotsstW ÄAöuäi, pleuixotsutia). Lauge Zeit gab es,
abgesehen von den Abgeordneten des Papstes, zur Betreibung der diplomatische»
Geschäfte im Auslande nur eine Klasse von Gesandten, „nämlich die Botschafter
(Äiul)iWg.ä<zur8, xrooursurs), während die Agenten, welche die Privatangelegen¬
heiten der Fürsten in fremden Ländern besorgten, niemals auf die Rechte von
Diplomaten Anspruch hatten. In minder wichtigen, namentlich Zeremoniell¬
sachen, ordnete man auch Hofkavaliere ab, die als Asutiluorurnös Luvoz^s be¬
zeichnet wurden, aber anfänglich nicht als wirkliche Gesandte galten. Seit
Einführung der ständigen Missionen und insbesondre als die Idee von dem per¬
sönlichen Repräsentationscharakter der Gesandten manche Streitigkeiten, sowie
auch höhern Aufwand verursachte, wurde neben den Botschafter» die Klasse der
Residenten eingeführt, sowie die Fürsten auch anfingen, die mit der Besorgung
ihrer privaten Angelegenheiten betrauten Agenten zu Staatsgeschäften zu ver-


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[0362] Aus der Diplomatenschule. Sache viel kostet, mit der Zeit wohl durch freiwilligen Verzicht vor dem Ver¬ langen einer sparsamen Volksvertretung in Wegfall kommen werden. Ferner sind vom aktiven Gesandtschaftsrechte, d. h. dem Rechte, Gesandte abzuordnen, nicht ausgeschlossen: die Fürsten, die zu einem andern im Lehrs- oder Schutz¬ verhältnisse stehen, und die sogenannten Halbsouveränen Staaten. Hierher ge¬ hörten bis vor kurzem Serbien, die Moldau, die Walachei und Tunis, während sich jetzt nur Bulgarien noch dieses Rechtes erfreut. Ein Souverän, der sich infolge eines unglücklichen Krieges oder einer gelungenen Revolution nicht mehr im faktischen Besitze der Staatsgewalt befindet, ist auch nicht befugt, das Ge¬ sandtschaftsrecht auszuüben, und dasselbe gilt von einem solchen, der freiwillig die Krone niedergelegt hat. Doch find hier Beispiele vom Gegenteile vorgekommen; man denke an Kaiser Karl den Fünften und Christine von Schweden. Karl der Zehnte von Frankreich, Ludwig Philipp und Napoleon der Dritte besaßen jenes Recht, als sie ins Exil gegangen waren, nicht mehr, und die in den letzten beiden Jahrzehnten depossedirten deutschen und italienischen Potentaten hatten es gleichermaßen verloren. Der Herzog Friedrich von Augustenburg aber hat es zwar quasi (in Wien, Frankfurt, Dresden und — Paris) auszuüben ver¬ sucht, es aber niemals wirklich besitzen können. Die Diplomaten, deren sich die Fürsten und andre Staatsgewalten (Präsi¬ denten und dergleichen) zur Vermittlung des Verkehrs mit andern Mächten be¬ dienen, sind Gesandte mit amtlichen Charakter, bloße Agenten und Kommissäre ohne solchen und Konsuln, die vorzüglich für Handelssachen zu sorgen haben. Die Gesandten sind Beamte, die mit einem bestimmten herkömmlichen Titel und einem Beglaubigungsschreiben an fremde Höfe abgeschickt werden und hier gewisse Vorrechte genießen, welche ihnen das Völkerrecht einräumt. Sie haben entweder ein beschränktes Mandat, welches sie nicht ohne besondre Genehmigung des Auftraggebers überschreiten dürfen, oder unbegrenzte, nur in den Grundzügen durch Instruktion ihres obersten Chefs von vornherein oder von Fall zu Fall ge¬ regelte Vollmacht (lidsrg, xotsstW ÄAöuäi, pleuixotsutia). Lauge Zeit gab es, abgesehen von den Abgeordneten des Papstes, zur Betreibung der diplomatische» Geschäfte im Auslande nur eine Klasse von Gesandten, „nämlich die Botschafter (Äiul)iWg.ä<zur8, xrooursurs), während die Agenten, welche die Privatangelegen¬ heiten der Fürsten in fremden Ländern besorgten, niemals auf die Rechte von Diplomaten Anspruch hatten. In minder wichtigen, namentlich Zeremoniell¬ sachen, ordnete man auch Hofkavaliere ab, die als Asutiluorurnös Luvoz^s be¬ zeichnet wurden, aber anfänglich nicht als wirkliche Gesandte galten. Seit Einführung der ständigen Missionen und insbesondre als die Idee von dem per¬ sönlichen Repräsentationscharakter der Gesandten manche Streitigkeiten, sowie auch höhern Aufwand verursachte, wurde neben den Botschafter» die Klasse der Residenten eingeführt, sowie die Fürsten auch anfingen, die mit der Besorgung ihrer privaten Angelegenheiten betrauten Agenten zu Staatsgeschäften zu ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/362>, abgerufen am 29.12.2024.