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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

und des Papstes Höllenfahrt, für die "Spiegelstube" zwei Tafeln mit "Buhl¬
schaften" gemalt. Ein Teppichmacher Heinrich von der Hohenmeule hatte die
prächtigen Teppiche für die einzelnen Gemächer zu liefern und erhielt im Jahre
1545 achtzig Gulden "zu endtlicher und völliger bezcalunge der Tebicht so er
dem Churfürsten zu Sachßen gemacht." Der reiche plastische Schmuck der
Schloßkapelle endlich wurde 1545 durch die Freiberger Erzgießer Wolf und
Oswald Hilger geliefert.

Hier in Torgau pflegte Johann Friedrich besonders gern zu weilen und
namentlich auch seinen Studien obzuliegen. In wissenschaftlichen Studien suchte
er die düstern Wolken zu verscheuchen, die mehr und mehr seinen Horizont
umlagerten. Er vermehrte unausgesetzt die von seinem Oheim gegründete
Wittenberger Bibliothek und ließ schon 1535 Spalatin eine Reise nach Venedig
machen, um hebräische und griechische Werke anzukaufen. Die Bücher, welche
zu seinem Privatgebrauche bestimmt waren, ließ er von Cranach künstlerisch ver¬
zieren. So schmückte im Jahre 1543 Cranach die zwei großen Foliobäude der
von Hans Lufft auf Pergament gedruckten Bibel, deren sich der Kurfürst ge¬
wöhnlich bediente, mit illuminirten Bildern, deren erstes -- für die Wittenberger
Richtung bezeichnend -- den Papst und die Kardinäle mit ihren Buhlerinnen in der
Hölle darstellte. In demselben Jahre entstand ein auf dem Kupferstichkabinet
der Coburger Beste bewahrtes Turnierbuch, dessen 146 prachtvoll ausgemalte
Federzeichnungen die Turniere vorführen, in welchen sich der Fürst seit seinem
achtzehnten Jahre ausgezeichnet hatte. Gleichzeitig lieferte er das jetzt in der könig¬
lichen Bibliothek zu Berlin befindliche Stammbuch, das die Porträts verschiedner
sächsischer Kurfürsten, der Reformatoren Luther, Melanchthon, Jonas, Bugen¬
hagen, Spalatin n. a. enthält.

Aber bald kam die Zeit, wo Johann Friedrich nicht mehr seinen Liebhabereien
nachhängen konnte. Es begann der verhängnisvolle schmalkaldische Krieg. Am
20. Juli 1546, fünf Monate nach Luthers Tode, war die kaiserliche Achts¬
erklärung gegen die Fürsten des schmalkaldischen Bundes erfolgt. Johann Friedrich,
mit Philipp von Hessen aus Donauwörth zurückkehrend, findet die Kurlande
von seinem Vetter, Herzog Moritz, besetzt. Es gelingt ihm zwar, sein Land
wieder zu erobern und sogar einen Teil der albertinischen Lande in Beschlag
zu nehmen. Da naht der Kaiser dem Herzog von Böhmen her zu Hilfe. Johann
Friedrich wird 1547 in der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen, Witten-
berg erobert und Herzog Moritz mit der Kurwürde belehnt.

Auch jetzt noch war Johann Friedrichs erste Sorge den Kunstschätzen seines
Landes gewidmet. Bilder und Denkmäler wurden aus der Wittenberger Schlo߬
kirche zu ihrer Verwahrung in Cranachs Haus und später teils nach Weimar,
teils auf die Wartburg geschafft. Johann Friedrich selbst lebte als Gefangener
im Hoflager des Kaisers, von Cranach getröstet, der im Jahre 1550 zu ihm
nach Augsburg kam und ihn von da auch nach Innsbruck begleitete. Noch


Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

und des Papstes Höllenfahrt, für die „Spiegelstube" zwei Tafeln mit „Buhl¬
schaften" gemalt. Ein Teppichmacher Heinrich von der Hohenmeule hatte die
prächtigen Teppiche für die einzelnen Gemächer zu liefern und erhielt im Jahre
1545 achtzig Gulden „zu endtlicher und völliger bezcalunge der Tebicht so er
dem Churfürsten zu Sachßen gemacht." Der reiche plastische Schmuck der
Schloßkapelle endlich wurde 1545 durch die Freiberger Erzgießer Wolf und
Oswald Hilger geliefert.

Hier in Torgau pflegte Johann Friedrich besonders gern zu weilen und
namentlich auch seinen Studien obzuliegen. In wissenschaftlichen Studien suchte
er die düstern Wolken zu verscheuchen, die mehr und mehr seinen Horizont
umlagerten. Er vermehrte unausgesetzt die von seinem Oheim gegründete
Wittenberger Bibliothek und ließ schon 1535 Spalatin eine Reise nach Venedig
machen, um hebräische und griechische Werke anzukaufen. Die Bücher, welche
zu seinem Privatgebrauche bestimmt waren, ließ er von Cranach künstlerisch ver¬
zieren. So schmückte im Jahre 1543 Cranach die zwei großen Foliobäude der
von Hans Lufft auf Pergament gedruckten Bibel, deren sich der Kurfürst ge¬
wöhnlich bediente, mit illuminirten Bildern, deren erstes — für die Wittenberger
Richtung bezeichnend — den Papst und die Kardinäle mit ihren Buhlerinnen in der
Hölle darstellte. In demselben Jahre entstand ein auf dem Kupferstichkabinet
der Coburger Beste bewahrtes Turnierbuch, dessen 146 prachtvoll ausgemalte
Federzeichnungen die Turniere vorführen, in welchen sich der Fürst seit seinem
achtzehnten Jahre ausgezeichnet hatte. Gleichzeitig lieferte er das jetzt in der könig¬
lichen Bibliothek zu Berlin befindliche Stammbuch, das die Porträts verschiedner
sächsischer Kurfürsten, der Reformatoren Luther, Melanchthon, Jonas, Bugen¬
hagen, Spalatin n. a. enthält.

Aber bald kam die Zeit, wo Johann Friedrich nicht mehr seinen Liebhabereien
nachhängen konnte. Es begann der verhängnisvolle schmalkaldische Krieg. Am
20. Juli 1546, fünf Monate nach Luthers Tode, war die kaiserliche Achts¬
erklärung gegen die Fürsten des schmalkaldischen Bundes erfolgt. Johann Friedrich,
mit Philipp von Hessen aus Donauwörth zurückkehrend, findet die Kurlande
von seinem Vetter, Herzog Moritz, besetzt. Es gelingt ihm zwar, sein Land
wieder zu erobern und sogar einen Teil der albertinischen Lande in Beschlag
zu nehmen. Da naht der Kaiser dem Herzog von Böhmen her zu Hilfe. Johann
Friedrich wird 1547 in der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen, Witten-
berg erobert und Herzog Moritz mit der Kurwürde belehnt.

Auch jetzt noch war Johann Friedrichs erste Sorge den Kunstschätzen seines
Landes gewidmet. Bilder und Denkmäler wurden aus der Wittenberger Schlo߬
kirche zu ihrer Verwahrung in Cranachs Haus und später teils nach Weimar,
teils auf die Wartburg geschafft. Johann Friedrich selbst lebte als Gefangener
im Hoflager des Kaisers, von Cranach getröstet, der im Jahre 1550 zu ihm
nach Augsburg kam und ihn von da auch nach Innsbruck begleitete. Noch


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[0036] Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert. und des Papstes Höllenfahrt, für die „Spiegelstube" zwei Tafeln mit „Buhl¬ schaften" gemalt. Ein Teppichmacher Heinrich von der Hohenmeule hatte die prächtigen Teppiche für die einzelnen Gemächer zu liefern und erhielt im Jahre 1545 achtzig Gulden „zu endtlicher und völliger bezcalunge der Tebicht so er dem Churfürsten zu Sachßen gemacht." Der reiche plastische Schmuck der Schloßkapelle endlich wurde 1545 durch die Freiberger Erzgießer Wolf und Oswald Hilger geliefert. Hier in Torgau pflegte Johann Friedrich besonders gern zu weilen und namentlich auch seinen Studien obzuliegen. In wissenschaftlichen Studien suchte er die düstern Wolken zu verscheuchen, die mehr und mehr seinen Horizont umlagerten. Er vermehrte unausgesetzt die von seinem Oheim gegründete Wittenberger Bibliothek und ließ schon 1535 Spalatin eine Reise nach Venedig machen, um hebräische und griechische Werke anzukaufen. Die Bücher, welche zu seinem Privatgebrauche bestimmt waren, ließ er von Cranach künstlerisch ver¬ zieren. So schmückte im Jahre 1543 Cranach die zwei großen Foliobäude der von Hans Lufft auf Pergament gedruckten Bibel, deren sich der Kurfürst ge¬ wöhnlich bediente, mit illuminirten Bildern, deren erstes — für die Wittenberger Richtung bezeichnend — den Papst und die Kardinäle mit ihren Buhlerinnen in der Hölle darstellte. In demselben Jahre entstand ein auf dem Kupferstichkabinet der Coburger Beste bewahrtes Turnierbuch, dessen 146 prachtvoll ausgemalte Federzeichnungen die Turniere vorführen, in welchen sich der Fürst seit seinem achtzehnten Jahre ausgezeichnet hatte. Gleichzeitig lieferte er das jetzt in der könig¬ lichen Bibliothek zu Berlin befindliche Stammbuch, das die Porträts verschiedner sächsischer Kurfürsten, der Reformatoren Luther, Melanchthon, Jonas, Bugen¬ hagen, Spalatin n. a. enthält. Aber bald kam die Zeit, wo Johann Friedrich nicht mehr seinen Liebhabereien nachhängen konnte. Es begann der verhängnisvolle schmalkaldische Krieg. Am 20. Juli 1546, fünf Monate nach Luthers Tode, war die kaiserliche Achts¬ erklärung gegen die Fürsten des schmalkaldischen Bundes erfolgt. Johann Friedrich, mit Philipp von Hessen aus Donauwörth zurückkehrend, findet die Kurlande von seinem Vetter, Herzog Moritz, besetzt. Es gelingt ihm zwar, sein Land wieder zu erobern und sogar einen Teil der albertinischen Lande in Beschlag zu nehmen. Da naht der Kaiser dem Herzog von Böhmen her zu Hilfe. Johann Friedrich wird 1547 in der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen, Witten- berg erobert und Herzog Moritz mit der Kurwürde belehnt. Auch jetzt noch war Johann Friedrichs erste Sorge den Kunstschätzen seines Landes gewidmet. Bilder und Denkmäler wurden aus der Wittenberger Schlo߬ kirche zu ihrer Verwahrung in Cranachs Haus und später teils nach Weimar, teils auf die Wartburg geschafft. Johann Friedrich selbst lebte als Gefangener im Hoflager des Kaisers, von Cranach getröstet, der im Jahre 1550 zu ihm nach Augsburg kam und ihn von da auch nach Innsbruck begleitete. Noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/36>, abgerufen am 28.12.2024.