Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Englische Sünden in Irland.

Als sich in Irland schwache Anfänge eines Handels mit den Kolonien ent¬
wickelten, erregte das ebenfalls in England Besorgnis und Eifersucht, da Irland
einerseits Amerika näher lag als jenes und andrerseits viele gute Häfen besaß,
und wieder wurde dem Wachsen solcher Anfänge durch das Parlament Halt
geboten. Mit sehr wenigen Ausnahmen durften nach der 1663 erfolgten
Amendirung der Navigationsakte vom Jahre 1660 europäische Waren nur aus
England, in dort gebauten Schiffen und durch Mannschaften, welche zur größeren
Hälfte aus Engländern bestanden, nach den Kolonien gebracht werden, und um¬
gekehrt durfte niemand Kolonialprodukte nach Europa schaffen, ohne sie vorher
in England zu löschen. 1670 wurde diese Ausschließung Irlands bestätigt, und
1696 verschärfte man sie durch die Bestimmung, daß keinerlei Waren aus den
Kolonien direkt nach irischen Märkten verschifft werden sollten.

Nach der Restauration der Stuarts hatte sich die Wollerzeugung und Tuch¬
fabrikation Irlands gehoben, die Wolle war vorzüglich, und mit wahrem Enthu¬
siasmus machte sich die Nation an die Verarbeitung derselben, schottische, selbst
französische Weber stellten sich ein, und Tausende fanden auf diesem Gebiete
Beschäftigung. Aber wieder hatte man die Rechnung ohne den Egoismus der
Beherrscher des Landes gemacht. Auch die Engländer hatten eine wichtige
Wollenindustrie, die damit beschäftigten Fabrikanten petitionirten um Unter¬
drückung der irischen Konkurrenz, und ihrem Verlangen wurde sogleich entsprochen.
Im September 1698 wurde das irische Parlament, das damals dem britischen
Einflüsse ganz und gar dienstbar war, zu dem ausdrücklichen Zwecke nach Dublin
berufen, die Wollenindustrie Irlands zu vernichten. Die Regierung schlug zu
dem Zwecke Belegung der Ausfuhr irischer Wollenzeuge mit schweren Zuschlng-
zöllen vor, und als die gefällige Versammlung dies annahm, war die Arbeit
der ganzen zahlreichen Klasse der Schafzüchter und Tuchweber Irlands, deren
Erzeugnissen bereits der Kolonialmarkt versperrt war, durch Zölle, die wie ein
Verbot wirkten, auch von England ausgeschlossen. Ein 1699 vom englischen
Parlament erlassenes Gesetz vollendete das Werk, indem es den Jrländern ver¬
bot, ihre Wollenwaren nach irgendeinem Lande auszuführen, und damit waren
die betreffenden Industriezweige so gut wie vollständig zu gründe gerichtet, und
wieder verschwand eine der schönsten Aussichten für Irland, zu Wohlstand zu
gelangen, auf mehr als ein Jahrhundert unter dem tyrannischen Eigennutze
John Bulls. Allerdings wurde von dieser Seite zugesagt, man wolle zur Ent¬
schädigung die Leinen- und Hanfproduktion fördern, aber selbst wenn es gerecht
und billig gewesen wäre, eine Nation durch Gesetz auf zwei Arten von Industrie
zu beschränken, fand doch kein richtiges Verhältnis zwischen dem, was zerstört
wurde, und dem, was begünstigt und gefördert werden sollte, statt, und es wurde
durchaus keine wahre Gegenseitigkeit zwischen den beiden Ländern hergestellt.
Spuren einer Leinenindustrie gab es in Irland schon sehr früh, nie aber war
sie von großer Bedeutung. Der Revolutionskrieg zwischen Jakob und Wilhelm


Englische Sünden in Irland.

Als sich in Irland schwache Anfänge eines Handels mit den Kolonien ent¬
wickelten, erregte das ebenfalls in England Besorgnis und Eifersucht, da Irland
einerseits Amerika näher lag als jenes und andrerseits viele gute Häfen besaß,
und wieder wurde dem Wachsen solcher Anfänge durch das Parlament Halt
geboten. Mit sehr wenigen Ausnahmen durften nach der 1663 erfolgten
Amendirung der Navigationsakte vom Jahre 1660 europäische Waren nur aus
England, in dort gebauten Schiffen und durch Mannschaften, welche zur größeren
Hälfte aus Engländern bestanden, nach den Kolonien gebracht werden, und um¬
gekehrt durfte niemand Kolonialprodukte nach Europa schaffen, ohne sie vorher
in England zu löschen. 1670 wurde diese Ausschließung Irlands bestätigt, und
1696 verschärfte man sie durch die Bestimmung, daß keinerlei Waren aus den
Kolonien direkt nach irischen Märkten verschifft werden sollten.

Nach der Restauration der Stuarts hatte sich die Wollerzeugung und Tuch¬
fabrikation Irlands gehoben, die Wolle war vorzüglich, und mit wahrem Enthu¬
siasmus machte sich die Nation an die Verarbeitung derselben, schottische, selbst
französische Weber stellten sich ein, und Tausende fanden auf diesem Gebiete
Beschäftigung. Aber wieder hatte man die Rechnung ohne den Egoismus der
Beherrscher des Landes gemacht. Auch die Engländer hatten eine wichtige
Wollenindustrie, die damit beschäftigten Fabrikanten petitionirten um Unter¬
drückung der irischen Konkurrenz, und ihrem Verlangen wurde sogleich entsprochen.
Im September 1698 wurde das irische Parlament, das damals dem britischen
Einflüsse ganz und gar dienstbar war, zu dem ausdrücklichen Zwecke nach Dublin
berufen, die Wollenindustrie Irlands zu vernichten. Die Regierung schlug zu
dem Zwecke Belegung der Ausfuhr irischer Wollenzeuge mit schweren Zuschlng-
zöllen vor, und als die gefällige Versammlung dies annahm, war die Arbeit
der ganzen zahlreichen Klasse der Schafzüchter und Tuchweber Irlands, deren
Erzeugnissen bereits der Kolonialmarkt versperrt war, durch Zölle, die wie ein
Verbot wirkten, auch von England ausgeschlossen. Ein 1699 vom englischen
Parlament erlassenes Gesetz vollendete das Werk, indem es den Jrländern ver¬
bot, ihre Wollenwaren nach irgendeinem Lande auszuführen, und damit waren
die betreffenden Industriezweige so gut wie vollständig zu gründe gerichtet, und
wieder verschwand eine der schönsten Aussichten für Irland, zu Wohlstand zu
gelangen, auf mehr als ein Jahrhundert unter dem tyrannischen Eigennutze
John Bulls. Allerdings wurde von dieser Seite zugesagt, man wolle zur Ent¬
schädigung die Leinen- und Hanfproduktion fördern, aber selbst wenn es gerecht
und billig gewesen wäre, eine Nation durch Gesetz auf zwei Arten von Industrie
zu beschränken, fand doch kein richtiges Verhältnis zwischen dem, was zerstört
wurde, und dem, was begünstigt und gefördert werden sollte, statt, und es wurde
durchaus keine wahre Gegenseitigkeit zwischen den beiden Ländern hergestellt.
Spuren einer Leinenindustrie gab es in Irland schon sehr früh, nie aber war
sie von großer Bedeutung. Der Revolutionskrieg zwischen Jakob und Wilhelm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157146"/>
          <fw type="header" place="top"> Englische Sünden in Irland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_788"> Als sich in Irland schwache Anfänge eines Handels mit den Kolonien ent¬<lb/>
wickelten, erregte das ebenfalls in England Besorgnis und Eifersucht, da Irland<lb/>
einerseits Amerika näher lag als jenes und andrerseits viele gute Häfen besaß,<lb/>
und wieder wurde dem Wachsen solcher Anfänge durch das Parlament Halt<lb/>
geboten. Mit sehr wenigen Ausnahmen durften nach der 1663 erfolgten<lb/>
Amendirung der Navigationsakte vom Jahre 1660 europäische Waren nur aus<lb/>
England, in dort gebauten Schiffen und durch Mannschaften, welche zur größeren<lb/>
Hälfte aus Engländern bestanden, nach den Kolonien gebracht werden, und um¬<lb/>
gekehrt durfte niemand Kolonialprodukte nach Europa schaffen, ohne sie vorher<lb/>
in England zu löschen. 1670 wurde diese Ausschließung Irlands bestätigt, und<lb/>
1696 verschärfte man sie durch die Bestimmung, daß keinerlei Waren aus den<lb/>
Kolonien direkt nach irischen Märkten verschifft werden sollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_789" next="#ID_790"> Nach der Restauration der Stuarts hatte sich die Wollerzeugung und Tuch¬<lb/>
fabrikation Irlands gehoben, die Wolle war vorzüglich, und mit wahrem Enthu¬<lb/>
siasmus machte sich die Nation an die Verarbeitung derselben, schottische, selbst<lb/>
französische Weber stellten sich ein, und Tausende fanden auf diesem Gebiete<lb/>
Beschäftigung. Aber wieder hatte man die Rechnung ohne den Egoismus der<lb/>
Beherrscher des Landes gemacht. Auch die Engländer hatten eine wichtige<lb/>
Wollenindustrie, die damit beschäftigten Fabrikanten petitionirten um Unter¬<lb/>
drückung der irischen Konkurrenz, und ihrem Verlangen wurde sogleich entsprochen.<lb/>
Im September 1698 wurde das irische Parlament, das damals dem britischen<lb/>
Einflüsse ganz und gar dienstbar war, zu dem ausdrücklichen Zwecke nach Dublin<lb/>
berufen, die Wollenindustrie Irlands zu vernichten. Die Regierung schlug zu<lb/>
dem Zwecke Belegung der Ausfuhr irischer Wollenzeuge mit schweren Zuschlng-<lb/>
zöllen vor, und als die gefällige Versammlung dies annahm, war die Arbeit<lb/>
der ganzen zahlreichen Klasse der Schafzüchter und Tuchweber Irlands, deren<lb/>
Erzeugnissen bereits der Kolonialmarkt versperrt war, durch Zölle, die wie ein<lb/>
Verbot wirkten, auch von England ausgeschlossen. Ein 1699 vom englischen<lb/>
Parlament erlassenes Gesetz vollendete das Werk, indem es den Jrländern ver¬<lb/>
bot, ihre Wollenwaren nach irgendeinem Lande auszuführen, und damit waren<lb/>
die betreffenden Industriezweige so gut wie vollständig zu gründe gerichtet, und<lb/>
wieder verschwand eine der schönsten Aussichten für Irland, zu Wohlstand zu<lb/>
gelangen, auf mehr als ein Jahrhundert unter dem tyrannischen Eigennutze<lb/>
John Bulls. Allerdings wurde von dieser Seite zugesagt, man wolle zur Ent¬<lb/>
schädigung die Leinen- und Hanfproduktion fördern, aber selbst wenn es gerecht<lb/>
und billig gewesen wäre, eine Nation durch Gesetz auf zwei Arten von Industrie<lb/>
zu beschränken, fand doch kein richtiges Verhältnis zwischen dem, was zerstört<lb/>
wurde, und dem, was begünstigt und gefördert werden sollte, statt, und es wurde<lb/>
durchaus keine wahre Gegenseitigkeit zwischen den beiden Ländern hergestellt.<lb/>
Spuren einer Leinenindustrie gab es in Irland schon sehr früh, nie aber war<lb/>
sie von großer Bedeutung. Der Revolutionskrieg zwischen Jakob und Wilhelm</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] Englische Sünden in Irland. Als sich in Irland schwache Anfänge eines Handels mit den Kolonien ent¬ wickelten, erregte das ebenfalls in England Besorgnis und Eifersucht, da Irland einerseits Amerika näher lag als jenes und andrerseits viele gute Häfen besaß, und wieder wurde dem Wachsen solcher Anfänge durch das Parlament Halt geboten. Mit sehr wenigen Ausnahmen durften nach der 1663 erfolgten Amendirung der Navigationsakte vom Jahre 1660 europäische Waren nur aus England, in dort gebauten Schiffen und durch Mannschaften, welche zur größeren Hälfte aus Engländern bestanden, nach den Kolonien gebracht werden, und um¬ gekehrt durfte niemand Kolonialprodukte nach Europa schaffen, ohne sie vorher in England zu löschen. 1670 wurde diese Ausschließung Irlands bestätigt, und 1696 verschärfte man sie durch die Bestimmung, daß keinerlei Waren aus den Kolonien direkt nach irischen Märkten verschifft werden sollten. Nach der Restauration der Stuarts hatte sich die Wollerzeugung und Tuch¬ fabrikation Irlands gehoben, die Wolle war vorzüglich, und mit wahrem Enthu¬ siasmus machte sich die Nation an die Verarbeitung derselben, schottische, selbst französische Weber stellten sich ein, und Tausende fanden auf diesem Gebiete Beschäftigung. Aber wieder hatte man die Rechnung ohne den Egoismus der Beherrscher des Landes gemacht. Auch die Engländer hatten eine wichtige Wollenindustrie, die damit beschäftigten Fabrikanten petitionirten um Unter¬ drückung der irischen Konkurrenz, und ihrem Verlangen wurde sogleich entsprochen. Im September 1698 wurde das irische Parlament, das damals dem britischen Einflüsse ganz und gar dienstbar war, zu dem ausdrücklichen Zwecke nach Dublin berufen, die Wollenindustrie Irlands zu vernichten. Die Regierung schlug zu dem Zwecke Belegung der Ausfuhr irischer Wollenzeuge mit schweren Zuschlng- zöllen vor, und als die gefällige Versammlung dies annahm, war die Arbeit der ganzen zahlreichen Klasse der Schafzüchter und Tuchweber Irlands, deren Erzeugnissen bereits der Kolonialmarkt versperrt war, durch Zölle, die wie ein Verbot wirkten, auch von England ausgeschlossen. Ein 1699 vom englischen Parlament erlassenes Gesetz vollendete das Werk, indem es den Jrländern ver¬ bot, ihre Wollenwaren nach irgendeinem Lande auszuführen, und damit waren die betreffenden Industriezweige so gut wie vollständig zu gründe gerichtet, und wieder verschwand eine der schönsten Aussichten für Irland, zu Wohlstand zu gelangen, auf mehr als ein Jahrhundert unter dem tyrannischen Eigennutze John Bulls. Allerdings wurde von dieser Seite zugesagt, man wolle zur Ent¬ schädigung die Leinen- und Hanfproduktion fördern, aber selbst wenn es gerecht und billig gewesen wäre, eine Nation durch Gesetz auf zwei Arten von Industrie zu beschränken, fand doch kein richtiges Verhältnis zwischen dem, was zerstört wurde, und dem, was begünstigt und gefördert werden sollte, statt, und es wurde durchaus keine wahre Gegenseitigkeit zwischen den beiden Ländern hergestellt. Spuren einer Leinenindustrie gab es in Irland schon sehr früh, nie aber war sie von großer Bedeutung. Der Revolutionskrieg zwischen Jakob und Wilhelm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/221>, abgerufen am 29.12.2024.