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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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August von Jochmus' Schriften.

Preußens und Baierns. Ein andermal, als die sächsische Prinzessin Amalie
Königin von Spanien half Gemahlin Ferdinands VII.) war, bewies er mir
wieder in einer mächtig langen, sonst aber recht gut geschriebenen Abhandlung,
daß Spanien schlecht regiert sei, ein Faktum, das abermals als ausgemacht
gelten konnte. Verbesserung der Lage jenes Königreichs nach innen und außen
war die Aufgabe, die Gagern beleuchtete. Der Zweck war mithin ebenfalls
gut. Mittel zur Erreichung desselben? Die Ernennung Gagerns zum säch¬
sischen Gesandten in Madrid. Er sei freilich Protestant, aber darum auch desto
aufgeklärter, und werde wissen, als Fainilienbotschafter das Kabinet zu regieren.
Frau und Töchter aber seien katholischer Religion. Wiederum ein Vorteil, denn
ihnen werde er das streng katholische Land überweisen."

Recht hübsch ist folgende Anekdote, die Metternich dem General Jochmus
im Juni 1356 zu Wien erzählte. "In den zwanziger Jahren, während des
Griechenaufstandes, berichtete er, hatte ich natürlich oft Gelegenheit, der Pforte
meine Ansichten über die damaligen Ereignisse darzulegen. Eines Tages las
ich dem Hvfrate von HuSzar den Entwurf zu einer Depesche nach Konstantinopel
mit dem Bemerken vor, mir unverhohlen seine Meinung über deren Inhalt mit¬
zuteilen. . . . Eure Durchlaucht, sagte alsbald unser Orientalist, drücken in einem
der Sätze der Depesche fast wörtlich den Sinn einer Stelle des Koran aus,
und Huszar zitirte sogleich die betreffende Sura. Ich gab daher die Weisung,
den arabischen Text des Koran statt des Gedankens, wie er in der Depesche
stand, einzuschalten, und erfuhr gar bald, daß das arabische Zitat einen wohl¬
gefälligen Eindruck auf den Sultan Mahmud gemacht habe. In einigen spätern
Depeschen, die gleichfalls sür dessen Auge bestimmt waren, befolgte ich deshalb
dieselbe Methode. Einige Zeit darauf beschied der Sultan den Jnternuntius
in sein Kabinet und fragte ihn ganz im Vertrauen, ob er genau die Vergangen¬
heit des Fürsten Metternich kenne und ob derselbe nicht etwa früher Muselman
gewesen sei. Nachdem der Jntcrnnntius dem Beherrscher der Gläubigen ans
das bestimmteste erklärt hatte, Fürst Metternich sei ein guter Katholik und als
solcher geboren und getauft, versetzte Mahmud: Da Sie mir das so entschieden
versichern, glaube ich es, dann aber muß ich hinzufügen, daß der Fürst auf
dem Wege ist, ein Muselman zu werden, denn der Geist des Propheten waltet
über ihm."

Bedeutungsvoll ist in mehreren seiner Stellen der Bericht, den Jochmus
dein Erzherzog Johann über einen Besuch abstattet, welchen er dem Fürsten
Metternich am 27. Januar 1858 gemacht hat. Derselbe sagte dabei u. a.:
"Ich stelle die sozialen Wissenschaften höher als die Politik. In diesem Sinne
bin ich ein Sozialist, und zwar ein solcher, der während eines halben Jahr¬
hunderts und mehr Beobachtungen hat anstellen können, und vom Gipfel eines
hohen Berges hinab bis in die Thäler. Mein Präzeptor in den Jugendjnhren
war selbst ein einflußreicher und später thätiger Revolutionär, ein Adept von


August von Jochmus' Schriften.

Preußens und Baierns. Ein andermal, als die sächsische Prinzessin Amalie
Königin von Spanien half Gemahlin Ferdinands VII.) war, bewies er mir
wieder in einer mächtig langen, sonst aber recht gut geschriebenen Abhandlung,
daß Spanien schlecht regiert sei, ein Faktum, das abermals als ausgemacht
gelten konnte. Verbesserung der Lage jenes Königreichs nach innen und außen
war die Aufgabe, die Gagern beleuchtete. Der Zweck war mithin ebenfalls
gut. Mittel zur Erreichung desselben? Die Ernennung Gagerns zum säch¬
sischen Gesandten in Madrid. Er sei freilich Protestant, aber darum auch desto
aufgeklärter, und werde wissen, als Fainilienbotschafter das Kabinet zu regieren.
Frau und Töchter aber seien katholischer Religion. Wiederum ein Vorteil, denn
ihnen werde er das streng katholische Land überweisen."

Recht hübsch ist folgende Anekdote, die Metternich dem General Jochmus
im Juni 1356 zu Wien erzählte. „In den zwanziger Jahren, während des
Griechenaufstandes, berichtete er, hatte ich natürlich oft Gelegenheit, der Pforte
meine Ansichten über die damaligen Ereignisse darzulegen. Eines Tages las
ich dem Hvfrate von HuSzar den Entwurf zu einer Depesche nach Konstantinopel
mit dem Bemerken vor, mir unverhohlen seine Meinung über deren Inhalt mit¬
zuteilen. . . . Eure Durchlaucht, sagte alsbald unser Orientalist, drücken in einem
der Sätze der Depesche fast wörtlich den Sinn einer Stelle des Koran aus,
und Huszar zitirte sogleich die betreffende Sura. Ich gab daher die Weisung,
den arabischen Text des Koran statt des Gedankens, wie er in der Depesche
stand, einzuschalten, und erfuhr gar bald, daß das arabische Zitat einen wohl¬
gefälligen Eindruck auf den Sultan Mahmud gemacht habe. In einigen spätern
Depeschen, die gleichfalls sür dessen Auge bestimmt waren, befolgte ich deshalb
dieselbe Methode. Einige Zeit darauf beschied der Sultan den Jnternuntius
in sein Kabinet und fragte ihn ganz im Vertrauen, ob er genau die Vergangen¬
heit des Fürsten Metternich kenne und ob derselbe nicht etwa früher Muselman
gewesen sei. Nachdem der Jntcrnnntius dem Beherrscher der Gläubigen ans
das bestimmteste erklärt hatte, Fürst Metternich sei ein guter Katholik und als
solcher geboren und getauft, versetzte Mahmud: Da Sie mir das so entschieden
versichern, glaube ich es, dann aber muß ich hinzufügen, daß der Fürst auf
dem Wege ist, ein Muselman zu werden, denn der Geist des Propheten waltet
über ihm."

Bedeutungsvoll ist in mehreren seiner Stellen der Bericht, den Jochmus
dein Erzherzog Johann über einen Besuch abstattet, welchen er dem Fürsten
Metternich am 27. Januar 1858 gemacht hat. Derselbe sagte dabei u. a.:
„Ich stelle die sozialen Wissenschaften höher als die Politik. In diesem Sinne
bin ich ein Sozialist, und zwar ein solcher, der während eines halben Jahr¬
hunderts und mehr Beobachtungen hat anstellen können, und vom Gipfel eines
hohen Berges hinab bis in die Thäler. Mein Präzeptor in den Jugendjnhren
war selbst ein einflußreicher und später thätiger Revolutionär, ein Adept von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/88>, abgerufen am 27.06.2024.