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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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August von Jochmus' Schriften.

Auftreten, ja selbst durch Kampf durchzuführen, ergreift es die Mittel, alles
zu lahmen, zu hindern, zu verdächtigen, was Österreich will; es hat den Weg
der Intrigue eingeschlagen, worinnen es Meister ist. Vergleichen wir die Er¬
klärungen Preußens mit den Verhandlungen in seinen Kammern, vorzüglich
aber mit dem, was seine Abgesandten bei den verschiednen Höfen in Anregung
bringen, dann liegt es klar, was Österreich da zu erwarten hat, und doch muß
Österreich für mögliche Fälle gestörten europäischen Friedens mit Preußen auf
freundlichem Fuße bleiben. Es bleibt da der Weg der materiellen Inter¬
essen offen, dieser wird Österreich die übrigen zuführen, dieser Gegenstand muß
gepflegt, betrieben, erleichtert werden... Die Angelegenheit der Flotte ist von
gleicher Art, Preußen will eine preußische und keine deutsche, nehmen wir die Akten¬
stücke zur Hand während der Zeit, als ich in Frankfurt war, sie liefern die
Beweise davon. Der Bundestag, was könnte dieser sein, was ist er? Man
ißt, man trinkt, tanzt, lebt so wie vor den Märzereignissen, während im Oden-,
Westerwald und Spessart die Not herrscht. Die Regierungen, vorzüglich die
kleinen, was thun sie, welcher Geist weht da, was haben sie durch die ver¬
gangnen Ereignisse gelernt, wo sind die Männer für eine Zukunft, die kommen
wird, weil sie kommen muß?" Weiterhin sagt der Erzherzog in einem Schreiben
vom 30. Januar 1853 näheres über den "Weg der materiellen Interessen,"
auf dem die Parteien sich näherkommen sollen: "Unser Brück unterhandelt
in Berlin rücksichtlich der Zollangelegenheit; die Wahl ist gut, die Lösung der
Aufgabe schwierig, indes, was in dieser Welt geschehen muß, wird geschehen;
meines Erachtens ist das beste, alle jene Hindernisse wegzuräumen, sodaß dann
die Sache sich durch sich selbst macht. Ein großer Schritt ^zu dem zunächst
wirtschaftlich herzustellenden "Austro-Germanien," das dem Erzherzog und seinem
Freunde Jochmus immer als Ideal vorschwebt^ war das Fallen der Zoll¬
schranken zwischen Ungarn und Österreich, ein zweiter dürfte durch die Regelung
der Geldverhältnisse werden, und erhält sich der Friede, so dürfte letzteres sich
bald geben. Endlich die Verbindungen durch die Eisenbahnen Deutschlands mit
dem Adriatischen Meere und der untern Donau."

Man vergleiche mit allen diesen Äußerungen die Poschingersche Sammlung
der Frankfurter Briefe und Depeschen Bismarcks, namentlich die "Denkschrift
betreffend die Jnaugurirung einer selbständigen preußisch-deutschen Politik," die
sich am Schlüsse des dritten Bandes findet, und man wird nicht im Zweifel
sein, wer hier mehr zu klagen berechtigt ist, der österreichische Erzherzog oder
der preußische Bundestagsgesandte, und wer als Vertreter der Interessen Deutsch¬
lands angesehen werden muß. Und dasselbe ist in bezug auf die spätem Aus¬
lassungen des Erzherzogs zu empfehlen, von denen wir noch einige im Aus¬
zuge folgen lassen.

Während des Krimkrieges schreibt der ehemalige Reichsverweser unterm
16. November 1854 aus Vorderuberg an Jochmus, der sich eben auf seiner


August von Jochmus' Schriften.

Auftreten, ja selbst durch Kampf durchzuführen, ergreift es die Mittel, alles
zu lahmen, zu hindern, zu verdächtigen, was Österreich will; es hat den Weg
der Intrigue eingeschlagen, worinnen es Meister ist. Vergleichen wir die Er¬
klärungen Preußens mit den Verhandlungen in seinen Kammern, vorzüglich
aber mit dem, was seine Abgesandten bei den verschiednen Höfen in Anregung
bringen, dann liegt es klar, was Österreich da zu erwarten hat, und doch muß
Österreich für mögliche Fälle gestörten europäischen Friedens mit Preußen auf
freundlichem Fuße bleiben. Es bleibt da der Weg der materiellen Inter¬
essen offen, dieser wird Österreich die übrigen zuführen, dieser Gegenstand muß
gepflegt, betrieben, erleichtert werden... Die Angelegenheit der Flotte ist von
gleicher Art, Preußen will eine preußische und keine deutsche, nehmen wir die Akten¬
stücke zur Hand während der Zeit, als ich in Frankfurt war, sie liefern die
Beweise davon. Der Bundestag, was könnte dieser sein, was ist er? Man
ißt, man trinkt, tanzt, lebt so wie vor den Märzereignissen, während im Oden-,
Westerwald und Spessart die Not herrscht. Die Regierungen, vorzüglich die
kleinen, was thun sie, welcher Geist weht da, was haben sie durch die ver¬
gangnen Ereignisse gelernt, wo sind die Männer für eine Zukunft, die kommen
wird, weil sie kommen muß?" Weiterhin sagt der Erzherzog in einem Schreiben
vom 30. Januar 1853 näheres über den „Weg der materiellen Interessen,"
auf dem die Parteien sich näherkommen sollen: „Unser Brück unterhandelt
in Berlin rücksichtlich der Zollangelegenheit; die Wahl ist gut, die Lösung der
Aufgabe schwierig, indes, was in dieser Welt geschehen muß, wird geschehen;
meines Erachtens ist das beste, alle jene Hindernisse wegzuräumen, sodaß dann
die Sache sich durch sich selbst macht. Ein großer Schritt ^zu dem zunächst
wirtschaftlich herzustellenden »Austro-Germanien,« das dem Erzherzog und seinem
Freunde Jochmus immer als Ideal vorschwebt^ war das Fallen der Zoll¬
schranken zwischen Ungarn und Österreich, ein zweiter dürfte durch die Regelung
der Geldverhältnisse werden, und erhält sich der Friede, so dürfte letzteres sich
bald geben. Endlich die Verbindungen durch die Eisenbahnen Deutschlands mit
dem Adriatischen Meere und der untern Donau."

Man vergleiche mit allen diesen Äußerungen die Poschingersche Sammlung
der Frankfurter Briefe und Depeschen Bismarcks, namentlich die „Denkschrift
betreffend die Jnaugurirung einer selbständigen preußisch-deutschen Politik," die
sich am Schlüsse des dritten Bandes findet, und man wird nicht im Zweifel
sein, wer hier mehr zu klagen berechtigt ist, der österreichische Erzherzog oder
der preußische Bundestagsgesandte, und wer als Vertreter der Interessen Deutsch¬
lands angesehen werden muß. Und dasselbe ist in bezug auf die spätem Aus¬
lassungen des Erzherzogs zu empfehlen, von denen wir noch einige im Aus¬
zuge folgen lassen.

Während des Krimkrieges schreibt der ehemalige Reichsverweser unterm
16. November 1854 aus Vorderuberg an Jochmus, der sich eben auf seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/84>, abgerufen am 27.06.2024.