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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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August von Jochmus' Schriften.

auch Jochmns wiederholt gegen Landsleute und Fremde ausspricht, so gebührt
dieser Gesinnung auch jetzt noch Lob und Anerkennung, wo dieser Preis ohne
Habsburg, dem er noch 1866 von Bismarck als gemeinsam zu erstrebender
vor die Augen gehalten wurde, errungen worden ist.

Im Nachstehenden lassen wir einige Auszüge aus den Briefen des Reichs¬
verwesers an Jochums folgen, die geeignet sind, über die Stellung, die derselbe
in deu Jahren nach 1849 zur deutschen Frage und zu den Problemen und
Ereignissen dieser Zeit überhaupt einnahm, mehr als bisher aufzuklären. Am
16. März 1850 schreibt der Erzherzog aus Genz: "Ich kann unmöglich auf
die Linie des Mains als Scheidungslinie des Einflusses zweier deutschen
Komplexe als etwas heilsames für Deutschland Hinblicken., . Ich würde so
eine Gestaltung als eine" Ausweg betrachten, wenn garnichts besseres durch¬
zuführen möglich wäre; als etwas dauerndes auf keinen Fall... Wenn die
Gothaer Partei aufrichtig ein einiges großes Deutschland will, so muß diese,
welche Preußen als Mittel, um zu diesem Zwecke zu gelangen, benutzen wollte,
nach allem dem, was Preußen in letzter Zeit gethan hat, eines andern Sinnes
geworden sein; denn ... es kann ihr nicht erwünscht sein, daß Preußen sich
vergrößern und sich alles unterordnen, die Kräfte, die Militärmacht u. dergl.
der Kleinern von sich abhängig, folglich diese zu seinen Vasallen und mehr noch
als dieses machen will. Diese Partei kann dies nicht dulden und wird zu der
radikalen Partei, um sich zu stärken, hingetrieben... In Süddeutschland wird
Würtemberg genug zu entwirren haben; ich wünsche, der König wird da
konsequent und fest vorgehen und fremder Hilfe nicht bedürfen, sollte dies aber
der Fall sein, jene nehmen, welche für ihn keine solchen Konsequenzen nach sich
zieht, wie jene in Baden." In einem Briefe des Erzherzogs aus Graz vom
29. Januar 1852 begegnen wir folgender Stelle: "Preußens Politik ist die
gleiche, hungrige, welche bei dem zerrissenen Zustande seines Reiches um jeden
Preis erwerben will, um mächtig und zusammenhängend zu werden. Stets
Hindernisse und Hemmungen Österreich bereitend, welch Geist wohnt in ihren
Blättern und in der Kreuzzeitung! Auch die Zolleiuigung wollen sie nicht;
aber ich hoffe, Österreich wird sich wenig daran kehren und seinen Weg fort¬
gehen. Wir haben vieles erlebt, aber das ärgere, ernstere steht uns noch bevor."
Ein paar Wochen später, am 15. März, äußert er gegen Jochmus: "Preußens
Politik ist uns bekannt, wir haben dieselbe in Frankfurt kennen gelernt. Preußen,
bei seinem zerrissenen Territorialkomplex, will deshalb ausfüllen, es will als
erste Macht erscheinen, will Deutschland als das geeignetste Mittel, um beides
zu erreichen, verschlingen, zuerst die Fürsten sich verbindend, um sie nach und
nach zu mediatisiren und ihre Länder in sein Besitztum übergehen zu machen.
Dahin wirkt es unverrückt fort; das Haupthindernis ist Österreich, daher alle
Handlungen in Opposition mit den vorgeschlagenen Maßregeln dieses Staates;
da es sich aber weder die Kraft zutraut, noch den Mut hat, es durch festes


August von Jochmus' Schriften.

auch Jochmns wiederholt gegen Landsleute und Fremde ausspricht, so gebührt
dieser Gesinnung auch jetzt noch Lob und Anerkennung, wo dieser Preis ohne
Habsburg, dem er noch 1866 von Bismarck als gemeinsam zu erstrebender
vor die Augen gehalten wurde, errungen worden ist.

Im Nachstehenden lassen wir einige Auszüge aus den Briefen des Reichs¬
verwesers an Jochums folgen, die geeignet sind, über die Stellung, die derselbe
in deu Jahren nach 1849 zur deutschen Frage und zu den Problemen und
Ereignissen dieser Zeit überhaupt einnahm, mehr als bisher aufzuklären. Am
16. März 1850 schreibt der Erzherzog aus Genz: „Ich kann unmöglich auf
die Linie des Mains als Scheidungslinie des Einflusses zweier deutschen
Komplexe als etwas heilsames für Deutschland Hinblicken., . Ich würde so
eine Gestaltung als eine» Ausweg betrachten, wenn garnichts besseres durch¬
zuführen möglich wäre; als etwas dauerndes auf keinen Fall... Wenn die
Gothaer Partei aufrichtig ein einiges großes Deutschland will, so muß diese,
welche Preußen als Mittel, um zu diesem Zwecke zu gelangen, benutzen wollte,
nach allem dem, was Preußen in letzter Zeit gethan hat, eines andern Sinnes
geworden sein; denn ... es kann ihr nicht erwünscht sein, daß Preußen sich
vergrößern und sich alles unterordnen, die Kräfte, die Militärmacht u. dergl.
der Kleinern von sich abhängig, folglich diese zu seinen Vasallen und mehr noch
als dieses machen will. Diese Partei kann dies nicht dulden und wird zu der
radikalen Partei, um sich zu stärken, hingetrieben... In Süddeutschland wird
Würtemberg genug zu entwirren haben; ich wünsche, der König wird da
konsequent und fest vorgehen und fremder Hilfe nicht bedürfen, sollte dies aber
der Fall sein, jene nehmen, welche für ihn keine solchen Konsequenzen nach sich
zieht, wie jene in Baden." In einem Briefe des Erzherzogs aus Graz vom
29. Januar 1852 begegnen wir folgender Stelle: „Preußens Politik ist die
gleiche, hungrige, welche bei dem zerrissenen Zustande seines Reiches um jeden
Preis erwerben will, um mächtig und zusammenhängend zu werden. Stets
Hindernisse und Hemmungen Österreich bereitend, welch Geist wohnt in ihren
Blättern und in der Kreuzzeitung! Auch die Zolleiuigung wollen sie nicht;
aber ich hoffe, Österreich wird sich wenig daran kehren und seinen Weg fort¬
gehen. Wir haben vieles erlebt, aber das ärgere, ernstere steht uns noch bevor."
Ein paar Wochen später, am 15. März, äußert er gegen Jochmus: „Preußens
Politik ist uns bekannt, wir haben dieselbe in Frankfurt kennen gelernt. Preußen,
bei seinem zerrissenen Territorialkomplex, will deshalb ausfüllen, es will als
erste Macht erscheinen, will Deutschland als das geeignetste Mittel, um beides
zu erreichen, verschlingen, zuerst die Fürsten sich verbindend, um sie nach und
nach zu mediatisiren und ihre Länder in sein Besitztum übergehen zu machen.
Dahin wirkt es unverrückt fort; das Haupthindernis ist Österreich, daher alle
Handlungen in Opposition mit den vorgeschlagenen Maßregeln dieses Staates;
da es sich aber weder die Kraft zutraut, noch den Mut hat, es durch festes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/83>, abgerufen am 27.06.2024.