Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.August von Iochmus' Schriften. ersten Reise um die Welt befindet, über den Stand der orientalischen Angelegen¬ August von Iochmus' Schriften. ersten Reise um die Welt befindet, über den Stand der orientalischen Angelegen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156356"/> <fw type="header" place="top"> August von Iochmus' Schriften.</fw><lb/> <p xml:id="ID_271" prev="#ID_270" next="#ID_272"> ersten Reise um die Welt befindet, über den Stand der orientalischen Angelegen¬<lb/> heiten: „Man wollte die dringende Frage über das künftige Schicksal der Türkei<lb/> nicht in ernstliche und unbefangene Beratung nehmen; dies wurde in den Hinter¬<lb/> grund geschoben und dem Impulse der Leidenschaften, gekränkter Eitelkeit und<lb/> dem Streben nach der Alleinherrschaft der Meere gefolgt, daraus alle die Folgen,<lb/> welche bis zu dieser Stunde daraus sich entwickelt haben, ein blutiger, noch un¬<lb/> entschiedener Kampf, welcher ganz Europa früher oder später in Brand zu stecken<lb/> droht. . . Wir sprechen öfters über die Zukunft der Türkei, ich hatte nach meiner<lb/> Rückkunft aus dem Orient meine Ansichten sehr kurz eingereicht. Meine Ansicht<lb/> ging dahin, Griechenlands Besitztum herauszurücken und ans den bulgarisch-<lb/> romanischen Ländern einen oder mehrere Schutzstaaten zu bilden mit der freien<lb/> Benutzung der Douauschifsfahrt, als eine Scheidewand zwischen den griechischen<lb/> und russischen Staaten. Das osmanische Reich bleibend in Asien, und da leine<lb/> Hauptstadt an der Grenze sein soll, ans Konstantinopel eine freie Handelsstadt<lb/> mit sehr beschränktem Gebiet an beiden Ufern des Meeres zu bilden. Ich wies<lb/> Frankreich Tunis und Tripolis (wenn nicht letzteres die italienischen Staaten<lb/> erhalten sollen), Ägypten England an, da es diesem Staate zu seiner Verbin¬<lb/> dung mit Indien unentbehrlich ist. Sollte Österreich etwas erwerben, was<lb/> wahrlich mehr als eine Last wäre, so war es Türkisch-Kroatien, Herzegowina,<lb/> Ober-Albanien, um Dalmatien eine Koexistenz zu geben, und die Küste bis jen¬<lb/> seits Durazzo zu besetzen. Die Drina hätte die beste Grenze gegeben... Das<lb/> schmerzlichste ist, daß allem dem hätte können gesteuert werden, wenn Preußen<lb/> und Deutschland, mit Österreich eines Sinnes, gleiche Sprache geführt hätten.<lb/> Es wäre meines Erachtens dem Kaiser Rußlands ein Dienst dadurch geleistet<lb/> worden, und wir hätten Frieden. Allein man hat Österreich allein stehen lassen,<lb/> Österreich, welches nichts neues erwerben ^wirklich nichts und nur seine Sicher¬<lb/> heit und Unabhängigkeit behaupten will. Der alte Neid, der Verdruß, daß<lb/> Österreich sich stark zeigt und aus den frühern Stürmen glorreich hervorge¬<lb/> gangen, spricht sich bis zur Unverschämtheit aus der preußischen Presse aus;<lb/> ihrer alten Politik getreu alles lähmend, die deutschen Regierungen zu irgend<lb/> einem Entschlüsse hindernd, stehen sie auf der Lauer, um dann sich an den an¬<lb/> zuschließen, welcher die Oberhand gewinnt, und etwas zu fischen, was ihren<lb/> zerrissenen Länderlomplex zusammenkitten kann, und dies ist mit kurzen Worten<lb/> gesagt Deutschland." Auf ähnliche Klagen stoßen wir in dem Briefe vom<lb/> 4. April 1855, wo es unter anderm heißt: „Die Rolle, welche bisher Preußen<lb/> ^während des Krimkrieges) gespielt hat, ist meines Trachtens die bedauerlichste,<lb/> ich will garnicht von seiner schmählichen, tückisch boshaften Presse sprechen, es ist<lb/> unter aller Kritik, und das immerwährende Aufregen, Verdächtigen, Verleumder<lb/> ^welches die von Wien bezahlten Blätter weit schwunghafter und energischer<lb/> betrieben als die Journale des Nordens^ empört jedes edle Gemüt, ebenso die<lb/> Schwäche, solches zu dulden. Dies letztere könnte man sonderbar auslegen. Ich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
August von Iochmus' Schriften.
ersten Reise um die Welt befindet, über den Stand der orientalischen Angelegen¬
heiten: „Man wollte die dringende Frage über das künftige Schicksal der Türkei
nicht in ernstliche und unbefangene Beratung nehmen; dies wurde in den Hinter¬
grund geschoben und dem Impulse der Leidenschaften, gekränkter Eitelkeit und
dem Streben nach der Alleinherrschaft der Meere gefolgt, daraus alle die Folgen,
welche bis zu dieser Stunde daraus sich entwickelt haben, ein blutiger, noch un¬
entschiedener Kampf, welcher ganz Europa früher oder später in Brand zu stecken
droht. . . Wir sprechen öfters über die Zukunft der Türkei, ich hatte nach meiner
Rückkunft aus dem Orient meine Ansichten sehr kurz eingereicht. Meine Ansicht
ging dahin, Griechenlands Besitztum herauszurücken und ans den bulgarisch-
romanischen Ländern einen oder mehrere Schutzstaaten zu bilden mit der freien
Benutzung der Douauschifsfahrt, als eine Scheidewand zwischen den griechischen
und russischen Staaten. Das osmanische Reich bleibend in Asien, und da leine
Hauptstadt an der Grenze sein soll, ans Konstantinopel eine freie Handelsstadt
mit sehr beschränktem Gebiet an beiden Ufern des Meeres zu bilden. Ich wies
Frankreich Tunis und Tripolis (wenn nicht letzteres die italienischen Staaten
erhalten sollen), Ägypten England an, da es diesem Staate zu seiner Verbin¬
dung mit Indien unentbehrlich ist. Sollte Österreich etwas erwerben, was
wahrlich mehr als eine Last wäre, so war es Türkisch-Kroatien, Herzegowina,
Ober-Albanien, um Dalmatien eine Koexistenz zu geben, und die Küste bis jen¬
seits Durazzo zu besetzen. Die Drina hätte die beste Grenze gegeben... Das
schmerzlichste ist, daß allem dem hätte können gesteuert werden, wenn Preußen
und Deutschland, mit Österreich eines Sinnes, gleiche Sprache geführt hätten.
Es wäre meines Erachtens dem Kaiser Rußlands ein Dienst dadurch geleistet
worden, und wir hätten Frieden. Allein man hat Österreich allein stehen lassen,
Österreich, welches nichts neues erwerben ^wirklich nichts und nur seine Sicher¬
heit und Unabhängigkeit behaupten will. Der alte Neid, der Verdruß, daß
Österreich sich stark zeigt und aus den frühern Stürmen glorreich hervorge¬
gangen, spricht sich bis zur Unverschämtheit aus der preußischen Presse aus;
ihrer alten Politik getreu alles lähmend, die deutschen Regierungen zu irgend
einem Entschlüsse hindernd, stehen sie auf der Lauer, um dann sich an den an¬
zuschließen, welcher die Oberhand gewinnt, und etwas zu fischen, was ihren
zerrissenen Länderlomplex zusammenkitten kann, und dies ist mit kurzen Worten
gesagt Deutschland." Auf ähnliche Klagen stoßen wir in dem Briefe vom
4. April 1855, wo es unter anderm heißt: „Die Rolle, welche bisher Preußen
^während des Krimkrieges) gespielt hat, ist meines Trachtens die bedauerlichste,
ich will garnicht von seiner schmählichen, tückisch boshaften Presse sprechen, es ist
unter aller Kritik, und das immerwährende Aufregen, Verdächtigen, Verleumder
^welches die von Wien bezahlten Blätter weit schwunghafter und energischer
betrieben als die Journale des Nordens^ empört jedes edle Gemüt, ebenso die
Schwäche, solches zu dulden. Dies letztere könnte man sonderbar auslegen. Ich
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