Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates.

dieser relativen Geringfügigkeit ihres Gewinnes liegt kein Vorwurf, sondern das
höchste Lob. Es giebt sich darin kund, daß die Anstalt verwaltet wird nicht
vom Standpunkte finanzieller Spekulation, sondern aus dem Gesichtspunkte der
Förderung allgemeiner Wohlfahrt. Und so soll es auch sein bei einer Anstalt
dieser Art. Der gegenwärtige Leiter des PostWesens hat es überdies ver¬
standen, mit dem Bewußtsein, daß die Anstalt nur dem Dienste des Publikums
gewidmet sei, sein Beamtenpersonal in einer Weise zu durchdringen, daß man
nur wünschen kann, es möchten von einem ähnlichen Bewußtsein auch andre
staatliche Dienstzwcige (z. B. die Justiz) in gleichem Maße durchdrungen sein.

Wir wenden uns nun zu denjenigen staatlichen Betrieben, welche erst der
neueren Zeit ihre Entstehung verdanken. Für diese sind ganz verschiedne
Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Zunächst der Gesichtspunkt des unmittel¬
baren und dringenden eignen Bedarfs des Staates. Dahin gehört vor allem die
Erzeugung von Kriegsmaterial jeder Art. Soweit für dessen Beschaffung
der Staat nicht durch die Privatindustrie sich genügend gesichert weiß, wird ihm
niemand verargen, wenn er selbst die Erzeugung in die Hand nimmt. Be¬
kanntlich arbeiten zahlreiche staatliche Werkstätten sür diesen Zweck.

Auf dem nämlichen Gesichtspunkte beruht die Herstellung der Reichs-
druckerei. Bereits im Jahre 1851 hatte Preußen für seinen staatlichen Bedarf
an Drucksachen, namentlich für die Herstellung von Wertzeichen, eine Staats¬
druckerei errichtet. Als nun im Jahre 1877 das Reich sich veranlaßt fand,
für seine lokalen Bedürfnisse das sehr wertvolle Deckersche Grundstück zu Berlin
in der Wilhelmstraße zu erwerben, bei diesem Erwerb aber die auf dem
Grundstücke betriebene Druckerei mit in den Kauf nehmen mußte, tauchte der
Gedanke auf, auch für das Reich eine selbständige Druckerei herzurichten. Zu
dem Ende übertrug Preußen seine Staatsdruckerei auf das Reich, und aus dieser
in Verbindung mit der Deckerschen ging die Reichsdruckerei hervor. Bei der
Vorlage an den Reichstag wurde als Bestimmung derselben angegeben, zunächst
für die unmittelbaren Zwecke des Reiches und der Bundesstaaten zu dienen, aber
auch Drucksachen für städtische Behörden, Korporationen :c., sowie solche Arbeiten
zu übernehmen, deren technische Herstellung in Deutschland nur mit den der
Reichsdruckerei eigentümlichen Mitteln erreichbar sei. Ausnahmsweise soll sie
auch Privatwerke von wissenschaftlichem oder Kunstinteresse herstellen, insofern
sie durch ihre Betriebseinrichtungen zu deren Herstellung besonders sich eignet und
finanzielle Opfer dadurch nicht herbeigeführt werden. (Neichstagsverh. Art. 185.)
Zur Begründung dieses Bedürfnisses wurde insbesondre noch hervorgehoben die
Sicherheit bei der Schaffung von Wertzeichen, die Notwendigkeit der Geheim¬
haltung mancher Drucksachen (z. B. Mobilmachungspläne) und die Unabhängigkeit
in Ausübung wichtiger Staatsfunktionen (z. B. der Verkündung von Gesetzen)
von den Zufälligkeiten des Privatbetriebes. Obwohl wiederholt und von ver-
schiednen Seiten auf das Bedenkliche eines staatlichen Industriebetriebes hin-


Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates.

dieser relativen Geringfügigkeit ihres Gewinnes liegt kein Vorwurf, sondern das
höchste Lob. Es giebt sich darin kund, daß die Anstalt verwaltet wird nicht
vom Standpunkte finanzieller Spekulation, sondern aus dem Gesichtspunkte der
Förderung allgemeiner Wohlfahrt. Und so soll es auch sein bei einer Anstalt
dieser Art. Der gegenwärtige Leiter des PostWesens hat es überdies ver¬
standen, mit dem Bewußtsein, daß die Anstalt nur dem Dienste des Publikums
gewidmet sei, sein Beamtenpersonal in einer Weise zu durchdringen, daß man
nur wünschen kann, es möchten von einem ähnlichen Bewußtsein auch andre
staatliche Dienstzwcige (z. B. die Justiz) in gleichem Maße durchdrungen sein.

Wir wenden uns nun zu denjenigen staatlichen Betrieben, welche erst der
neueren Zeit ihre Entstehung verdanken. Für diese sind ganz verschiedne
Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Zunächst der Gesichtspunkt des unmittel¬
baren und dringenden eignen Bedarfs des Staates. Dahin gehört vor allem die
Erzeugung von Kriegsmaterial jeder Art. Soweit für dessen Beschaffung
der Staat nicht durch die Privatindustrie sich genügend gesichert weiß, wird ihm
niemand verargen, wenn er selbst die Erzeugung in die Hand nimmt. Be¬
kanntlich arbeiten zahlreiche staatliche Werkstätten sür diesen Zweck.

Auf dem nämlichen Gesichtspunkte beruht die Herstellung der Reichs-
druckerei. Bereits im Jahre 1851 hatte Preußen für seinen staatlichen Bedarf
an Drucksachen, namentlich für die Herstellung von Wertzeichen, eine Staats¬
druckerei errichtet. Als nun im Jahre 1877 das Reich sich veranlaßt fand,
für seine lokalen Bedürfnisse das sehr wertvolle Deckersche Grundstück zu Berlin
in der Wilhelmstraße zu erwerben, bei diesem Erwerb aber die auf dem
Grundstücke betriebene Druckerei mit in den Kauf nehmen mußte, tauchte der
Gedanke auf, auch für das Reich eine selbständige Druckerei herzurichten. Zu
dem Ende übertrug Preußen seine Staatsdruckerei auf das Reich, und aus dieser
in Verbindung mit der Deckerschen ging die Reichsdruckerei hervor. Bei der
Vorlage an den Reichstag wurde als Bestimmung derselben angegeben, zunächst
für die unmittelbaren Zwecke des Reiches und der Bundesstaaten zu dienen, aber
auch Drucksachen für städtische Behörden, Korporationen :c., sowie solche Arbeiten
zu übernehmen, deren technische Herstellung in Deutschland nur mit den der
Reichsdruckerei eigentümlichen Mitteln erreichbar sei. Ausnahmsweise soll sie
auch Privatwerke von wissenschaftlichem oder Kunstinteresse herstellen, insofern
sie durch ihre Betriebseinrichtungen zu deren Herstellung besonders sich eignet und
finanzielle Opfer dadurch nicht herbeigeführt werden. (Neichstagsverh. Art. 185.)
Zur Begründung dieses Bedürfnisses wurde insbesondre noch hervorgehoben die
Sicherheit bei der Schaffung von Wertzeichen, die Notwendigkeit der Geheim¬
haltung mancher Drucksachen (z. B. Mobilmachungspläne) und die Unabhängigkeit
in Ausübung wichtiger Staatsfunktionen (z. B. der Verkündung von Gesetzen)
von den Zufälligkeiten des Privatbetriebes. Obwohl wiederholt und von ver-
schiednen Seiten auf das Bedenkliche eines staatlichen Industriebetriebes hin-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156346"/>
          <fw type="header" place="top"> Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_242" prev="#ID_241"> dieser relativen Geringfügigkeit ihres Gewinnes liegt kein Vorwurf, sondern das<lb/>
höchste Lob. Es giebt sich darin kund, daß die Anstalt verwaltet wird nicht<lb/>
vom Standpunkte finanzieller Spekulation, sondern aus dem Gesichtspunkte der<lb/>
Förderung allgemeiner Wohlfahrt. Und so soll es auch sein bei einer Anstalt<lb/>
dieser Art. Der gegenwärtige Leiter des PostWesens hat es überdies ver¬<lb/>
standen, mit dem Bewußtsein, daß die Anstalt nur dem Dienste des Publikums<lb/>
gewidmet sei, sein Beamtenpersonal in einer Weise zu durchdringen, daß man<lb/>
nur wünschen kann, es möchten von einem ähnlichen Bewußtsein auch andre<lb/>
staatliche Dienstzwcige (z. B. die Justiz) in gleichem Maße durchdrungen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_243"> Wir wenden uns nun zu denjenigen staatlichen Betrieben, welche erst der<lb/>
neueren Zeit ihre Entstehung verdanken. Für diese sind ganz verschiedne<lb/>
Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Zunächst der Gesichtspunkt des unmittel¬<lb/>
baren und dringenden eignen Bedarfs des Staates. Dahin gehört vor allem die<lb/>
Erzeugung von Kriegsmaterial jeder Art. Soweit für dessen Beschaffung<lb/>
der Staat nicht durch die Privatindustrie sich genügend gesichert weiß, wird ihm<lb/>
niemand verargen, wenn er selbst die Erzeugung in die Hand nimmt. Be¬<lb/>
kanntlich arbeiten zahlreiche staatliche Werkstätten sür diesen Zweck.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_244" next="#ID_245"> Auf dem nämlichen Gesichtspunkte beruht die Herstellung der Reichs-<lb/>
druckerei. Bereits im Jahre 1851 hatte Preußen für seinen staatlichen Bedarf<lb/>
an Drucksachen, namentlich für die Herstellung von Wertzeichen, eine Staats¬<lb/>
druckerei errichtet.  Als nun im Jahre 1877 das Reich sich veranlaßt fand,<lb/>
für seine lokalen Bedürfnisse das sehr wertvolle Deckersche Grundstück zu Berlin<lb/>
in der Wilhelmstraße zu erwerben, bei diesem Erwerb aber die auf dem<lb/>
Grundstücke betriebene Druckerei mit in den Kauf nehmen mußte, tauchte der<lb/>
Gedanke auf, auch für das Reich eine selbständige Druckerei herzurichten. Zu<lb/>
dem Ende übertrug Preußen seine Staatsdruckerei auf das Reich, und aus dieser<lb/>
in Verbindung mit der Deckerschen ging die Reichsdruckerei hervor.  Bei der<lb/>
Vorlage an den Reichstag wurde als Bestimmung derselben angegeben, zunächst<lb/>
für die unmittelbaren Zwecke des Reiches und der Bundesstaaten zu dienen, aber<lb/>
auch Drucksachen für städtische Behörden, Korporationen :c., sowie solche Arbeiten<lb/>
zu übernehmen, deren technische Herstellung in Deutschland nur mit den der<lb/>
Reichsdruckerei eigentümlichen Mitteln erreichbar sei.  Ausnahmsweise soll sie<lb/>
auch Privatwerke von wissenschaftlichem oder Kunstinteresse herstellen, insofern<lb/>
sie durch ihre Betriebseinrichtungen zu deren Herstellung besonders sich eignet und<lb/>
finanzielle Opfer dadurch nicht herbeigeführt werden. (Neichstagsverh. Art. 185.)<lb/>
Zur Begründung dieses Bedürfnisses wurde insbesondre noch hervorgehoben die<lb/>
Sicherheit bei der Schaffung von Wertzeichen, die Notwendigkeit der Geheim¬<lb/>
haltung mancher Drucksachen (z. B. Mobilmachungspläne) und die Unabhängigkeit<lb/>
in Ausübung wichtiger Staatsfunktionen (z. B. der Verkündung von Gesetzen)<lb/>
von den Zufälligkeiten des Privatbetriebes. Obwohl wiederholt und von ver-<lb/>
schiednen Seiten auf das Bedenkliche eines staatlichen Industriebetriebes hin-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0075] Der ZVirtschaftsbetrieb des Staates. dieser relativen Geringfügigkeit ihres Gewinnes liegt kein Vorwurf, sondern das höchste Lob. Es giebt sich darin kund, daß die Anstalt verwaltet wird nicht vom Standpunkte finanzieller Spekulation, sondern aus dem Gesichtspunkte der Förderung allgemeiner Wohlfahrt. Und so soll es auch sein bei einer Anstalt dieser Art. Der gegenwärtige Leiter des PostWesens hat es überdies ver¬ standen, mit dem Bewußtsein, daß die Anstalt nur dem Dienste des Publikums gewidmet sei, sein Beamtenpersonal in einer Weise zu durchdringen, daß man nur wünschen kann, es möchten von einem ähnlichen Bewußtsein auch andre staatliche Dienstzwcige (z. B. die Justiz) in gleichem Maße durchdrungen sein. Wir wenden uns nun zu denjenigen staatlichen Betrieben, welche erst der neueren Zeit ihre Entstehung verdanken. Für diese sind ganz verschiedne Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Zunächst der Gesichtspunkt des unmittel¬ baren und dringenden eignen Bedarfs des Staates. Dahin gehört vor allem die Erzeugung von Kriegsmaterial jeder Art. Soweit für dessen Beschaffung der Staat nicht durch die Privatindustrie sich genügend gesichert weiß, wird ihm niemand verargen, wenn er selbst die Erzeugung in die Hand nimmt. Be¬ kanntlich arbeiten zahlreiche staatliche Werkstätten sür diesen Zweck. Auf dem nämlichen Gesichtspunkte beruht die Herstellung der Reichs- druckerei. Bereits im Jahre 1851 hatte Preußen für seinen staatlichen Bedarf an Drucksachen, namentlich für die Herstellung von Wertzeichen, eine Staats¬ druckerei errichtet. Als nun im Jahre 1877 das Reich sich veranlaßt fand, für seine lokalen Bedürfnisse das sehr wertvolle Deckersche Grundstück zu Berlin in der Wilhelmstraße zu erwerben, bei diesem Erwerb aber die auf dem Grundstücke betriebene Druckerei mit in den Kauf nehmen mußte, tauchte der Gedanke auf, auch für das Reich eine selbständige Druckerei herzurichten. Zu dem Ende übertrug Preußen seine Staatsdruckerei auf das Reich, und aus dieser in Verbindung mit der Deckerschen ging die Reichsdruckerei hervor. Bei der Vorlage an den Reichstag wurde als Bestimmung derselben angegeben, zunächst für die unmittelbaren Zwecke des Reiches und der Bundesstaaten zu dienen, aber auch Drucksachen für städtische Behörden, Korporationen :c., sowie solche Arbeiten zu übernehmen, deren technische Herstellung in Deutschland nur mit den der Reichsdruckerei eigentümlichen Mitteln erreichbar sei. Ausnahmsweise soll sie auch Privatwerke von wissenschaftlichem oder Kunstinteresse herstellen, insofern sie durch ihre Betriebseinrichtungen zu deren Herstellung besonders sich eignet und finanzielle Opfer dadurch nicht herbeigeführt werden. (Neichstagsverh. Art. 185.) Zur Begründung dieses Bedürfnisses wurde insbesondre noch hervorgehoben die Sicherheit bei der Schaffung von Wertzeichen, die Notwendigkeit der Geheim¬ haltung mancher Drucksachen (z. B. Mobilmachungspläne) und die Unabhängigkeit in Ausübung wichtiger Staatsfunktionen (z. B. der Verkündung von Gesetzen) von den Zufälligkeiten des Privatbetriebes. Obwohl wiederholt und von ver- schiednen Seiten auf das Bedenkliche eines staatlichen Industriebetriebes hin-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/75
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/75>, abgerufen am 27.06.2024.