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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

das Reich in zweiter Linie auch an dem Gewinne teilnimmt. Wäre dieses In¬
teresse also geeignet, Verdacht zu erregen, so würde ein solcher Verdacht auch
jetzt der Bankverwaltung nicht erspart bleiben. Man hätte dann das Reich auf
jeden Gewinn verzichten lassen müssen.

Das Reich hat sich das Recht vorbehalten, nach einjähriger Kündigung
vom Jahre 1891 an die Bank selbst zu übernehmen. Möchte man im Jahre
1889 die Frage unbefangen prüfen, ob in der That das Reich den Beruf habe,
auch fernerhin zum Nutzen von Privaten ein Geschäft zu betreiben, von welchem
anzuerkennen ist, daß es in erster Linie nicht für Gelderwerb, sondern für die
öffentliche Wohlfahrt zu arbeiten hat!

Seit länger als zweihundert Jahren bildet in Preußen die Post eine im
Staatsbetriebe befindliche Anstalt. Während in viele" andern deutschen Ländern
das Haus Thurm und Taxis kraft kaiserlichen Privilegs das Postregal besaß,
hatte der große Kurfürst für die von ihm in seinen Landen errichtete Post die
Ansprüche dieses Hauses abzuwehren gewußt. Auch in dem Umfange ihres
Betriebes war die Post in Deutschland schon seit langer Zeit der in andern
Ländern voraus. Hat doch in England und in Italien die Beförderung von
Packeten durch die Post erst in deu letzten Jahren begonnen. Bis dahin lag
dieser Betrieb dort gänzlich in Privatbauten. Schwerlich wird man darin
einen Vorzug erblicken.

Als aus den Ereignissen des Jahres 1866 das neue Deutschland hervor¬
ging, war es eine der ersten Bemühungen Preußens, das Haus Thurn und Taxis
abzufinden und die Post als Institution zunächst des norddeutschen Bundes,
daun des Reiches -- jedoch vorbehaltlich der Neservatrechte Baierns und
Würtembergs -- neuzugestalten. Die deutsche Post, mit welcher auch die Tele-
graphie verbunden worden ist, kann unbedenklich als das Muster eines
Staatsbetriebes gelten. Vor ihr verstummen selbst die eifrigsten prinzipiellen
Gegner eines solchen. Die Sozialdemokraten haben öfters auf sie hingewiesen,
um zu zeigen, wie man sich den von ihnen geforderten Wirtschaftsbetrieb durch
den Staat -- freilich auf ganz andern Feldern -- organisirt denken soll. Wer
die nur durch die finanziellen Interessen des Inhabers geleitete Thurn und
Taxissche Verwaltung, wie sie vor zwanzig Jahren noch in mehreren deutschen
Ländern bestand, gekannt hat, ist in der Lage, vergleichend den unendlichen
Vorzug der staatlichen Verwaltung vor jener zu erkennen. Das Monopol,
welches die Post besitzt, beschränkt sich auf verschlossene Briefe und politische
Zeitungen. Auch als im Jahre 1867 dieses Monopol neu bestätigt werden
sollte, fanden sich keine Gegner. Thatsächlich besitzt die Post auch ein Monopol
für kleinere Sendungen jeglicher Art, da niemand mit ihr an Schnelligkeit,
Sicherheit und Wohlfeilheit des Betriebes konkurriren kann. Die Post liefert
alljährlich einen Überschuß ihrer Einnahmen an das Reich ab, der im Ver¬
hältnis zu der kolossalen Ausdehnung ihres Betriebes nicht allzugroß ist. In


Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

das Reich in zweiter Linie auch an dem Gewinne teilnimmt. Wäre dieses In¬
teresse also geeignet, Verdacht zu erregen, so würde ein solcher Verdacht auch
jetzt der Bankverwaltung nicht erspart bleiben. Man hätte dann das Reich auf
jeden Gewinn verzichten lassen müssen.

Das Reich hat sich das Recht vorbehalten, nach einjähriger Kündigung
vom Jahre 1891 an die Bank selbst zu übernehmen. Möchte man im Jahre
1889 die Frage unbefangen prüfen, ob in der That das Reich den Beruf habe,
auch fernerhin zum Nutzen von Privaten ein Geschäft zu betreiben, von welchem
anzuerkennen ist, daß es in erster Linie nicht für Gelderwerb, sondern für die
öffentliche Wohlfahrt zu arbeiten hat!

Seit länger als zweihundert Jahren bildet in Preußen die Post eine im
Staatsbetriebe befindliche Anstalt. Während in viele» andern deutschen Ländern
das Haus Thurm und Taxis kraft kaiserlichen Privilegs das Postregal besaß,
hatte der große Kurfürst für die von ihm in seinen Landen errichtete Post die
Ansprüche dieses Hauses abzuwehren gewußt. Auch in dem Umfange ihres
Betriebes war die Post in Deutschland schon seit langer Zeit der in andern
Ländern voraus. Hat doch in England und in Italien die Beförderung von
Packeten durch die Post erst in deu letzten Jahren begonnen. Bis dahin lag
dieser Betrieb dort gänzlich in Privatbauten. Schwerlich wird man darin
einen Vorzug erblicken.

Als aus den Ereignissen des Jahres 1866 das neue Deutschland hervor¬
ging, war es eine der ersten Bemühungen Preußens, das Haus Thurn und Taxis
abzufinden und die Post als Institution zunächst des norddeutschen Bundes,
daun des Reiches — jedoch vorbehaltlich der Neservatrechte Baierns und
Würtembergs — neuzugestalten. Die deutsche Post, mit welcher auch die Tele-
graphie verbunden worden ist, kann unbedenklich als das Muster eines
Staatsbetriebes gelten. Vor ihr verstummen selbst die eifrigsten prinzipiellen
Gegner eines solchen. Die Sozialdemokraten haben öfters auf sie hingewiesen,
um zu zeigen, wie man sich den von ihnen geforderten Wirtschaftsbetrieb durch
den Staat — freilich auf ganz andern Feldern — organisirt denken soll. Wer
die nur durch die finanziellen Interessen des Inhabers geleitete Thurn und
Taxissche Verwaltung, wie sie vor zwanzig Jahren noch in mehreren deutschen
Ländern bestand, gekannt hat, ist in der Lage, vergleichend den unendlichen
Vorzug der staatlichen Verwaltung vor jener zu erkennen. Das Monopol,
welches die Post besitzt, beschränkt sich auf verschlossene Briefe und politische
Zeitungen. Auch als im Jahre 1867 dieses Monopol neu bestätigt werden
sollte, fanden sich keine Gegner. Thatsächlich besitzt die Post auch ein Monopol
für kleinere Sendungen jeglicher Art, da niemand mit ihr an Schnelligkeit,
Sicherheit und Wohlfeilheit des Betriebes konkurriren kann. Die Post liefert
alljährlich einen Überschuß ihrer Einnahmen an das Reich ab, der im Ver¬
hältnis zu der kolossalen Ausdehnung ihres Betriebes nicht allzugroß ist. In


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[0074] Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. das Reich in zweiter Linie auch an dem Gewinne teilnimmt. Wäre dieses In¬ teresse also geeignet, Verdacht zu erregen, so würde ein solcher Verdacht auch jetzt der Bankverwaltung nicht erspart bleiben. Man hätte dann das Reich auf jeden Gewinn verzichten lassen müssen. Das Reich hat sich das Recht vorbehalten, nach einjähriger Kündigung vom Jahre 1891 an die Bank selbst zu übernehmen. Möchte man im Jahre 1889 die Frage unbefangen prüfen, ob in der That das Reich den Beruf habe, auch fernerhin zum Nutzen von Privaten ein Geschäft zu betreiben, von welchem anzuerkennen ist, daß es in erster Linie nicht für Gelderwerb, sondern für die öffentliche Wohlfahrt zu arbeiten hat! Seit länger als zweihundert Jahren bildet in Preußen die Post eine im Staatsbetriebe befindliche Anstalt. Während in viele» andern deutschen Ländern das Haus Thurm und Taxis kraft kaiserlichen Privilegs das Postregal besaß, hatte der große Kurfürst für die von ihm in seinen Landen errichtete Post die Ansprüche dieses Hauses abzuwehren gewußt. Auch in dem Umfange ihres Betriebes war die Post in Deutschland schon seit langer Zeit der in andern Ländern voraus. Hat doch in England und in Italien die Beförderung von Packeten durch die Post erst in deu letzten Jahren begonnen. Bis dahin lag dieser Betrieb dort gänzlich in Privatbauten. Schwerlich wird man darin einen Vorzug erblicken. Als aus den Ereignissen des Jahres 1866 das neue Deutschland hervor¬ ging, war es eine der ersten Bemühungen Preußens, das Haus Thurn und Taxis abzufinden und die Post als Institution zunächst des norddeutschen Bundes, daun des Reiches — jedoch vorbehaltlich der Neservatrechte Baierns und Würtembergs — neuzugestalten. Die deutsche Post, mit welcher auch die Tele- graphie verbunden worden ist, kann unbedenklich als das Muster eines Staatsbetriebes gelten. Vor ihr verstummen selbst die eifrigsten prinzipiellen Gegner eines solchen. Die Sozialdemokraten haben öfters auf sie hingewiesen, um zu zeigen, wie man sich den von ihnen geforderten Wirtschaftsbetrieb durch den Staat — freilich auf ganz andern Feldern — organisirt denken soll. Wer die nur durch die finanziellen Interessen des Inhabers geleitete Thurn und Taxissche Verwaltung, wie sie vor zwanzig Jahren noch in mehreren deutschen Ländern bestand, gekannt hat, ist in der Lage, vergleichend den unendlichen Vorzug der staatlichen Verwaltung vor jener zu erkennen. Das Monopol, welches die Post besitzt, beschränkt sich auf verschlossene Briefe und politische Zeitungen. Auch als im Jahre 1867 dieses Monopol neu bestätigt werden sollte, fanden sich keine Gegner. Thatsächlich besitzt die Post auch ein Monopol für kleinere Sendungen jeglicher Art, da niemand mit ihr an Schnelligkeit, Sicherheit und Wohlfeilheit des Betriebes konkurriren kann. Die Post liefert alljährlich einen Überschuß ihrer Einnahmen an das Reich ab, der im Ver¬ hältnis zu der kolossalen Ausdehnung ihres Betriebes nicht allzugroß ist. In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/74>, abgerufen am 27.06.2024.