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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

gewiesen wurde, fand doch die Schaffung der Anstalt die entschiedene Mehrheit
im Reichstage. Auch die gelegentliche Übernahme von Arbeiten für Privat¬
personen wurde im Interesse einer fortgesetzten gleichmäßigen Thätigkeit, Übung
und Vervollkommnung der Anstalt für notwendig gehalten. (Reichstagsverh. von
1877, Seen. Ber. S. 949 fig., 1014 fig.; desgl. von 1879, Art. 152, 162, 18S,
272 und Seen. Ber. S. 1078 fig., 1426 fig.) Übrigens besitzen auch die meisten
übrigen Großstaaten ähnliche, zum Teil noch in größerm Umfange arbeitende
Anstalten. Über eine die Privatindustrie schädigende Konkurrenz der Reichs¬
druckerei sind, soviel bekannt, Klagen nicht laut geworden.

Bedürfnisse ähnlicher Art können auch für kleinere Gemeinwesen obwalten
und den Selbstbetrieb eines industriellen Unternehmens rechtfertigen. Niemand
wird es z. B. einer Stadt zum Vorwurf machen, wenn sie für ihr Beleuchtungs-
wcsen selbst eine Gasanstalt betreibt, die dann zugleich für das Bedürfnis der
ihr angehörigen Privaten arbeitet.

Auf wesentlich andern Gesichtspunkten beruhen diejenigen "Verstaatlichungen,"
welche man in jüngster Zeit vorgenommen oder vorzunehmen versucht hat.
Gerade diese Vorgänge sind es gewesen, welche die Frage nach dem Beruf
des Staates zum Wirtschastsbetriebe überhaupt wieder lebhaft angeregt
haben.

Wir betrachten zunächst die Eisenbahnen. Preußen nahm ursprünglich
Austand, von Staatswegen Eisenbahnen zu bauen. Und wenn auch später der
Staat mehrfach an dem Bau und Betriebe von Eisenbahnen sich beteiligte, so
war doch das ganze Bahnsystem von Privatbahnen reichlich durchsetzt; ein
Gewirr von Betrieben ohne Einheit und Zusammenhang. Diesem planlosen
wirtschaftlichen Treiben ein Ende zu machen war der Gedanke, welcher in erster
Linie der "Verstaatlichung" der Eisenbahnen zugrunde lag. Es ist das Verdienst
Lasters gewesen, diesen Gedanken zuerst öffentlich vertreten zu haben. Die
nächste Analogie dafür lag ohne Zweifel in dem Staatsbetriebe der Post.
Nachdem der Plan, die Hauptlinien von ganz Deutschland in den Besitz des
Reiches zu bringen, an dem Widerstande der übrigen deutschen Staaten gescheitert
war, ist Preußen mit dem Ankauf der in seinem Machtgebiet liegenden größern
Bahnlinien Schritt vor Schritt vorgegangen. Und bald wird die "Verstaat¬
lichung" des Eisenbahnsystems in Preußen eine vollendete Thatsache sein. Das
Lob der Erfolge dieser Maßregel bildete den Ausgangspunkt der obengedachten
Reden Wagners. Und unzweifelhaft hat derselbe darin recht, daß schon die
Einheit der Leitung die größten wirtschaftlichen Vorteile zu erzielen vermag.
Aber auch abgesehen hiervon ist der Staat als solcher in der Lage, ganz anders
verwalten zu können als die Privatgesellschaften. Letztere sind auf die finanzielle
Ausbeutung des Unternehmens hingewiesen. Daß die "Konkurrenz" sie nötigt,
auch die Interessen des Publikums zu berücksichtigen, ist nur relativ richtig.
In einem gewissen Umfange besitzt jede Bahnlinie ein Monopol, welchen: sich


Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.

gewiesen wurde, fand doch die Schaffung der Anstalt die entschiedene Mehrheit
im Reichstage. Auch die gelegentliche Übernahme von Arbeiten für Privat¬
personen wurde im Interesse einer fortgesetzten gleichmäßigen Thätigkeit, Übung
und Vervollkommnung der Anstalt für notwendig gehalten. (Reichstagsverh. von
1877, Seen. Ber. S. 949 fig., 1014 fig.; desgl. von 1879, Art. 152, 162, 18S,
272 und Seen. Ber. S. 1078 fig., 1426 fig.) Übrigens besitzen auch die meisten
übrigen Großstaaten ähnliche, zum Teil noch in größerm Umfange arbeitende
Anstalten. Über eine die Privatindustrie schädigende Konkurrenz der Reichs¬
druckerei sind, soviel bekannt, Klagen nicht laut geworden.

Bedürfnisse ähnlicher Art können auch für kleinere Gemeinwesen obwalten
und den Selbstbetrieb eines industriellen Unternehmens rechtfertigen. Niemand
wird es z. B. einer Stadt zum Vorwurf machen, wenn sie für ihr Beleuchtungs-
wcsen selbst eine Gasanstalt betreibt, die dann zugleich für das Bedürfnis der
ihr angehörigen Privaten arbeitet.

Auf wesentlich andern Gesichtspunkten beruhen diejenigen „Verstaatlichungen,"
welche man in jüngster Zeit vorgenommen oder vorzunehmen versucht hat.
Gerade diese Vorgänge sind es gewesen, welche die Frage nach dem Beruf
des Staates zum Wirtschastsbetriebe überhaupt wieder lebhaft angeregt
haben.

Wir betrachten zunächst die Eisenbahnen. Preußen nahm ursprünglich
Austand, von Staatswegen Eisenbahnen zu bauen. Und wenn auch später der
Staat mehrfach an dem Bau und Betriebe von Eisenbahnen sich beteiligte, so
war doch das ganze Bahnsystem von Privatbahnen reichlich durchsetzt; ein
Gewirr von Betrieben ohne Einheit und Zusammenhang. Diesem planlosen
wirtschaftlichen Treiben ein Ende zu machen war der Gedanke, welcher in erster
Linie der „Verstaatlichung" der Eisenbahnen zugrunde lag. Es ist das Verdienst
Lasters gewesen, diesen Gedanken zuerst öffentlich vertreten zu haben. Die
nächste Analogie dafür lag ohne Zweifel in dem Staatsbetriebe der Post.
Nachdem der Plan, die Hauptlinien von ganz Deutschland in den Besitz des
Reiches zu bringen, an dem Widerstande der übrigen deutschen Staaten gescheitert
war, ist Preußen mit dem Ankauf der in seinem Machtgebiet liegenden größern
Bahnlinien Schritt vor Schritt vorgegangen. Und bald wird die „Verstaat¬
lichung" des Eisenbahnsystems in Preußen eine vollendete Thatsache sein. Das
Lob der Erfolge dieser Maßregel bildete den Ausgangspunkt der obengedachten
Reden Wagners. Und unzweifelhaft hat derselbe darin recht, daß schon die
Einheit der Leitung die größten wirtschaftlichen Vorteile zu erzielen vermag.
Aber auch abgesehen hiervon ist der Staat als solcher in der Lage, ganz anders
verwalten zu können als die Privatgesellschaften. Letztere sind auf die finanzielle
Ausbeutung des Unternehmens hingewiesen. Daß die „Konkurrenz" sie nötigt,
auch die Interessen des Publikums zu berücksichtigen, ist nur relativ richtig.
In einem gewissen Umfange besitzt jede Bahnlinie ein Monopol, welchen: sich


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[0076] Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. gewiesen wurde, fand doch die Schaffung der Anstalt die entschiedene Mehrheit im Reichstage. Auch die gelegentliche Übernahme von Arbeiten für Privat¬ personen wurde im Interesse einer fortgesetzten gleichmäßigen Thätigkeit, Übung und Vervollkommnung der Anstalt für notwendig gehalten. (Reichstagsverh. von 1877, Seen. Ber. S. 949 fig., 1014 fig.; desgl. von 1879, Art. 152, 162, 18S, 272 und Seen. Ber. S. 1078 fig., 1426 fig.) Übrigens besitzen auch die meisten übrigen Großstaaten ähnliche, zum Teil noch in größerm Umfange arbeitende Anstalten. Über eine die Privatindustrie schädigende Konkurrenz der Reichs¬ druckerei sind, soviel bekannt, Klagen nicht laut geworden. Bedürfnisse ähnlicher Art können auch für kleinere Gemeinwesen obwalten und den Selbstbetrieb eines industriellen Unternehmens rechtfertigen. Niemand wird es z. B. einer Stadt zum Vorwurf machen, wenn sie für ihr Beleuchtungs- wcsen selbst eine Gasanstalt betreibt, die dann zugleich für das Bedürfnis der ihr angehörigen Privaten arbeitet. Auf wesentlich andern Gesichtspunkten beruhen diejenigen „Verstaatlichungen," welche man in jüngster Zeit vorgenommen oder vorzunehmen versucht hat. Gerade diese Vorgänge sind es gewesen, welche die Frage nach dem Beruf des Staates zum Wirtschastsbetriebe überhaupt wieder lebhaft angeregt haben. Wir betrachten zunächst die Eisenbahnen. Preußen nahm ursprünglich Austand, von Staatswegen Eisenbahnen zu bauen. Und wenn auch später der Staat mehrfach an dem Bau und Betriebe von Eisenbahnen sich beteiligte, so war doch das ganze Bahnsystem von Privatbahnen reichlich durchsetzt; ein Gewirr von Betrieben ohne Einheit und Zusammenhang. Diesem planlosen wirtschaftlichen Treiben ein Ende zu machen war der Gedanke, welcher in erster Linie der „Verstaatlichung" der Eisenbahnen zugrunde lag. Es ist das Verdienst Lasters gewesen, diesen Gedanken zuerst öffentlich vertreten zu haben. Die nächste Analogie dafür lag ohne Zweifel in dem Staatsbetriebe der Post. Nachdem der Plan, die Hauptlinien von ganz Deutschland in den Besitz des Reiches zu bringen, an dem Widerstande der übrigen deutschen Staaten gescheitert war, ist Preußen mit dem Ankauf der in seinem Machtgebiet liegenden größern Bahnlinien Schritt vor Schritt vorgegangen. Und bald wird die „Verstaat¬ lichung" des Eisenbahnsystems in Preußen eine vollendete Thatsache sein. Das Lob der Erfolge dieser Maßregel bildete den Ausgangspunkt der obengedachten Reden Wagners. Und unzweifelhaft hat derselbe darin recht, daß schon die Einheit der Leitung die größten wirtschaftlichen Vorteile zu erzielen vermag. Aber auch abgesehen hiervon ist der Staat als solcher in der Lage, ganz anders verwalten zu können als die Privatgesellschaften. Letztere sind auf die finanzielle Ausbeutung des Unternehmens hingewiesen. Daß die „Konkurrenz" sie nötigt, auch die Interessen des Publikums zu berücksichtigen, ist nur relativ richtig. In einem gewissen Umfange besitzt jede Bahnlinie ein Monopol, welchen: sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/76>, abgerufen am 27.06.2024.