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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Engel auf Lrden.

Ich werde nur eins nicht vergessen, antwortete er. Durch das, was zwischen
uns beiden vorgefallen ist, hat mir die Vorsehung eine Lektion erteilen wollen.
Ich werde mich stets daran erinnern, daß ich es Ihnen allein zu verdanken
habe, wenn ich den größten Fehltritt meiner Jugend wieder gut gemacht habe.

Er warf einen zärtlichen Blick auf Gegia, die über und über rot wurde,
aber ich glaube vor Freude, obgleich in ihren Augen zwei Thränen zitterten.

Der Händedruck, welchen wir beim Abschied wechselten, war wie zwischen
zwei Freunden.

Lebe wohl, mein lieber Josef. Wir sprechen recht oft von dir, meine
Schwester, mein Schwager und ich. Adelens Söhne erinnern sich noch immer
deiner und wünschen den alten Freund herbei. Ich denke an dich, wie an einen
Bruder.

Ein andrer Brief Paul Amardis an Josef:

. . . ., den 1. September 1863.

Ich bin glücklich! Was kann ich dir mehr sagen? Und wenn ich die
schönsten Worte der Welt zu Hilfe nähme, ich könnte dir nichts andres sagen
als dieses. Ich bin glücklich! bin glücklich!

Ich möchte es der ganzen Welt sagen, möchte es am Tage der Sonne
zurufen, welche mir jetzt viel strahlender, den Bäumen, deren Schatten mir viel
lauschiger erscheint, den Blumen, die mir lieblich zulächeln. Des Nachts kommt
mich die Versuchung an, in den Garten hinabzusteigen und unter dem milden
Glanz der Sterne mit lauter Stimme auszurufen, daß ich der glücklichste Mensch
auf Gottes weiter Erde bin.

Dir meine Glückseligkeit zu schildern, mag ich garnicht versuchen. Mich
dünkt, jedermann muß schon an den Worten allein erkennen: Rina ist mein!

Wahrlich, ich schwöre es dir, ich hätte es nie geglaubt, daß man auf
Erden eine solche Glückseligkeit genießen könnte, selbst in meinen schönsten
Träumen habe ich es mir nicht vorgestellt. O, wie ich sie liebe! Und wie
sie mich liebt!

Bis zum Verrücktwerden liebe ich sie, und doch bin ich nie in meinem
Leben so vernünftig gewesen!

Adele ist bei uns, auch ihr Gatte, ihre Buben und unser Guido, der mich
seinen Vater nennt. Mir fehlt weiter niemand als du! Wirst du kommen?

Ein letztes Blatt von Josef:

Genua, den 10. September 1863.

Ich erfahre, daß man in nächster Zeit eine große Expedition in das Innere
von Australien unternimmt. Die Gelegenheit ist günstig, ich schiffe mich ein,
um mitzugehen. Wenn ich leben bleibe, kehre ich in einigen Jahren nach Europa
zurück, nicht früher, denn ich habe mir vorgenommen, den ganzen australischen
Kontinent gründlich zu untersuchen. Wenn du mir alsdann schreibst: Du
kannst kommen, Nina wird dir die Hand reichen -- dann komme ich. Wer
weiß, ob ich nicht dein Haus zur Jnvalidenstätte wähle. Lebe wohl!




Die Engel auf Lrden.

Ich werde nur eins nicht vergessen, antwortete er. Durch das, was zwischen
uns beiden vorgefallen ist, hat mir die Vorsehung eine Lektion erteilen wollen.
Ich werde mich stets daran erinnern, daß ich es Ihnen allein zu verdanken
habe, wenn ich den größten Fehltritt meiner Jugend wieder gut gemacht habe.

Er warf einen zärtlichen Blick auf Gegia, die über und über rot wurde,
aber ich glaube vor Freude, obgleich in ihren Augen zwei Thränen zitterten.

Der Händedruck, welchen wir beim Abschied wechselten, war wie zwischen
zwei Freunden.

Lebe wohl, mein lieber Josef. Wir sprechen recht oft von dir, meine
Schwester, mein Schwager und ich. Adelens Söhne erinnern sich noch immer
deiner und wünschen den alten Freund herbei. Ich denke an dich, wie an einen
Bruder.

Ein andrer Brief Paul Amardis an Josef:

. . . ., den 1. September 1863.

Ich bin glücklich! Was kann ich dir mehr sagen? Und wenn ich die
schönsten Worte der Welt zu Hilfe nähme, ich könnte dir nichts andres sagen
als dieses. Ich bin glücklich! bin glücklich!

Ich möchte es der ganzen Welt sagen, möchte es am Tage der Sonne
zurufen, welche mir jetzt viel strahlender, den Bäumen, deren Schatten mir viel
lauschiger erscheint, den Blumen, die mir lieblich zulächeln. Des Nachts kommt
mich die Versuchung an, in den Garten hinabzusteigen und unter dem milden
Glanz der Sterne mit lauter Stimme auszurufen, daß ich der glücklichste Mensch
auf Gottes weiter Erde bin.

Dir meine Glückseligkeit zu schildern, mag ich garnicht versuchen. Mich
dünkt, jedermann muß schon an den Worten allein erkennen: Rina ist mein!

Wahrlich, ich schwöre es dir, ich hätte es nie geglaubt, daß man auf
Erden eine solche Glückseligkeit genießen könnte, selbst in meinen schönsten
Träumen habe ich es mir nicht vorgestellt. O, wie ich sie liebe! Und wie
sie mich liebt!

Bis zum Verrücktwerden liebe ich sie, und doch bin ich nie in meinem
Leben so vernünftig gewesen!

Adele ist bei uns, auch ihr Gatte, ihre Buben und unser Guido, der mich
seinen Vater nennt. Mir fehlt weiter niemand als du! Wirst du kommen?

Ein letztes Blatt von Josef:

Genua, den 10. September 1863.

Ich erfahre, daß man in nächster Zeit eine große Expedition in das Innere
von Australien unternimmt. Die Gelegenheit ist günstig, ich schiffe mich ein,
um mitzugehen. Wenn ich leben bleibe, kehre ich in einigen Jahren nach Europa
zurück, nicht früher, denn ich habe mir vorgenommen, den ganzen australischen
Kontinent gründlich zu untersuchen. Wenn du mir alsdann schreibst: Du
kannst kommen, Nina wird dir die Hand reichen — dann komme ich. Wer
weiß, ob ich nicht dein Haus zur Jnvalidenstätte wähle. Lebe wohl!




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[0645] Die Engel auf Lrden. Ich werde nur eins nicht vergessen, antwortete er. Durch das, was zwischen uns beiden vorgefallen ist, hat mir die Vorsehung eine Lektion erteilen wollen. Ich werde mich stets daran erinnern, daß ich es Ihnen allein zu verdanken habe, wenn ich den größten Fehltritt meiner Jugend wieder gut gemacht habe. Er warf einen zärtlichen Blick auf Gegia, die über und über rot wurde, aber ich glaube vor Freude, obgleich in ihren Augen zwei Thränen zitterten. Der Händedruck, welchen wir beim Abschied wechselten, war wie zwischen zwei Freunden. Lebe wohl, mein lieber Josef. Wir sprechen recht oft von dir, meine Schwester, mein Schwager und ich. Adelens Söhne erinnern sich noch immer deiner und wünschen den alten Freund herbei. Ich denke an dich, wie an einen Bruder. Ein andrer Brief Paul Amardis an Josef: . . . ., den 1. September 1863. Ich bin glücklich! Was kann ich dir mehr sagen? Und wenn ich die schönsten Worte der Welt zu Hilfe nähme, ich könnte dir nichts andres sagen als dieses. Ich bin glücklich! bin glücklich! Ich möchte es der ganzen Welt sagen, möchte es am Tage der Sonne zurufen, welche mir jetzt viel strahlender, den Bäumen, deren Schatten mir viel lauschiger erscheint, den Blumen, die mir lieblich zulächeln. Des Nachts kommt mich die Versuchung an, in den Garten hinabzusteigen und unter dem milden Glanz der Sterne mit lauter Stimme auszurufen, daß ich der glücklichste Mensch auf Gottes weiter Erde bin. Dir meine Glückseligkeit zu schildern, mag ich garnicht versuchen. Mich dünkt, jedermann muß schon an den Worten allein erkennen: Rina ist mein! Wahrlich, ich schwöre es dir, ich hätte es nie geglaubt, daß man auf Erden eine solche Glückseligkeit genießen könnte, selbst in meinen schönsten Träumen habe ich es mir nicht vorgestellt. O, wie ich sie liebe! Und wie sie mich liebt! Bis zum Verrücktwerden liebe ich sie, und doch bin ich nie in meinem Leben so vernünftig gewesen! Adele ist bei uns, auch ihr Gatte, ihre Buben und unser Guido, der mich seinen Vater nennt. Mir fehlt weiter niemand als du! Wirst du kommen? Ein letztes Blatt von Josef: Genua, den 10. September 1863. Ich erfahre, daß man in nächster Zeit eine große Expedition in das Innere von Australien unternimmt. Die Gelegenheit ist günstig, ich schiffe mich ein, um mitzugehen. Wenn ich leben bleibe, kehre ich in einigen Jahren nach Europa zurück, nicht früher, denn ich habe mir vorgenommen, den ganzen australischen Kontinent gründlich zu untersuchen. Wenn du mir alsdann schreibst: Du kannst kommen, Nina wird dir die Hand reichen — dann komme ich. Wer weiß, ob ich nicht dein Haus zur Jnvalidenstätte wähle. Lebe wohl!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/645>, abgerufen am 27.09.2024.