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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Engel auf Erden.

Das paßt vortrefflich. Auch ich habe die größte Eile, Euch in jene
Welt zu spediren.

Zum Teufel! sagte Mandozzi, und seine Augen fingen an zu funkeln.
Haltet Ihr das für so leicht?

Ich halte es für notwendig.

Mandozzi stand einen Augenblick überlegend da, dann sagte er entschlossen:
Nun gut, es sei! Brauche ich es Euch zu sagen? Schon beim erstenmale, wo
wir uns dort in Mexiko gegenüberstanden, rief mir eine innere Stimme zu,
es müsse kommen, daß wir uns einmal auf Tod und Leben gegenüberstünden.
Der Augenblick scheint da zu sein, und ich bins nicht, der zurückweicht. Seid
Ihr müde, zu leben? Wohlan, kommt mit.

Er eilte zur Kutsche, nachdem er Cota gerufen hatte. Dieser hatte, ab¬
seits stehend, mit dem lebhaftesten Interesse die Worte angehört, welche die
beiden miteinander wechselten. Beim Rufe seines Herrn lief er herbei, aber
bevor dieser sich zu ihm wandte, richtete er nochmals das Wort an Devannis:
Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde es mein größtes Vergnügen sein, mich
mit blanken Waffen mit Euch zu messen. Aber jetzt kommt es darauf an, es
eilig abzumachen, und mit der Pistole können zwei Christen sich am schnellsten
abthun. Wenn es Euch nicht zuwider ist, nehmen wir Pistolen.

Josef nickte mit dem Kopfe.

Mandozzi ergriff die Pistolen, welche noch auf dem Vordersitze des Wagens
lagen, und gab sie Cota. Da, nimm die Dinger und komm mit. Dann
fügte er, zu Josef sich wendend, hinzu: Sekundanten würden ein unnützer Luxus
sein; wir würden sie überdies in diesem Dorfe schwerlich finden können. Wenn
Ihr Euch damit begnügen wollt, so kann dies Häufchen Mensch uns als Zeuge
dienen.

Devannis machte dieselbe bejahende Bewegung.

Dann also, fuhr Mandozzi fort, vorwärts!

Eine Strecke vor dem Dorfe blieb Mandozzi stehen. Gefällt Euch dieser
Platz?

Er gefällt mir.

Gut. Prüft diese Pistolen und sagt, ob Ihr etwas gegen sie habt. Cota,
gieb sie hin!

Pauls Freund prüfte sie mit Kennerblicken. Es sind sehr schöne Waffen;
aber die eine ist nicht geladen.

Es ist wahr! Ich hatte nicht daran gedacht. Ich hatte sie auf den Neu¬
fundländer abgeschossen. Ladet sie selbst, wenn es Euch gefällig ist.

Cota trat heran und sagte kriechend: Wenn die Herren es wünschen, so
ann ich sie ja laden.

Ja, antwortete Mandozzi, das heißt noch regelrechter Verfahren. Zweifelt
nicht daran, mein Herr, daß der Spitzbube seine Sache versteht, er wird schon
seine Schuldigkeit thun.

Er zog ein Pulverhorn und eine Schachtel voll Kngeln aus der Tasche,
warf beides dem kleinen Manne zu, in dessen Augen eine wilde, grausame
Freude aufblitzte.

Während Cota die Pistole lud, setzten die beiden Feinde die Regeln des
Kampfes fest. Es sollte einer nach dem andern schießen, mit dreißig Schritt
Distanz, für zwei so geschickte Schützen die richtigste und passendste Entfernung;
das Loos sollte darüber entscheiden, wer den Vorteil hatte, zuerst zu schießen.


Die Engel auf Erden.

Das paßt vortrefflich. Auch ich habe die größte Eile, Euch in jene
Welt zu spediren.

Zum Teufel! sagte Mandozzi, und seine Augen fingen an zu funkeln.
Haltet Ihr das für so leicht?

Ich halte es für notwendig.

Mandozzi stand einen Augenblick überlegend da, dann sagte er entschlossen:
Nun gut, es sei! Brauche ich es Euch zu sagen? Schon beim erstenmale, wo
wir uns dort in Mexiko gegenüberstanden, rief mir eine innere Stimme zu,
es müsse kommen, daß wir uns einmal auf Tod und Leben gegenüberstünden.
Der Augenblick scheint da zu sein, und ich bins nicht, der zurückweicht. Seid
Ihr müde, zu leben? Wohlan, kommt mit.

Er eilte zur Kutsche, nachdem er Cota gerufen hatte. Dieser hatte, ab¬
seits stehend, mit dem lebhaftesten Interesse die Worte angehört, welche die
beiden miteinander wechselten. Beim Rufe seines Herrn lief er herbei, aber
bevor dieser sich zu ihm wandte, richtete er nochmals das Wort an Devannis:
Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde es mein größtes Vergnügen sein, mich
mit blanken Waffen mit Euch zu messen. Aber jetzt kommt es darauf an, es
eilig abzumachen, und mit der Pistole können zwei Christen sich am schnellsten
abthun. Wenn es Euch nicht zuwider ist, nehmen wir Pistolen.

Josef nickte mit dem Kopfe.

Mandozzi ergriff die Pistolen, welche noch auf dem Vordersitze des Wagens
lagen, und gab sie Cota. Da, nimm die Dinger und komm mit. Dann
fügte er, zu Josef sich wendend, hinzu: Sekundanten würden ein unnützer Luxus
sein; wir würden sie überdies in diesem Dorfe schwerlich finden können. Wenn
Ihr Euch damit begnügen wollt, so kann dies Häufchen Mensch uns als Zeuge
dienen.

Devannis machte dieselbe bejahende Bewegung.

Dann also, fuhr Mandozzi fort, vorwärts!

Eine Strecke vor dem Dorfe blieb Mandozzi stehen. Gefällt Euch dieser
Platz?

Er gefällt mir.

Gut. Prüft diese Pistolen und sagt, ob Ihr etwas gegen sie habt. Cota,
gieb sie hin!

Pauls Freund prüfte sie mit Kennerblicken. Es sind sehr schöne Waffen;
aber die eine ist nicht geladen.

Es ist wahr! Ich hatte nicht daran gedacht. Ich hatte sie auf den Neu¬
fundländer abgeschossen. Ladet sie selbst, wenn es Euch gefällig ist.

Cota trat heran und sagte kriechend: Wenn die Herren es wünschen, so
ann ich sie ja laden.

Ja, antwortete Mandozzi, das heißt noch regelrechter Verfahren. Zweifelt
nicht daran, mein Herr, daß der Spitzbube seine Sache versteht, er wird schon
seine Schuldigkeit thun.

Er zog ein Pulverhorn und eine Schachtel voll Kngeln aus der Tasche,
warf beides dem kleinen Manne zu, in dessen Augen eine wilde, grausame
Freude aufblitzte.

Während Cota die Pistole lud, setzten die beiden Feinde die Regeln des
Kampfes fest. Es sollte einer nach dem andern schießen, mit dreißig Schritt
Distanz, für zwei so geschickte Schützen die richtigste und passendste Entfernung;
das Loos sollte darüber entscheiden, wer den Vorteil hatte, zuerst zu schießen.


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[0634] Die Engel auf Erden. Das paßt vortrefflich. Auch ich habe die größte Eile, Euch in jene Welt zu spediren. Zum Teufel! sagte Mandozzi, und seine Augen fingen an zu funkeln. Haltet Ihr das für so leicht? Ich halte es für notwendig. Mandozzi stand einen Augenblick überlegend da, dann sagte er entschlossen: Nun gut, es sei! Brauche ich es Euch zu sagen? Schon beim erstenmale, wo wir uns dort in Mexiko gegenüberstanden, rief mir eine innere Stimme zu, es müsse kommen, daß wir uns einmal auf Tod und Leben gegenüberstünden. Der Augenblick scheint da zu sein, und ich bins nicht, der zurückweicht. Seid Ihr müde, zu leben? Wohlan, kommt mit. Er eilte zur Kutsche, nachdem er Cota gerufen hatte. Dieser hatte, ab¬ seits stehend, mit dem lebhaftesten Interesse die Worte angehört, welche die beiden miteinander wechselten. Beim Rufe seines Herrn lief er herbei, aber bevor dieser sich zu ihm wandte, richtete er nochmals das Wort an Devannis: Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde es mein größtes Vergnügen sein, mich mit blanken Waffen mit Euch zu messen. Aber jetzt kommt es darauf an, es eilig abzumachen, und mit der Pistole können zwei Christen sich am schnellsten abthun. Wenn es Euch nicht zuwider ist, nehmen wir Pistolen. Josef nickte mit dem Kopfe. Mandozzi ergriff die Pistolen, welche noch auf dem Vordersitze des Wagens lagen, und gab sie Cota. Da, nimm die Dinger und komm mit. Dann fügte er, zu Josef sich wendend, hinzu: Sekundanten würden ein unnützer Luxus sein; wir würden sie überdies in diesem Dorfe schwerlich finden können. Wenn Ihr Euch damit begnügen wollt, so kann dies Häufchen Mensch uns als Zeuge dienen. Devannis machte dieselbe bejahende Bewegung. Dann also, fuhr Mandozzi fort, vorwärts! Eine Strecke vor dem Dorfe blieb Mandozzi stehen. Gefällt Euch dieser Platz? Er gefällt mir. Gut. Prüft diese Pistolen und sagt, ob Ihr etwas gegen sie habt. Cota, gieb sie hin! Pauls Freund prüfte sie mit Kennerblicken. Es sind sehr schöne Waffen; aber die eine ist nicht geladen. Es ist wahr! Ich hatte nicht daran gedacht. Ich hatte sie auf den Neu¬ fundländer abgeschossen. Ladet sie selbst, wenn es Euch gefällig ist. Cota trat heran und sagte kriechend: Wenn die Herren es wünschen, so ann ich sie ja laden. Ja, antwortete Mandozzi, das heißt noch regelrechter Verfahren. Zweifelt nicht daran, mein Herr, daß der Spitzbube seine Sache versteht, er wird schon seine Schuldigkeit thun. Er zog ein Pulverhorn und eine Schachtel voll Kngeln aus der Tasche, warf beides dem kleinen Manne zu, in dessen Augen eine wilde, grausame Freude aufblitzte. Während Cota die Pistole lud, setzten die beiden Feinde die Regeln des Kampfes fest. Es sollte einer nach dem andern schießen, mit dreißig Schritt Distanz, für zwei so geschickte Schützen die richtigste und passendste Entfernung; das Loos sollte darüber entscheiden, wer den Vorteil hatte, zuerst zu schießen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/634>, abgerufen am 27.06.2024.