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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die große Kunstausstellung in Berlin.

wird zugemutet, nicht nur gute Miene zum bösen Spiel zu machen, sondern
auch noch die gemalten antideutschen Demonstrationen mit allen Ehren zu
empfangen und der Freiheit unsers Urteils zu gunsten der Fremden Fesseln an¬
zulegen.

Zu dieser Bemerkung veranlaßt uns ein kolossales Gemälde des polnischen
Historienmalers Jan Matejko, welcher seit Jahren seine Hauptaufgabe darin steht,
der Eitelkeit seiner Landsleute durch große Schilderungen deutscher Schmach
einen angenehmen Kitzel zu bereiten und sie durch Vorführung einer Art von
retrospektiver Fata Morgana bis zu dem Augenblicke zu trösten, wo die slavische
Weltherrschaft eine vollendete Thatsache sein wird. Er hat seine Absicht in
Form eines durch die slavophile Presse verbreiteten Programms aufgestellt,
sodaß an derselben nicht zu zweifeln ist, und dem Programme sogleich die
Ausführung folgen lassen. Das erste Bild dieses Zyklus war die Darstellung
der Niederlage des deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg. Man
trug in Berlin kein Bedenken, dieses durchaus tendenziös aufgefaßte Bild in
den Räumen der Akademie auszustellen, vielleicht weil Matejko außerordent¬
liches Mitglied der Berliner Akademie der Künste ist und man sein Werk schon
aus diesem Grunde nicht zurückweisen zu dürfen glaubte. Zur Stärkung des
nationalen Bewußtseins hat das Gemälde jedenfalls nicht beigetragen und zur
Förderung unsers Kunstvermögens auch nicht. Das zweite Bild dieses Zyklus,
welches im Kataloge den Titel führt: "Huldigungseid der Preußen, geleistet
am 10. April 1525 dem polnischen Könige Sigmund I.," hat Eingang in unsre
jetzige Kunstausstellung gefunden und ist von den Vertretern des Kosmopoli-
tismus mit Jubel als eine bedeutsame Offenbarung der Kunst begrüßt worden.
In Wirklichkeit bleibt aber, wenn wir das nationale Interesse ganz beiseite
lassen, nichts übrig als eine hohle Prahlerei und ein aufdringliches Farben¬
spiel, dessen Brutalität jeden Beschauer abstoßen muß, der noch der Meinung
huldigt, daß Harmonie die Grundbedingung jedes Kunstwerkes ist. Die
Szene geht auf einem freien Platze in Krakau vor sich. Man hat eine
große, mit rotem Tuch bekleidete Estrade aufgeschlagen, auf deren rechter Seite
der polnische König unter einem Baldachine, von seinem Hofstaate umgeben,
thront. Matejko ist wenigstens so ehrlich gewesen, das breite, feiste Gesicht
Sigismunds, auf welchem seine Neigungen deutlich ausgeprägt sind, nicht zu
idealisiren und dem vor ihm knieenden Herzog Albrecht von Preußen den Cha¬
rakter der Ritterlichkeit und Heldcnhaftigkeit zu lassen. Der huldigende Preußen¬
herzog ist von stattlichen Rittern begleitet, und hinter ihnen sind auch einige
Frauen sichtbar, von denen besonders eine wegen ihrer triumphirenden Miene
auffällt. Ob sie zum Herzoge oder zum Könige gehört, ist unklar, wie über¬
haupt die ganze Komposition unter dem Mangel an Klarheit leidet. Um die
Estrade drängt sich das Volk, welches von einem Büttel mit Unter zurückge¬
halten wird. Links steigt ein Mann, welcher eine Schüssel mit gemünzten


Die große Kunstausstellung in Berlin.

wird zugemutet, nicht nur gute Miene zum bösen Spiel zu machen, sondern
auch noch die gemalten antideutschen Demonstrationen mit allen Ehren zu
empfangen und der Freiheit unsers Urteils zu gunsten der Fremden Fesseln an¬
zulegen.

Zu dieser Bemerkung veranlaßt uns ein kolossales Gemälde des polnischen
Historienmalers Jan Matejko, welcher seit Jahren seine Hauptaufgabe darin steht,
der Eitelkeit seiner Landsleute durch große Schilderungen deutscher Schmach
einen angenehmen Kitzel zu bereiten und sie durch Vorführung einer Art von
retrospektiver Fata Morgana bis zu dem Augenblicke zu trösten, wo die slavische
Weltherrschaft eine vollendete Thatsache sein wird. Er hat seine Absicht in
Form eines durch die slavophile Presse verbreiteten Programms aufgestellt,
sodaß an derselben nicht zu zweifeln ist, und dem Programme sogleich die
Ausführung folgen lassen. Das erste Bild dieses Zyklus war die Darstellung
der Niederlage des deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg. Man
trug in Berlin kein Bedenken, dieses durchaus tendenziös aufgefaßte Bild in
den Räumen der Akademie auszustellen, vielleicht weil Matejko außerordent¬
liches Mitglied der Berliner Akademie der Künste ist und man sein Werk schon
aus diesem Grunde nicht zurückweisen zu dürfen glaubte. Zur Stärkung des
nationalen Bewußtseins hat das Gemälde jedenfalls nicht beigetragen und zur
Förderung unsers Kunstvermögens auch nicht. Das zweite Bild dieses Zyklus,
welches im Kataloge den Titel führt: „Huldigungseid der Preußen, geleistet
am 10. April 1525 dem polnischen Könige Sigmund I.," hat Eingang in unsre
jetzige Kunstausstellung gefunden und ist von den Vertretern des Kosmopoli-
tismus mit Jubel als eine bedeutsame Offenbarung der Kunst begrüßt worden.
In Wirklichkeit bleibt aber, wenn wir das nationale Interesse ganz beiseite
lassen, nichts übrig als eine hohle Prahlerei und ein aufdringliches Farben¬
spiel, dessen Brutalität jeden Beschauer abstoßen muß, der noch der Meinung
huldigt, daß Harmonie die Grundbedingung jedes Kunstwerkes ist. Die
Szene geht auf einem freien Platze in Krakau vor sich. Man hat eine
große, mit rotem Tuch bekleidete Estrade aufgeschlagen, auf deren rechter Seite
der polnische König unter einem Baldachine, von seinem Hofstaate umgeben,
thront. Matejko ist wenigstens so ehrlich gewesen, das breite, feiste Gesicht
Sigismunds, auf welchem seine Neigungen deutlich ausgeprägt sind, nicht zu
idealisiren und dem vor ihm knieenden Herzog Albrecht von Preußen den Cha¬
rakter der Ritterlichkeit und Heldcnhaftigkeit zu lassen. Der huldigende Preußen¬
herzog ist von stattlichen Rittern begleitet, und hinter ihnen sind auch einige
Frauen sichtbar, von denen besonders eine wegen ihrer triumphirenden Miene
auffällt. Ob sie zum Herzoge oder zum Könige gehört, ist unklar, wie über¬
haupt die ganze Komposition unter dem Mangel an Klarheit leidet. Um die
Estrade drängt sich das Volk, welches von einem Büttel mit Unter zurückge¬
halten wird. Links steigt ein Mann, welcher eine Schüssel mit gemünzten


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[0626] Die große Kunstausstellung in Berlin. wird zugemutet, nicht nur gute Miene zum bösen Spiel zu machen, sondern auch noch die gemalten antideutschen Demonstrationen mit allen Ehren zu empfangen und der Freiheit unsers Urteils zu gunsten der Fremden Fesseln an¬ zulegen. Zu dieser Bemerkung veranlaßt uns ein kolossales Gemälde des polnischen Historienmalers Jan Matejko, welcher seit Jahren seine Hauptaufgabe darin steht, der Eitelkeit seiner Landsleute durch große Schilderungen deutscher Schmach einen angenehmen Kitzel zu bereiten und sie durch Vorführung einer Art von retrospektiver Fata Morgana bis zu dem Augenblicke zu trösten, wo die slavische Weltherrschaft eine vollendete Thatsache sein wird. Er hat seine Absicht in Form eines durch die slavophile Presse verbreiteten Programms aufgestellt, sodaß an derselben nicht zu zweifeln ist, und dem Programme sogleich die Ausführung folgen lassen. Das erste Bild dieses Zyklus war die Darstellung der Niederlage des deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg. Man trug in Berlin kein Bedenken, dieses durchaus tendenziös aufgefaßte Bild in den Räumen der Akademie auszustellen, vielleicht weil Matejko außerordent¬ liches Mitglied der Berliner Akademie der Künste ist und man sein Werk schon aus diesem Grunde nicht zurückweisen zu dürfen glaubte. Zur Stärkung des nationalen Bewußtseins hat das Gemälde jedenfalls nicht beigetragen und zur Förderung unsers Kunstvermögens auch nicht. Das zweite Bild dieses Zyklus, welches im Kataloge den Titel führt: „Huldigungseid der Preußen, geleistet am 10. April 1525 dem polnischen Könige Sigmund I.," hat Eingang in unsre jetzige Kunstausstellung gefunden und ist von den Vertretern des Kosmopoli- tismus mit Jubel als eine bedeutsame Offenbarung der Kunst begrüßt worden. In Wirklichkeit bleibt aber, wenn wir das nationale Interesse ganz beiseite lassen, nichts übrig als eine hohle Prahlerei und ein aufdringliches Farben¬ spiel, dessen Brutalität jeden Beschauer abstoßen muß, der noch der Meinung huldigt, daß Harmonie die Grundbedingung jedes Kunstwerkes ist. Die Szene geht auf einem freien Platze in Krakau vor sich. Man hat eine große, mit rotem Tuch bekleidete Estrade aufgeschlagen, auf deren rechter Seite der polnische König unter einem Baldachine, von seinem Hofstaate umgeben, thront. Matejko ist wenigstens so ehrlich gewesen, das breite, feiste Gesicht Sigismunds, auf welchem seine Neigungen deutlich ausgeprägt sind, nicht zu idealisiren und dem vor ihm knieenden Herzog Albrecht von Preußen den Cha¬ rakter der Ritterlichkeit und Heldcnhaftigkeit zu lassen. Der huldigende Preußen¬ herzog ist von stattlichen Rittern begleitet, und hinter ihnen sind auch einige Frauen sichtbar, von denen besonders eine wegen ihrer triumphirenden Miene auffällt. Ob sie zum Herzoge oder zum Könige gehört, ist unklar, wie über¬ haupt die ganze Komposition unter dem Mangel an Klarheit leidet. Um die Estrade drängt sich das Volk, welches von einem Büttel mit Unter zurückge¬ halten wird. Links steigt ein Mann, welcher eine Schüssel mit gemünzten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/626>, abgerufen am 27.06.2024.