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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

Radschloß, Sättel und was sonst den Abendländer reizen kann, anfertigen. Bei
der Thätigkeit ist ja auch nichts böses, der Orientale ist seit Urzeiten gewohnt,
die Arbeiten der Vorfahren zu kopiren, so in China wie in Indien und Vorder¬
asien. Aber dann wird der Künstler zum Händler, welcher dem "Mossiou"
bei Allah und bei seinem eignen Haupte schwört, daß sein Fabrikat von Selim
dem Dritten getragen worden sei, sich aber schon seit so und soviel hundert
Jahren im Besitze seiner Familie befinde. Und wie in Konstantinopel, so giebt
es in Macedonien, Bulgarien, Albanien, Bosnien u. s. w. Handwerker genug,
welche vom Waffenschmieden, Ciseliren, Tauschiren ?c. genug verstehen, um 99
von 100 Fremden zu betrügen. Nach Endels Versicherung sollen jedoch seine
Landsleute ihnen um nichts nachstehen. Selbstverständlich machen sie nicht
orientalische, sondern abendländische Waffen und Rüstungsstücke.

Unsre Arbeiter, sagt er, graviren, ciseliren, vergolden, treiben und tauschiren
wunderbar. Ihre Handfertigkeit ist außerordentlich und ihre Kunstgriffe im
Altmachen sind aufs höchste ausgebildet. Durch Einlassen mit Wachs und
Poliren mit Flanell wissen sie dem Stahl einen Glanz zu geben, welcher dem
der Waffen aus der Zeit des Rittertums sehr ähnlich, nur etwas dunkler und
bleifarbig erscheint. Salzsäure frißt sich schnell ein und bringt gleichzeitig den
Rost des Alters und die Zeichnung hervor, welche gravirt werden soll, und
Aufenthalt in feuchter Erde oder -- in einem Dorfabtritt thut das übrige.

Freilich ist der so entstandene Rost rötlich und läßt sich mit dem Finger
entfernen, und auch der dem echten ähnlichere schwarze Rost der Italiener hält
vor dem Putzen nicht Stand. Die letztern sind übrigens so gescheit, lieber
echte schmucklose Degen zu dekoriren, als erst solche zu schmieden, welche sich
dem Kenner zu leicht durch Mängel der Form verdächtig machen.

Alte Tauschirung (äarQÄ3cining.Ac!) ist bekanntlich durch das Einbetten und
Festdrücken von Gold oder Silber in grcivirte und aufgerauhte Vertiefungen
des Eisens oder Stahls entstanden; die Fälscher graviren nicht, sondern ätzen,
und diese beiden Prozeduren unterscheidet ein einigermaßen geübtes Auge leicht;
noch leichter die mit Goldfiruis aufgetragenen Verzierungen. Was wir
Damaszirung nennen, die durch das Zusammenschweißen verschiedner Eisensorten
entstehende matte Zeichnung -- von den Franzosen passend nroirgM genannt --,
wird ebenfalls durch Aezen nachgeahmt.

Maurische Waffen soll der Maler Fortuny selbst mit Vollendung ciselirt
und tauschirt haben, und ein Degen seiner Faktur soll nach seinem Tode mit
15 000 Franks bezahlt worden sein. Getriebene und geschnittene Arbeit wird
auf galvanoplastischem Wege so täuschend abgeformt, daß die Entdeckung dort,
wo nicht die Rückseite des Metalls untersucht werden kann, sehr schwer ist.
So erklärt sich das Vorhandensein gewisser historischen Waffen, z. B. des Dolches
Ravaillacs, in verschiednen Sammlungen. Den echten soll der Herzog de la
Force besitzen.


Die Künste der Fälscher.

Radschloß, Sättel und was sonst den Abendländer reizen kann, anfertigen. Bei
der Thätigkeit ist ja auch nichts böses, der Orientale ist seit Urzeiten gewohnt,
die Arbeiten der Vorfahren zu kopiren, so in China wie in Indien und Vorder¬
asien. Aber dann wird der Künstler zum Händler, welcher dem „Mossiou"
bei Allah und bei seinem eignen Haupte schwört, daß sein Fabrikat von Selim
dem Dritten getragen worden sei, sich aber schon seit so und soviel hundert
Jahren im Besitze seiner Familie befinde. Und wie in Konstantinopel, so giebt
es in Macedonien, Bulgarien, Albanien, Bosnien u. s. w. Handwerker genug,
welche vom Waffenschmieden, Ciseliren, Tauschiren ?c. genug verstehen, um 99
von 100 Fremden zu betrügen. Nach Endels Versicherung sollen jedoch seine
Landsleute ihnen um nichts nachstehen. Selbstverständlich machen sie nicht
orientalische, sondern abendländische Waffen und Rüstungsstücke.

Unsre Arbeiter, sagt er, graviren, ciseliren, vergolden, treiben und tauschiren
wunderbar. Ihre Handfertigkeit ist außerordentlich und ihre Kunstgriffe im
Altmachen sind aufs höchste ausgebildet. Durch Einlassen mit Wachs und
Poliren mit Flanell wissen sie dem Stahl einen Glanz zu geben, welcher dem
der Waffen aus der Zeit des Rittertums sehr ähnlich, nur etwas dunkler und
bleifarbig erscheint. Salzsäure frißt sich schnell ein und bringt gleichzeitig den
Rost des Alters und die Zeichnung hervor, welche gravirt werden soll, und
Aufenthalt in feuchter Erde oder — in einem Dorfabtritt thut das übrige.

Freilich ist der so entstandene Rost rötlich und läßt sich mit dem Finger
entfernen, und auch der dem echten ähnlichere schwarze Rost der Italiener hält
vor dem Putzen nicht Stand. Die letztern sind übrigens so gescheit, lieber
echte schmucklose Degen zu dekoriren, als erst solche zu schmieden, welche sich
dem Kenner zu leicht durch Mängel der Form verdächtig machen.

Alte Tauschirung (äarQÄ3cining.Ac!) ist bekanntlich durch das Einbetten und
Festdrücken von Gold oder Silber in grcivirte und aufgerauhte Vertiefungen
des Eisens oder Stahls entstanden; die Fälscher graviren nicht, sondern ätzen,
und diese beiden Prozeduren unterscheidet ein einigermaßen geübtes Auge leicht;
noch leichter die mit Goldfiruis aufgetragenen Verzierungen. Was wir
Damaszirung nennen, die durch das Zusammenschweißen verschiedner Eisensorten
entstehende matte Zeichnung — von den Franzosen passend nroirgM genannt —,
wird ebenfalls durch Aezen nachgeahmt.

Maurische Waffen soll der Maler Fortuny selbst mit Vollendung ciselirt
und tauschirt haben, und ein Degen seiner Faktur soll nach seinem Tode mit
15 000 Franks bezahlt worden sein. Getriebene und geschnittene Arbeit wird
auf galvanoplastischem Wege so täuschend abgeformt, daß die Entdeckung dort,
wo nicht die Rückseite des Metalls untersucht werden kann, sehr schwer ist.
So erklärt sich das Vorhandensein gewisser historischen Waffen, z. B. des Dolches
Ravaillacs, in verschiednen Sammlungen. Den echten soll der Herzog de la
Force besitzen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/616>, abgerufen am 27.06.2024.