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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

Als das dankbarste Publikum der Wassenfälscher gelten die Amerikaner,
die ja auch im Zusammenlaufen von Gemälden, orientalischen Teppichen und
andern Dingen dunkler Herkunft das äußerste leisten. Indessen muß Endet
eingestehen, daß auch seiue Landsleute, und zwar die erfahrensten unter ihnen,
nicht gefeit sind. Das beweist u. a, seine Geschichte von drei Schilden, welche
sämtlich aus der Hand eines in Madrid sehr bekannten Kunstfreundes hervor-
und in die Hände höchst namhafter Sammler in Paris übergegangen sein sollen.
Den ersten, mit Jupiter im Titanenkampfe, kaufte Didier-Petit für 10 000 Franks,
auf der Versteigerung seiner Sammlung wurde sür dasselbe Stück nicht mehr
als 500 gegeben! Mit dem zweiten hat sich sogar Baron Charles Davillier,
eine der ersten Autoritäten in Sachen der spanischen ovjsts ä'art, betrügen
lassen, wenn auch nicht für lange Zeit. Er war an einem heißen Sommertage
in der Sammlung jenes Spaniers, welchen Endet Nascimcnta nennt, herum¬
geführt worden, hatte in dem Dämmerlicht, welches durch die geschlossenen
Jalousien eindrang, den mit Gold tauschirten prachtvollen Schild gesehen, ihn
für eine spanische Arbeit des sechzehnten Jahrhunderts gehalten, unbedenklich für
8000 Franks gekauft und sofort verpacken lassen. An der französischen Grenze
wird sein Gepäck revidirt, der Zollbeamte besteht darauf, auch den Inhalt der
verschlossenen Kiste zu sehen, und als er den Schild in vollem Sonnenlicht
betrachtet, giebt es Davillier einen Stich. Er hat sich fangen lassen wie ein
Neuling! Von Paris aus schreibt er dem Verkäufer, der Schild gefalle ihm
nicht mehr, er bitte um dessen Rücknahme, weil er sonst genötigt sein werde,
in Paris den Adressaten als den geschicktesten Tauschirer der Gegenwart bekannt
zu machen. Letzterer gab zur Antwort (Endet teilt die beiden Briefe, doch ohne
Datum, mit, sodaß sie wohl nur nach Davilliers Erzählung rckonstrnirt sein
werden), um zu beweisen, daß er den Schild noch für ebenso echt halte, als
an dem Tage, an welchem er denselben Davillier verkauft habe, weil er ihm
nichts abschlagen könne, mache er den Kauf rückgängig und werde dem Schilde
seineu frühern Ehrenplatz in seiner Sammlung wieder anweisen. Den dritten
Schild, Kopie eines solchen in der Armeria Real, hatte ein Pariser Händler
aus derselben Quelle sür 20 000 Franks bezogen, welcher so sehr von seiner
Unfehlbarkeit überzeugt war, daß er allen Kennern gegenüber die Echtheit auf¬
recht erhielt.

Wieder ein französischer Amateur empfing auf einer Reise im Kanton
Waadt die Nachricht, daß sich in einem Maierhof ein Kümß befinde, welchen
der Urahne des Bauern nach der Schlacht bei Granson erbeutet habe. Eine
anstrengende Gebirgswanderung bringt ihn an das bezeichnete Haus, erwartungs¬
voll eilt er den Führern voraus und sieht in der That einen Küraß -- über
dem Herd im Rauch hängen. Die Frau bemerkt arglos, er komme zu früh,
das Nüststück werde ihm nicht gefallen, es sei noch nicht ganz fertig. Und als
er einem Waffenfabrikantcn in Neufchatel sein tragikomisches Abenteuer beichtet,


Grenzboten III. 1884. 77
Die Künste der Fälscher.

Als das dankbarste Publikum der Wassenfälscher gelten die Amerikaner,
die ja auch im Zusammenlaufen von Gemälden, orientalischen Teppichen und
andern Dingen dunkler Herkunft das äußerste leisten. Indessen muß Endet
eingestehen, daß auch seiue Landsleute, und zwar die erfahrensten unter ihnen,
nicht gefeit sind. Das beweist u. a, seine Geschichte von drei Schilden, welche
sämtlich aus der Hand eines in Madrid sehr bekannten Kunstfreundes hervor-
und in die Hände höchst namhafter Sammler in Paris übergegangen sein sollen.
Den ersten, mit Jupiter im Titanenkampfe, kaufte Didier-Petit für 10 000 Franks,
auf der Versteigerung seiner Sammlung wurde sür dasselbe Stück nicht mehr
als 500 gegeben! Mit dem zweiten hat sich sogar Baron Charles Davillier,
eine der ersten Autoritäten in Sachen der spanischen ovjsts ä'art, betrügen
lassen, wenn auch nicht für lange Zeit. Er war an einem heißen Sommertage
in der Sammlung jenes Spaniers, welchen Endet Nascimcnta nennt, herum¬
geführt worden, hatte in dem Dämmerlicht, welches durch die geschlossenen
Jalousien eindrang, den mit Gold tauschirten prachtvollen Schild gesehen, ihn
für eine spanische Arbeit des sechzehnten Jahrhunderts gehalten, unbedenklich für
8000 Franks gekauft und sofort verpacken lassen. An der französischen Grenze
wird sein Gepäck revidirt, der Zollbeamte besteht darauf, auch den Inhalt der
verschlossenen Kiste zu sehen, und als er den Schild in vollem Sonnenlicht
betrachtet, giebt es Davillier einen Stich. Er hat sich fangen lassen wie ein
Neuling! Von Paris aus schreibt er dem Verkäufer, der Schild gefalle ihm
nicht mehr, er bitte um dessen Rücknahme, weil er sonst genötigt sein werde,
in Paris den Adressaten als den geschicktesten Tauschirer der Gegenwart bekannt
zu machen. Letzterer gab zur Antwort (Endet teilt die beiden Briefe, doch ohne
Datum, mit, sodaß sie wohl nur nach Davilliers Erzählung rckonstrnirt sein
werden), um zu beweisen, daß er den Schild noch für ebenso echt halte, als
an dem Tage, an welchem er denselben Davillier verkauft habe, weil er ihm
nichts abschlagen könne, mache er den Kauf rückgängig und werde dem Schilde
seineu frühern Ehrenplatz in seiner Sammlung wieder anweisen. Den dritten
Schild, Kopie eines solchen in der Armeria Real, hatte ein Pariser Händler
aus derselben Quelle sür 20 000 Franks bezogen, welcher so sehr von seiner
Unfehlbarkeit überzeugt war, daß er allen Kennern gegenüber die Echtheit auf¬
recht erhielt.

Wieder ein französischer Amateur empfing auf einer Reise im Kanton
Waadt die Nachricht, daß sich in einem Maierhof ein Kümß befinde, welchen
der Urahne des Bauern nach der Schlacht bei Granson erbeutet habe. Eine
anstrengende Gebirgswanderung bringt ihn an das bezeichnete Haus, erwartungs¬
voll eilt er den Führern voraus und sieht in der That einen Küraß — über
dem Herd im Rauch hängen. Die Frau bemerkt arglos, er komme zu früh,
das Nüststück werde ihm nicht gefallen, es sei noch nicht ganz fertig. Und als
er einem Waffenfabrikantcn in Neufchatel sein tragikomisches Abenteuer beichtet,


Grenzboten III. 1884. 77
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[0617] Die Künste der Fälscher. Als das dankbarste Publikum der Wassenfälscher gelten die Amerikaner, die ja auch im Zusammenlaufen von Gemälden, orientalischen Teppichen und andern Dingen dunkler Herkunft das äußerste leisten. Indessen muß Endet eingestehen, daß auch seiue Landsleute, und zwar die erfahrensten unter ihnen, nicht gefeit sind. Das beweist u. a, seine Geschichte von drei Schilden, welche sämtlich aus der Hand eines in Madrid sehr bekannten Kunstfreundes hervor- und in die Hände höchst namhafter Sammler in Paris übergegangen sein sollen. Den ersten, mit Jupiter im Titanenkampfe, kaufte Didier-Petit für 10 000 Franks, auf der Versteigerung seiner Sammlung wurde sür dasselbe Stück nicht mehr als 500 gegeben! Mit dem zweiten hat sich sogar Baron Charles Davillier, eine der ersten Autoritäten in Sachen der spanischen ovjsts ä'art, betrügen lassen, wenn auch nicht für lange Zeit. Er war an einem heißen Sommertage in der Sammlung jenes Spaniers, welchen Endet Nascimcnta nennt, herum¬ geführt worden, hatte in dem Dämmerlicht, welches durch die geschlossenen Jalousien eindrang, den mit Gold tauschirten prachtvollen Schild gesehen, ihn für eine spanische Arbeit des sechzehnten Jahrhunderts gehalten, unbedenklich für 8000 Franks gekauft und sofort verpacken lassen. An der französischen Grenze wird sein Gepäck revidirt, der Zollbeamte besteht darauf, auch den Inhalt der verschlossenen Kiste zu sehen, und als er den Schild in vollem Sonnenlicht betrachtet, giebt es Davillier einen Stich. Er hat sich fangen lassen wie ein Neuling! Von Paris aus schreibt er dem Verkäufer, der Schild gefalle ihm nicht mehr, er bitte um dessen Rücknahme, weil er sonst genötigt sein werde, in Paris den Adressaten als den geschicktesten Tauschirer der Gegenwart bekannt zu machen. Letzterer gab zur Antwort (Endet teilt die beiden Briefe, doch ohne Datum, mit, sodaß sie wohl nur nach Davilliers Erzählung rckonstrnirt sein werden), um zu beweisen, daß er den Schild noch für ebenso echt halte, als an dem Tage, an welchem er denselben Davillier verkauft habe, weil er ihm nichts abschlagen könne, mache er den Kauf rückgängig und werde dem Schilde seineu frühern Ehrenplatz in seiner Sammlung wieder anweisen. Den dritten Schild, Kopie eines solchen in der Armeria Real, hatte ein Pariser Händler aus derselben Quelle sür 20 000 Franks bezogen, welcher so sehr von seiner Unfehlbarkeit überzeugt war, daß er allen Kennern gegenüber die Echtheit auf¬ recht erhielt. Wieder ein französischer Amateur empfing auf einer Reise im Kanton Waadt die Nachricht, daß sich in einem Maierhof ein Kümß befinde, welchen der Urahne des Bauern nach der Schlacht bei Granson erbeutet habe. Eine anstrengende Gebirgswanderung bringt ihn an das bezeichnete Haus, erwartungs¬ voll eilt er den Führern voraus und sieht in der That einen Küraß — über dem Herd im Rauch hängen. Die Frau bemerkt arglos, er komme zu früh, das Nüststück werde ihm nicht gefallen, es sei noch nicht ganz fertig. Und als er einem Waffenfabrikantcn in Neufchatel sein tragikomisches Abenteuer beichtet, Grenzboten III. 1884. 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/617>, abgerufen am 27.06.2024.