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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Aünste der Fälscher.

Gyps modellirt und gekauft, obgleich dieses Material sich schon durch das Ge¬
wicht gegenüber dem schwereren Thon verrät.

Wie viele nagelneue Antiken alljährlich von Reisenden aller Nationen aus
Italien entführt werden oder auch ihren Weg in Museen finden, läßt sich un¬
möglich berechnen. Endet spricht namentlich von der Umgegend Neapels, wo
ganze Familien von dem Geschäft leben: der Vater fabrizirt das rohe Mach¬
werk, die Mutter macht es alt, und die barfüßigen Kinder bringen es den
Vorüberfahrenden als soeben ausgegraben. Aber wir möchten andern Gegenden
nicht zu nahe treten!

Das Kopiren von Thonarbeiten hat eine unangenehme Seite. Bekanntlich
schwindet der Ton schon beim Trocknen an der Luft, dann beim Brennen, und
die Kopie muß daher kleiner ausfallen als das Original. Dem wäre nur ab¬
zuhelfen, wenn dem Original an seinem ganzen Umfange soviel Körper zugesetzt
werden könnte, als die Masse, in welcher die Kopie hergestellt werden soll,
durch Wasserabgabe zu verlieren pflegt. Wieviel Prozente die Schwindung bei
fette", magern, gemischten Thoren beträgt, ist allerdings ziemlich genau er¬
mittelt; aber abgesehen von der Mühsamkeit der Arbeit, würde bei gegliederten
Gegenständen das Auflegen einer Schicht die Verhältnisse total verändern.
Indessen brauchen sich die Fälscher damit garnicht zu Plagen, denn um den
Unterschied in den Dimensionen zu konstcttiren, müßte man Vorbild und Nach¬
bildung nebeneinander haben, was nicht leicht vorkommen wird. Daher werden
Reliefs, Büsten, Vasen u. s. w. immer verjüngt abgeformt. Und der Händler,
welcher an den Maler Timbal ein Terraeottarelief der Jungfrau mit dem Kinde
von Ghiberti um hundert Lire verkauft hatte und es zurücknehmen sollte, als
der Käufer es als Abformung erkannt hatte, durfte die treffende Antwort geben:
"Wäre meine Terrcieotta das Original von Ghiberti, so würde sie 3000 Lire
wert sein, Sie würden sie behalten haben, und ich hätte ein sehr schlechtes Ge¬
schäft gemacht. Was sie wert ist, haben Sie gezahlt, behalten Sie die Terrci¬
eotta, ich behalte die hundert Lire." Deal die Neigung, zu übervorteilen, ist
ans feiten der Käufer gewiß nicht seltener als auf der andern. Das ergiebt
sich auch aus der Geschichte der Büste des Benivieni, welche der Bildhauer
Basticmini in Florenz für 350 Lire gemacht hatte und welche für 13600 Franks
Eigentum des Louvre wurde. Den ganzen weitläufigen Handel, den lebhaften
Zeituugskrieg, der sich zwischen Frankreich und Italien über die Echtheit ent¬
spann u. s. w., können wir an diesem Orte nicht verfolgen, so interessant er
auch ist. Nur das sei noch erwähnt, daß die Büste gegenwärtig nicht mehr
als Werk des Quattrocento bezeichnet wird, und daß das schlechteste Geschäft
der Künstler gemacht hatte. Auch ein Savonarola und andre Werke seiner
Hand haben lange für Renaissance-Arbeiten gegolten und sind mit Tausenden
bezahlt worden, während er selbst nur Hunderte empfing.


Die Aünste der Fälscher.

Gyps modellirt und gekauft, obgleich dieses Material sich schon durch das Ge¬
wicht gegenüber dem schwereren Thon verrät.

Wie viele nagelneue Antiken alljährlich von Reisenden aller Nationen aus
Italien entführt werden oder auch ihren Weg in Museen finden, läßt sich un¬
möglich berechnen. Endet spricht namentlich von der Umgegend Neapels, wo
ganze Familien von dem Geschäft leben: der Vater fabrizirt das rohe Mach¬
werk, die Mutter macht es alt, und die barfüßigen Kinder bringen es den
Vorüberfahrenden als soeben ausgegraben. Aber wir möchten andern Gegenden
nicht zu nahe treten!

Das Kopiren von Thonarbeiten hat eine unangenehme Seite. Bekanntlich
schwindet der Ton schon beim Trocknen an der Luft, dann beim Brennen, und
die Kopie muß daher kleiner ausfallen als das Original. Dem wäre nur ab¬
zuhelfen, wenn dem Original an seinem ganzen Umfange soviel Körper zugesetzt
werden könnte, als die Masse, in welcher die Kopie hergestellt werden soll,
durch Wasserabgabe zu verlieren pflegt. Wieviel Prozente die Schwindung bei
fette», magern, gemischten Thoren beträgt, ist allerdings ziemlich genau er¬
mittelt; aber abgesehen von der Mühsamkeit der Arbeit, würde bei gegliederten
Gegenständen das Auflegen einer Schicht die Verhältnisse total verändern.
Indessen brauchen sich die Fälscher damit garnicht zu Plagen, denn um den
Unterschied in den Dimensionen zu konstcttiren, müßte man Vorbild und Nach¬
bildung nebeneinander haben, was nicht leicht vorkommen wird. Daher werden
Reliefs, Büsten, Vasen u. s. w. immer verjüngt abgeformt. Und der Händler,
welcher an den Maler Timbal ein Terraeottarelief der Jungfrau mit dem Kinde
von Ghiberti um hundert Lire verkauft hatte und es zurücknehmen sollte, als
der Käufer es als Abformung erkannt hatte, durfte die treffende Antwort geben:
„Wäre meine Terrcieotta das Original von Ghiberti, so würde sie 3000 Lire
wert sein, Sie würden sie behalten haben, und ich hätte ein sehr schlechtes Ge¬
schäft gemacht. Was sie wert ist, haben Sie gezahlt, behalten Sie die Terrci¬
eotta, ich behalte die hundert Lire." Deal die Neigung, zu übervorteilen, ist
ans feiten der Käufer gewiß nicht seltener als auf der andern. Das ergiebt
sich auch aus der Geschichte der Büste des Benivieni, welche der Bildhauer
Basticmini in Florenz für 350 Lire gemacht hatte und welche für 13600 Franks
Eigentum des Louvre wurde. Den ganzen weitläufigen Handel, den lebhaften
Zeituugskrieg, der sich zwischen Frankreich und Italien über die Echtheit ent¬
spann u. s. w., können wir an diesem Orte nicht verfolgen, so interessant er
auch ist. Nur das sei noch erwähnt, daß die Büste gegenwärtig nicht mehr
als Werk des Quattrocento bezeichnet wird, und daß das schlechteste Geschäft
der Künstler gemacht hatte. Auch ein Savonarola und andre Werke seiner
Hand haben lange für Renaissance-Arbeiten gegolten und sind mit Tausenden
bezahlt worden, während er selbst nur Hunderte empfing.


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[0614] Die Aünste der Fälscher. Gyps modellirt und gekauft, obgleich dieses Material sich schon durch das Ge¬ wicht gegenüber dem schwereren Thon verrät. Wie viele nagelneue Antiken alljährlich von Reisenden aller Nationen aus Italien entführt werden oder auch ihren Weg in Museen finden, läßt sich un¬ möglich berechnen. Endet spricht namentlich von der Umgegend Neapels, wo ganze Familien von dem Geschäft leben: der Vater fabrizirt das rohe Mach¬ werk, die Mutter macht es alt, und die barfüßigen Kinder bringen es den Vorüberfahrenden als soeben ausgegraben. Aber wir möchten andern Gegenden nicht zu nahe treten! Das Kopiren von Thonarbeiten hat eine unangenehme Seite. Bekanntlich schwindet der Ton schon beim Trocknen an der Luft, dann beim Brennen, und die Kopie muß daher kleiner ausfallen als das Original. Dem wäre nur ab¬ zuhelfen, wenn dem Original an seinem ganzen Umfange soviel Körper zugesetzt werden könnte, als die Masse, in welcher die Kopie hergestellt werden soll, durch Wasserabgabe zu verlieren pflegt. Wieviel Prozente die Schwindung bei fette», magern, gemischten Thoren beträgt, ist allerdings ziemlich genau er¬ mittelt; aber abgesehen von der Mühsamkeit der Arbeit, würde bei gegliederten Gegenständen das Auflegen einer Schicht die Verhältnisse total verändern. Indessen brauchen sich die Fälscher damit garnicht zu Plagen, denn um den Unterschied in den Dimensionen zu konstcttiren, müßte man Vorbild und Nach¬ bildung nebeneinander haben, was nicht leicht vorkommen wird. Daher werden Reliefs, Büsten, Vasen u. s. w. immer verjüngt abgeformt. Und der Händler, welcher an den Maler Timbal ein Terraeottarelief der Jungfrau mit dem Kinde von Ghiberti um hundert Lire verkauft hatte und es zurücknehmen sollte, als der Käufer es als Abformung erkannt hatte, durfte die treffende Antwort geben: „Wäre meine Terrcieotta das Original von Ghiberti, so würde sie 3000 Lire wert sein, Sie würden sie behalten haben, und ich hätte ein sehr schlechtes Ge¬ schäft gemacht. Was sie wert ist, haben Sie gezahlt, behalten Sie die Terrci¬ eotta, ich behalte die hundert Lire." Deal die Neigung, zu übervorteilen, ist ans feiten der Käufer gewiß nicht seltener als auf der andern. Das ergiebt sich auch aus der Geschichte der Büste des Benivieni, welche der Bildhauer Basticmini in Florenz für 350 Lire gemacht hatte und welche für 13600 Franks Eigentum des Louvre wurde. Den ganzen weitläufigen Handel, den lebhaften Zeituugskrieg, der sich zwischen Frankreich und Italien über die Echtheit ent¬ spann u. s. w., können wir an diesem Orte nicht verfolgen, so interessant er auch ist. Nur das sei noch erwähnt, daß die Büste gegenwärtig nicht mehr als Werk des Quattrocento bezeichnet wird, und daß das schlechteste Geschäft der Künstler gemacht hatte. Auch ein Savonarola und andre Werke seiner Hand haben lange für Renaissance-Arbeiten gegolten und sind mit Tausenden bezahlt worden, während er selbst nur Hunderte empfing.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/614>, abgerufen am 27.06.2024.