Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Vie Künste der Fälscher. Seitdem haben die Besitzer von französischem Silbergeschirr dessen Wert Das große Feld der Keramik erweist sich als äußerst fruchtbar für emsige Vie Künste der Fälscher. Seitdem haben die Besitzer von französischem Silbergeschirr dessen Wert Das große Feld der Keramik erweist sich als äußerst fruchtbar für emsige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156884"/> <fw type="header" place="top"> Vie Künste der Fälscher.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2811"> Seitdem haben die Besitzer von französischem Silbergeschirr dessen Wert<lb/> kennen gelernt, der umso großer ist, da die Kriege im siebzehnten und acht¬<lb/> zehnten Jahrhundert, die patriotischen Opfergaben zu Beginn der großen Revo¬<lb/> lution, die Plünderungen während derselben, die Umarbeitungen unter der Re¬<lb/> stauration und die Schmelztiegel im Jahre 1848 wenig Altes übrig gelassen<lb/> haben. Selbstverständlich helfen die Fälscher dem Mangel ab, und wenn sie<lb/> Gefäße im Stil früherer Perioden machen, vergessen sie auch nicht die ver¬<lb/> schiedenen Beschauzeichen, welche die Echtheit zu verbürgen scheinen. Dabei<lb/> laufen denn allerdings Irrtümer mit unter, die den Kenner warnen, Zusammen¬<lb/> stellung von Stempeln, welche verschiedenen Zeiten angehören, Weglassung eines<lb/> oder des andern Stempels, den der Fälscher nicht für notwendig gehalten hat<lb/> u. f. w. Ob ein Gegenstand einfach durch Abformung eines alten gewonnen<lb/> worden ist, läßt sich insbesondre an den Beschauzeichen wahrnehmen, welche nie<lb/> die Schärfe des Umrisses haben, wie die mit Punze und Hammer in das Metall<lb/> geschlagenen. In England soll eine eigne Industrie schwungvoll betrieben werden:<lb/> das Anlöthen von Silberstückcn mit echten Beschauzeichen, die von einscichen<lb/> Gefäßen herrühren, an kostbarere neue.</p><lb/> <p xml:id="ID_2812" next="#ID_2813"> Das große Feld der Keramik erweist sich als äußerst fruchtbar für emsige<lb/> Fälscherarbeit. Wir haben mit angesehen, in welcher unübersehbaren Menge<lb/> tcmagrüische Terracottafigürchen Plötzlich auf dem Kunstmarkte auftauchten, als<lb/> kaum die ersten dieser reizenden Arbeiten im Westen bekannt geworden waren.<lb/> Es schien, daß man in Böotien nur die Ackerkrume abzuheben brauche, um auf<lb/> ein Lager zu stoßen. „Aber wo sind die Künstler, welche imstande wären, sich<lb/> in das gänzlich neue Genre augenblicklich derart hineinzuarbeiten?" fragten die<lb/> Vertrauensvollen die Zweifler. „Und würden nicht, falls wir es mit moderner<lb/> Fabrikation zu thun hätten, dieselben Figuren mehrmals vorkommen, während<lb/> niemals zwei ganz übereinstimmen?" Nun, daß die Gegenwart solche Künstler<lb/> besitzt, wurde offenbar, als man in Athen ein ganzes Lager entdeckte, aber nicht<lb/> an einer Gräberstraße, sondern in dem Keller eines Kunsthändlers, wo die<lb/> Pseudo-Tanagrüerinnen schleunigst altern sollten, und wenn man Gelegenheit<lb/> hatte, ganze Regimenter von Figürchen Revue Passiren zu lassen, wie auf der<lb/> Pariser Ausstellung von 1878, ergab sich auch, daß die Virtuosität der Fälscher<lb/> nicht immer so bewundernswert war. Und die Preise hatten rasch eine solche<lb/> Höhe erreicht, daß die Mühe, immer neue Modelle zu macheu, reichlich belohnt<lb/> wurde. Man darf sich nicht wundern, daß manche Leute glauben, die Terra-<lb/> cvttcn von Tanagra durch die Bank seien im heutigen Athen gemacht und in<lb/> Böotien eingegraben worden, wie die berüchtigten Gefäße in Moab oder die<lb/> Scarabäen, welche Reisende unter Anleitung arabischer Führer in Ägypten eigen¬<lb/> händig ausgraben dürfen. Auf jeden Fall versorgt nicht mehr Griechenland<lb/> allein die Liebhaber von jungen Griechinnen mit spitzem Hut oder mit einem<lb/> Blumenkranz u. s. w., nach Eudels Versicherung werden sie in Frankreich aus</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Vie Künste der Fälscher.
Seitdem haben die Besitzer von französischem Silbergeschirr dessen Wert
kennen gelernt, der umso großer ist, da die Kriege im siebzehnten und acht¬
zehnten Jahrhundert, die patriotischen Opfergaben zu Beginn der großen Revo¬
lution, die Plünderungen während derselben, die Umarbeitungen unter der Re¬
stauration und die Schmelztiegel im Jahre 1848 wenig Altes übrig gelassen
haben. Selbstverständlich helfen die Fälscher dem Mangel ab, und wenn sie
Gefäße im Stil früherer Perioden machen, vergessen sie auch nicht die ver¬
schiedenen Beschauzeichen, welche die Echtheit zu verbürgen scheinen. Dabei
laufen denn allerdings Irrtümer mit unter, die den Kenner warnen, Zusammen¬
stellung von Stempeln, welche verschiedenen Zeiten angehören, Weglassung eines
oder des andern Stempels, den der Fälscher nicht für notwendig gehalten hat
u. f. w. Ob ein Gegenstand einfach durch Abformung eines alten gewonnen
worden ist, läßt sich insbesondre an den Beschauzeichen wahrnehmen, welche nie
die Schärfe des Umrisses haben, wie die mit Punze und Hammer in das Metall
geschlagenen. In England soll eine eigne Industrie schwungvoll betrieben werden:
das Anlöthen von Silberstückcn mit echten Beschauzeichen, die von einscichen
Gefäßen herrühren, an kostbarere neue.
Das große Feld der Keramik erweist sich als äußerst fruchtbar für emsige
Fälscherarbeit. Wir haben mit angesehen, in welcher unübersehbaren Menge
tcmagrüische Terracottafigürchen Plötzlich auf dem Kunstmarkte auftauchten, als
kaum die ersten dieser reizenden Arbeiten im Westen bekannt geworden waren.
Es schien, daß man in Böotien nur die Ackerkrume abzuheben brauche, um auf
ein Lager zu stoßen. „Aber wo sind die Künstler, welche imstande wären, sich
in das gänzlich neue Genre augenblicklich derart hineinzuarbeiten?" fragten die
Vertrauensvollen die Zweifler. „Und würden nicht, falls wir es mit moderner
Fabrikation zu thun hätten, dieselben Figuren mehrmals vorkommen, während
niemals zwei ganz übereinstimmen?" Nun, daß die Gegenwart solche Künstler
besitzt, wurde offenbar, als man in Athen ein ganzes Lager entdeckte, aber nicht
an einer Gräberstraße, sondern in dem Keller eines Kunsthändlers, wo die
Pseudo-Tanagrüerinnen schleunigst altern sollten, und wenn man Gelegenheit
hatte, ganze Regimenter von Figürchen Revue Passiren zu lassen, wie auf der
Pariser Ausstellung von 1878, ergab sich auch, daß die Virtuosität der Fälscher
nicht immer so bewundernswert war. Und die Preise hatten rasch eine solche
Höhe erreicht, daß die Mühe, immer neue Modelle zu macheu, reichlich belohnt
wurde. Man darf sich nicht wundern, daß manche Leute glauben, die Terra-
cvttcn von Tanagra durch die Bank seien im heutigen Athen gemacht und in
Böotien eingegraben worden, wie die berüchtigten Gefäße in Moab oder die
Scarabäen, welche Reisende unter Anleitung arabischer Führer in Ägypten eigen¬
händig ausgraben dürfen. Auf jeden Fall versorgt nicht mehr Griechenland
allein die Liebhaber von jungen Griechinnen mit spitzem Hut oder mit einem
Blumenkranz u. s. w., nach Eudels Versicherung werden sie in Frankreich aus
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