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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Uünste der Fälscher,

daß ein Antiquitätenhändler der Stadt ihnen an demselben Morgen das an¬
gebliche Fundstück überbracht habe mit dem Auftrage, es dem Museum für
dreihundert Franks anzutragen, von welchem Betrage sie vierzig Franks für
sich behalten sollten.

Garnier war seelenvergnügt, dem Fallstrick entgangen zu sein, hielt es aber,
nach Art vieler Sammler, nicht für seine Pflicht, zu verhindern, daß andre
hineingerieten. Er gab dem Arbeiter das Halsband zurück und schärfte ihm
ein, nichts von ihrem Gespräche zu verraten, sondern nur auszurichten, der
Bibliothekar könne das Stück nicht ankaufen, weil die Münzen sich schon im
Museum befänden.

Nach wenigen Tagen war in ganz Amiens von nichts anderen die Rede,
als von dem merkwürdigen Funde eines Halsbandes aus römischen Münzen,
und natürlich hörte bald auch der Grundeigentümer davon. Dieser zögerte
nicht, durch die Behörde seinen rechtlichen Anteil an dem Funde geltend zu
machen. Daran hatten die Arbeiter nicht gedacht, als sie sich in den Handel
einließen; erschrocken liefen sie mit dem amtlichen Schriftstück zu dem Händler,
klagten und drohten.

Doch der Antiquar war nicht so leicht einzuschüchtern. Er sah ein, daß
nur eine noch größere Unverschämtheit ihn aus der Verlegenheit ziehen könne,
nahm Halsband und Dekret zu sich und fuhr damit nach Paris zu Herrn de
Longperrier, Konservator am Antiken-Museum. Dieser damals noch junge, aber
schon sehr akkreditirte Gelehrte äußerte Zweifel gegen die Echtheit des Fundes.

"Nicht echt?" rief der Händler aus. "Es ist vor drei Tagen ausgegraben
worden, sehen Sie hier das Schriftstück, durch welches der Grundbesitzer gegen
die Arbeiter seinen Anspruch geltend macht."

Einem solchen Beweisstücke gegenüber ließ Atrien de Longperrier seine
Bedenken fallen und kaufte die Münzen. Sein Kollege von Amiens hat jedoch
nicht verfehlt, ihn gelegentlich über die Mystifikation aufzuklären.

Zur Abwechslung berichtet übrigens Endet auch einmal, daß er selbst sich
durch übertriebene Ängstlichkeit einen vorzüglichen Ankauf habe entgehen lassen,
und voll Wehmut gedenkt er dabei der Zeit, in welcher noch alte Silbersachen
mit geringem Aufschlag auf den Metallwert zu erwerben waren. Damals legte
Baron Pichon, Präsident der ass divlioxtiilss trMeMs, seine Samm¬
lung an, kaufte für 300 Franks einen schön ciselirten Krug aus der Zeit der
Regentschaft, welcher in der Versteigerung seiner Sachen bis auf 14 000 Franks
getrieben wurde, ferner 1853 große Leuchter, Kannen, Zuckerschalen u. dergl. in.,
das Gramm zu 20 Centimes. Eben damals wurden dem Verfasser zwei Leuchter
für 30 Franks über den Silberwert angeboten, welche so wohl erhalten waren,
daß er sie für neu hielt, während sie dieses Aussehen nur der sorgfältigen Auf¬
bewahrung unter einem Glassturz mit einem großen, der Oxydation entgegen¬
wirkenden Stück Kampher zu danken hatten. "Das waren biblische Zeiten!"


Die Uünste der Fälscher,

daß ein Antiquitätenhändler der Stadt ihnen an demselben Morgen das an¬
gebliche Fundstück überbracht habe mit dem Auftrage, es dem Museum für
dreihundert Franks anzutragen, von welchem Betrage sie vierzig Franks für
sich behalten sollten.

Garnier war seelenvergnügt, dem Fallstrick entgangen zu sein, hielt es aber,
nach Art vieler Sammler, nicht für seine Pflicht, zu verhindern, daß andre
hineingerieten. Er gab dem Arbeiter das Halsband zurück und schärfte ihm
ein, nichts von ihrem Gespräche zu verraten, sondern nur auszurichten, der
Bibliothekar könne das Stück nicht ankaufen, weil die Münzen sich schon im
Museum befänden.

Nach wenigen Tagen war in ganz Amiens von nichts anderen die Rede,
als von dem merkwürdigen Funde eines Halsbandes aus römischen Münzen,
und natürlich hörte bald auch der Grundeigentümer davon. Dieser zögerte
nicht, durch die Behörde seinen rechtlichen Anteil an dem Funde geltend zu
machen. Daran hatten die Arbeiter nicht gedacht, als sie sich in den Handel
einließen; erschrocken liefen sie mit dem amtlichen Schriftstück zu dem Händler,
klagten und drohten.

Doch der Antiquar war nicht so leicht einzuschüchtern. Er sah ein, daß
nur eine noch größere Unverschämtheit ihn aus der Verlegenheit ziehen könne,
nahm Halsband und Dekret zu sich und fuhr damit nach Paris zu Herrn de
Longperrier, Konservator am Antiken-Museum. Dieser damals noch junge, aber
schon sehr akkreditirte Gelehrte äußerte Zweifel gegen die Echtheit des Fundes.

„Nicht echt?" rief der Händler aus. „Es ist vor drei Tagen ausgegraben
worden, sehen Sie hier das Schriftstück, durch welches der Grundbesitzer gegen
die Arbeiter seinen Anspruch geltend macht."

Einem solchen Beweisstücke gegenüber ließ Atrien de Longperrier seine
Bedenken fallen und kaufte die Münzen. Sein Kollege von Amiens hat jedoch
nicht verfehlt, ihn gelegentlich über die Mystifikation aufzuklären.

Zur Abwechslung berichtet übrigens Endet auch einmal, daß er selbst sich
durch übertriebene Ängstlichkeit einen vorzüglichen Ankauf habe entgehen lassen,
und voll Wehmut gedenkt er dabei der Zeit, in welcher noch alte Silbersachen
mit geringem Aufschlag auf den Metallwert zu erwerben waren. Damals legte
Baron Pichon, Präsident der ass divlioxtiilss trMeMs, seine Samm¬
lung an, kaufte für 300 Franks einen schön ciselirten Krug aus der Zeit der
Regentschaft, welcher in der Versteigerung seiner Sachen bis auf 14 000 Franks
getrieben wurde, ferner 1853 große Leuchter, Kannen, Zuckerschalen u. dergl. in.,
das Gramm zu 20 Centimes. Eben damals wurden dem Verfasser zwei Leuchter
für 30 Franks über den Silberwert angeboten, welche so wohl erhalten waren,
daß er sie für neu hielt, während sie dieses Aussehen nur der sorgfältigen Auf¬
bewahrung unter einem Glassturz mit einem großen, der Oxydation entgegen¬
wirkenden Stück Kampher zu danken hatten. „Das waren biblische Zeiten!"


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[0612] Die Uünste der Fälscher, daß ein Antiquitätenhändler der Stadt ihnen an demselben Morgen das an¬ gebliche Fundstück überbracht habe mit dem Auftrage, es dem Museum für dreihundert Franks anzutragen, von welchem Betrage sie vierzig Franks für sich behalten sollten. Garnier war seelenvergnügt, dem Fallstrick entgangen zu sein, hielt es aber, nach Art vieler Sammler, nicht für seine Pflicht, zu verhindern, daß andre hineingerieten. Er gab dem Arbeiter das Halsband zurück und schärfte ihm ein, nichts von ihrem Gespräche zu verraten, sondern nur auszurichten, der Bibliothekar könne das Stück nicht ankaufen, weil die Münzen sich schon im Museum befänden. Nach wenigen Tagen war in ganz Amiens von nichts anderen die Rede, als von dem merkwürdigen Funde eines Halsbandes aus römischen Münzen, und natürlich hörte bald auch der Grundeigentümer davon. Dieser zögerte nicht, durch die Behörde seinen rechtlichen Anteil an dem Funde geltend zu machen. Daran hatten die Arbeiter nicht gedacht, als sie sich in den Handel einließen; erschrocken liefen sie mit dem amtlichen Schriftstück zu dem Händler, klagten und drohten. Doch der Antiquar war nicht so leicht einzuschüchtern. Er sah ein, daß nur eine noch größere Unverschämtheit ihn aus der Verlegenheit ziehen könne, nahm Halsband und Dekret zu sich und fuhr damit nach Paris zu Herrn de Longperrier, Konservator am Antiken-Museum. Dieser damals noch junge, aber schon sehr akkreditirte Gelehrte äußerte Zweifel gegen die Echtheit des Fundes. „Nicht echt?" rief der Händler aus. „Es ist vor drei Tagen ausgegraben worden, sehen Sie hier das Schriftstück, durch welches der Grundbesitzer gegen die Arbeiter seinen Anspruch geltend macht." Einem solchen Beweisstücke gegenüber ließ Atrien de Longperrier seine Bedenken fallen und kaufte die Münzen. Sein Kollege von Amiens hat jedoch nicht verfehlt, ihn gelegentlich über die Mystifikation aufzuklären. Zur Abwechslung berichtet übrigens Endet auch einmal, daß er selbst sich durch übertriebene Ängstlichkeit einen vorzüglichen Ankauf habe entgehen lassen, und voll Wehmut gedenkt er dabei der Zeit, in welcher noch alte Silbersachen mit geringem Aufschlag auf den Metallwert zu erwerben waren. Damals legte Baron Pichon, Präsident der ass divlioxtiilss trMeMs, seine Samm¬ lung an, kaufte für 300 Franks einen schön ciselirten Krug aus der Zeit der Regentschaft, welcher in der Versteigerung seiner Sachen bis auf 14 000 Franks getrieben wurde, ferner 1853 große Leuchter, Kannen, Zuckerschalen u. dergl. in., das Gramm zu 20 Centimes. Eben damals wurden dem Verfasser zwei Leuchter für 30 Franks über den Silberwert angeboten, welche so wohl erhalten waren, daß er sie für neu hielt, während sie dieses Aussehen nur der sorgfältigen Auf¬ bewahrung unter einem Glassturz mit einem großen, der Oxydation entgegen¬ wirkenden Stück Kampher zu danken hatten. „Das waren biblische Zeiten!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/612>, abgerufen am 28.09.2024.