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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

empfehlen würde. Das keramische Museum der Porzellanfabrik zu Sevres
besitzt in seiner entsprechenden Sammlung ein unschätzbares Lehrmaterial.

Die am häufigsten angewandten Künste bei der Herstellung falscher Münzen
und Medaillen sind: die Erfindung von Stücken, angeblich von Regenten ze.
geschlagen, aus deren Zeit keine echten bekannt sind; das Nacharbeiten ab¬
gegriffener Bronzemünzen und Maskiren der Werkzeugspuren vermittelst
künstlicher Palma; das Anbringen neuer Buchstaben oder Bilder auf echten
Münzen, wodurch neue Varietäten entstehe,?; das Zerschneiden zweier echten
Münzen und wechselseitiges Znsammenlöten der Averse und Reverse, sodaß z. B.
ein Trajanskopf ein Hadriansemblem erhält und umgekehrt; das Abgießen von
Bronzemedaillen und Verschmieren der Gußspuren mit Mastix und künstlicher
Palma; das Vervielfältigen von Renaisfcmcemedaillen mittelst der Galvanoplastik,
deren allbekannte Kennzeichen durch altgemachte Vergoldung oder Firnis verdeckt
werden n. s. w.

Um sich gegen solche Künste zu schützen, muß man beachten, daß gegossene
Münzen im Altertum nur bei Galliern vorkommen, das Gußverfahren aber
stets sehr kenntliche Spuren zurückläßt. Die Thonform giebt dem ganzen Stücke
etwas plumpes, eine etwas rauhe, oft poröse Oberfläche, weniger scharfes und
feines Relief; die Winkel und Rundungen der Buchstaben werden leicht vom
Gußmetall ausgefüllt; da, wo die beiden Formen am Rande zusammenstoßen,
bleibt stets eine Gußnaht stehen, welche wcggefeilt werden muß, und die Feilen¬
striche bleiben immer sichtbar; die gegossene Medaille oder Münze hat weniger
Dichtigkeit des Metalls und ist daher leichter als die entsprechende geprägte.

Zur Unterscheidung falscher von echten geprägten Münzen bedarf es
genauerer Prüfung. Die jetzt gebräuchlichen Stcchlftempel nutzen sich nicht so
ab, wie die aus einer Legirung von Kupfer und Zinn bestehenden der Alten.
Auf die Schrift verwenden die Fälscher selten ausreichende Sorgfalt, sodaß die
Buchstaben nicht genau den Charakter der angegebenen Periode haben, zu fett
oder zu mager ausgefallen sind. Alte Münzen sind immer ein wenig konkav,
gegen den Rand hin aufsteigend, die neuen völlig flach. Endlich ist glücklicher¬
weise noch keine künstliche Palma erfunden worden, welche nicht etwas erdiges
Ansehen hätte und sich nicht in heißem Wasser auflöste, während die echte
metallisch und hart ist und jener Probe widersteht.

Auch in diesem Kapitel erhalten wir eine hübsche wahre Geschichte. Zur
Zeit der Nationalwerkstätten, also 1848, brachten Erdarbeiter dem Bibliothekar
der Stadt Amiens, Garnier, ein aus römischen Münzen zusammengestelltes
Halsband, welches sie gesunden haben wollten und für dreihundert Franks zum
Kauf anboten. Ihr Benehmen flößte Garnier Mißtrauen ein, er gab vor, das
Halsband genauer untersuchen zu müssen, und hielt unter irgendeinem Vorwand
einen von den Arbeitern, der ihm persönlich bekannt war, zurück. Dem gab er
unter vier Augen zu trinken und entlockte ihm nach und nach das Bekenntnis,


Die Künste der Fälscher.

empfehlen würde. Das keramische Museum der Porzellanfabrik zu Sevres
besitzt in seiner entsprechenden Sammlung ein unschätzbares Lehrmaterial.

Die am häufigsten angewandten Künste bei der Herstellung falscher Münzen
und Medaillen sind: die Erfindung von Stücken, angeblich von Regenten ze.
geschlagen, aus deren Zeit keine echten bekannt sind; das Nacharbeiten ab¬
gegriffener Bronzemünzen und Maskiren der Werkzeugspuren vermittelst
künstlicher Palma; das Anbringen neuer Buchstaben oder Bilder auf echten
Münzen, wodurch neue Varietäten entstehe,?; das Zerschneiden zweier echten
Münzen und wechselseitiges Znsammenlöten der Averse und Reverse, sodaß z. B.
ein Trajanskopf ein Hadriansemblem erhält und umgekehrt; das Abgießen von
Bronzemedaillen und Verschmieren der Gußspuren mit Mastix und künstlicher
Palma; das Vervielfältigen von Renaisfcmcemedaillen mittelst der Galvanoplastik,
deren allbekannte Kennzeichen durch altgemachte Vergoldung oder Firnis verdeckt
werden n. s. w.

Um sich gegen solche Künste zu schützen, muß man beachten, daß gegossene
Münzen im Altertum nur bei Galliern vorkommen, das Gußverfahren aber
stets sehr kenntliche Spuren zurückläßt. Die Thonform giebt dem ganzen Stücke
etwas plumpes, eine etwas rauhe, oft poröse Oberfläche, weniger scharfes und
feines Relief; die Winkel und Rundungen der Buchstaben werden leicht vom
Gußmetall ausgefüllt; da, wo die beiden Formen am Rande zusammenstoßen,
bleibt stets eine Gußnaht stehen, welche wcggefeilt werden muß, und die Feilen¬
striche bleiben immer sichtbar; die gegossene Medaille oder Münze hat weniger
Dichtigkeit des Metalls und ist daher leichter als die entsprechende geprägte.

Zur Unterscheidung falscher von echten geprägten Münzen bedarf es
genauerer Prüfung. Die jetzt gebräuchlichen Stcchlftempel nutzen sich nicht so
ab, wie die aus einer Legirung von Kupfer und Zinn bestehenden der Alten.
Auf die Schrift verwenden die Fälscher selten ausreichende Sorgfalt, sodaß die
Buchstaben nicht genau den Charakter der angegebenen Periode haben, zu fett
oder zu mager ausgefallen sind. Alte Münzen sind immer ein wenig konkav,
gegen den Rand hin aufsteigend, die neuen völlig flach. Endlich ist glücklicher¬
weise noch keine künstliche Palma erfunden worden, welche nicht etwas erdiges
Ansehen hätte und sich nicht in heißem Wasser auflöste, während die echte
metallisch und hart ist und jener Probe widersteht.

Auch in diesem Kapitel erhalten wir eine hübsche wahre Geschichte. Zur
Zeit der Nationalwerkstätten, also 1848, brachten Erdarbeiter dem Bibliothekar
der Stadt Amiens, Garnier, ein aus römischen Münzen zusammengestelltes
Halsband, welches sie gesunden haben wollten und für dreihundert Franks zum
Kauf anboten. Ihr Benehmen flößte Garnier Mißtrauen ein, er gab vor, das
Halsband genauer untersuchen zu müssen, und hielt unter irgendeinem Vorwand
einen von den Arbeitern, der ihm persönlich bekannt war, zurück. Dem gab er
unter vier Augen zu trinken und entlockte ihm nach und nach das Bekenntnis,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/611>, abgerufen am 27.06.2024.