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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Das mündliche Verfahren im Zivilprozoß.

besondre, als Anlagen beizufügende Schriftsätze in das Protokoll aufgenommen.
Ist eine wesentliche Erklärung einer Partei in den vorbereitenden Schriftsätzen
uicht enthalten, der Antrag auf deren Aufnahme in das Protokoll von der
Partei nicht gestellt worden und dieselbe schließlich im Thatbestande weggeblieben,
so steht zwar der Partei der Antrag auf Berichtigung des Thatbestandes zu,
dieser Antrag kann aber nur dann von Erfolg sein, wenn sich das Gericht er¬
innert, daß die betreffende Erklärung von der Partei in der That bei der
mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist. Erinnert sich das Gericht
dieser Thatsache nicht -- und es ist ja bei umfangreichen Rechtssachen der Fall
nicht unmöglich, daß eine vielleicht mit wenigen Worten abgegebene Erklärung
nicht die erforderliche Beachtung gefunden hat --, so ist die betreffende Er¬
klärung für die Partei in der Instanz verloren, denn eine Anfechtung des den
Berichtigungsantrag ablehnenden Beschlusses findet nicht statt. Erinnert sich
das Gericht aber auch wirklich der erfolgten Angabe der betreffenden Erklärung
durch die Partei und wird demgemäß dem Berichtigungsantrage stattgegeben,
so hat selbst in dem Falle, daß die betreffende Erklärung eine Änderung der
Entscheidung herbeiführen müßte, die Berichtigung des Thatbestandes eine
Änderung des übrigen Inhalts des Urteils nicht zur Folge, dasselbe bleibt
vielmehr auch bei augenscheinlicher Unrichtigkeit der Entscheidung bestehen und
kann von der erst mit der Verkündung des Urteils von der Weglassung der
fraglichen Erklärung überhaupt Kenntnis erlangenden Partei nur durch ein an
die höhere Instanz devolvirendes Rechtsmittel angefochten werden. Die Partei
hat also im besten Falle, d. h. wenn in der höheren Instanz auch zu ihren
Gunsten entschieden wird, eine Instanz zu ihrem Nachteile verloren.

Es leuchtet ein, daß es von höchstem Interesse für die Parteien ist, alles
das in den vom Richter anzufertigenden Thatbestand aufgenommen zu wissen,
was sie zur Begründung ihrer Ansprüche vorzubringen haben, und daß es
demgemäß im eigensten Interesse der Parteien liegt, alles Material, welches sie
zu ihren Gunsten verwerten zu können glauben, vollständig und rechtzeitig dem
Richter zur Kenntnis zu bringen. Dies kann aber nicht erst durch den
mündlichen Vortrag im Verhandlungsternline bewirkt werden, wo bei der
Naschheit der Verhandlung die Gefahr des Übersehens zu nahe liegt, sondern
es muß in den vorbereitenden Schriftsätzen geschehen, welche einerseits eine
Bürgschaft dafür bieten, daß die Parteien selbst ihre Sache vor Einleitung des
Verfahrens genügend geprüft und vorbereitet haben, andrerseits durch die Auf¬
nahme des gesamten Materials Schutz gegen etwaige Nichtbeachtung eines
Vordringens gewähren, indem der Richter an der Hand der vorbereitenden
Schriftsätze den mündlichen Vortrag der Parteien zu kontroliren in der Lage
und dieselben über etwaige Abweichungen oder Weglassnngen zu hören veranlaßt
^' ^6 erschwert oder unmöglich gemacht wird, wenn er seine Zeit und
Kraft dem Nachschreiben widmen soll.


Das mündliche Verfahren im Zivilprozoß.

besondre, als Anlagen beizufügende Schriftsätze in das Protokoll aufgenommen.
Ist eine wesentliche Erklärung einer Partei in den vorbereitenden Schriftsätzen
uicht enthalten, der Antrag auf deren Aufnahme in das Protokoll von der
Partei nicht gestellt worden und dieselbe schließlich im Thatbestande weggeblieben,
so steht zwar der Partei der Antrag auf Berichtigung des Thatbestandes zu,
dieser Antrag kann aber nur dann von Erfolg sein, wenn sich das Gericht er¬
innert, daß die betreffende Erklärung von der Partei in der That bei der
mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist. Erinnert sich das Gericht
dieser Thatsache nicht — und es ist ja bei umfangreichen Rechtssachen der Fall
nicht unmöglich, daß eine vielleicht mit wenigen Worten abgegebene Erklärung
nicht die erforderliche Beachtung gefunden hat —, so ist die betreffende Er¬
klärung für die Partei in der Instanz verloren, denn eine Anfechtung des den
Berichtigungsantrag ablehnenden Beschlusses findet nicht statt. Erinnert sich
das Gericht aber auch wirklich der erfolgten Angabe der betreffenden Erklärung
durch die Partei und wird demgemäß dem Berichtigungsantrage stattgegeben,
so hat selbst in dem Falle, daß die betreffende Erklärung eine Änderung der
Entscheidung herbeiführen müßte, die Berichtigung des Thatbestandes eine
Änderung des übrigen Inhalts des Urteils nicht zur Folge, dasselbe bleibt
vielmehr auch bei augenscheinlicher Unrichtigkeit der Entscheidung bestehen und
kann von der erst mit der Verkündung des Urteils von der Weglassung der
fraglichen Erklärung überhaupt Kenntnis erlangenden Partei nur durch ein an
die höhere Instanz devolvirendes Rechtsmittel angefochten werden. Die Partei
hat also im besten Falle, d. h. wenn in der höheren Instanz auch zu ihren
Gunsten entschieden wird, eine Instanz zu ihrem Nachteile verloren.

Es leuchtet ein, daß es von höchstem Interesse für die Parteien ist, alles
das in den vom Richter anzufertigenden Thatbestand aufgenommen zu wissen,
was sie zur Begründung ihrer Ansprüche vorzubringen haben, und daß es
demgemäß im eigensten Interesse der Parteien liegt, alles Material, welches sie
zu ihren Gunsten verwerten zu können glauben, vollständig und rechtzeitig dem
Richter zur Kenntnis zu bringen. Dies kann aber nicht erst durch den
mündlichen Vortrag im Verhandlungsternline bewirkt werden, wo bei der
Naschheit der Verhandlung die Gefahr des Übersehens zu nahe liegt, sondern
es muß in den vorbereitenden Schriftsätzen geschehen, welche einerseits eine
Bürgschaft dafür bieten, daß die Parteien selbst ihre Sache vor Einleitung des
Verfahrens genügend geprüft und vorbereitet haben, andrerseits durch die Auf¬
nahme des gesamten Materials Schutz gegen etwaige Nichtbeachtung eines
Vordringens gewähren, indem der Richter an der Hand der vorbereitenden
Schriftsätze den mündlichen Vortrag der Parteien zu kontroliren in der Lage
und dieselben über etwaige Abweichungen oder Weglassnngen zu hören veranlaßt
^' ^6 erschwert oder unmöglich gemacht wird, wenn er seine Zeit und
Kraft dem Nachschreiben widmen soll.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/599>, abgerufen am 27.09.2024.