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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngel auf Lrden.

Der Himmel wurde immer klarer. Eine frische Bergluft hatte die Wolken
verjagt, und die ganze Landschaft, vom nächtlichen Regen erquickt, trug ein
frühliugsfrisches, das Herz erfreuendes Antlitz. Die Vögel begannen lustiger
und übermütiger als je ihr Morgenkonzert.

Als der Doktor und Paul bis zur Straßenbieguug gelangt waren, sagte
ersterer: Mein Bester, wir dürfen uns nicht zu weit entfernen. Man sieht
schon die Morgenröte, die verabredete Stunde ist sehr nahe.

Aber Moschillo! antwortete Paul, der die Straße hinabblickte, ich bin
wirklich seinetwegen besorgt.

Ach was! Wer weiß, was in ihn gefahren ist. Jedenfalls ist er so
schnell gelaufen, daß er meilenweit entfernt ist. Laß uns umkehren, denn De-
vannis wird gleich da sein, und den Hund werden wir ohne Zweifel bald wieder
ankommen sehen.

Paul wandte sich, um den Drängen seines Schwagers zu folgen. Da
sahen sie vou dem Dorfe her einen Reiter in gestrecktem Galopp auf sich zu-
jagen.

Cerci erkannte sofort die hohe Gestalt und den dichten Bart Josefs, und
Paul sah, daß der Renner, welchen er ritt, der Goodly der Gräfin Beldoni war,
und daß der Reiter auf deren Damensattel saß.

Devannis flog, ohne anzuhalten, wie eine Vision bei ihnen vorbei.

Devannis!

Josef! schrien Cerci und Amardi zu gleicher Zeit.

Aber er rief ihnen beim Vorbeipassiren nur die Worte zu: Macht es ohne
mich ab. Ich habe etwas, was noch mehr pressirt. Lebwvhl, Paul, lebwohl!

Die beiden Schwäger sahen sich erstaunt an.

Was bedeutet das? fragte Paul. Warum diesen tollen Ritt auf dem
Pferde der Gräfin? Was mag vorgefallen sein?

Ehe ihm der Doktor antworten konnte, hörten, sie von neuem den Galopp
des Pferdes auf sich zukommen. Devannis kam in derselben Wut zurückgesprengt
und brachte in Rufweite sein Roß für einen Augenblick zum Stehen.

Beeile Euch, schrie er ihnen zu. Zweihundert Schritte von hier liegt Mos¬
chillo auf der Erde ausgestreckt in einer Lache von Blut.

Moschillo? rief Paul erschrocken. Tot? Aber wie geht das zu?

Aber Josef war mit seinem Pferde schon wieder wie ein Pfeil ver¬
schwunden.

Paul und der Doktor eilten die Straße hinab und fanden in der an¬
gegebenen Entfernung den armen Hund in seinem Blute liegen. Paul bückte
sich, um ihn aufzuheben. Die Kugel war ihm durch den Kopf gegangen; er
war noch warm, das Blut floß aus der Wunde, aber er war tot.

Tot! Tot! Mein armer Hund! rief Paul mit tiefem Schmerze. O, was
würde ich darum geben, wenn er noch am Leben wäre!

Und er schämte sich der beiden Thränen nicht, die ihm die Wangen hinab¬
rollten.

Wüßte ich es, wer der Schurke ist, der ihn gemordet hat!

Plötzlich erinnerte er sich des Akrobaten, gegen welchen Moschillo soviel
Feindseligkeit an den Tag gelegt hatte, und welcher, wie Josef behauptete, der
Abenteurer Mondejo sein sollte.

Er ist es, der ihn ermordet hat. Er und kein andrer. Ha! Wenn ich
ihn faßte!


Die Lngel auf Lrden.

Der Himmel wurde immer klarer. Eine frische Bergluft hatte die Wolken
verjagt, und die ganze Landschaft, vom nächtlichen Regen erquickt, trug ein
frühliugsfrisches, das Herz erfreuendes Antlitz. Die Vögel begannen lustiger
und übermütiger als je ihr Morgenkonzert.

Als der Doktor und Paul bis zur Straßenbieguug gelangt waren, sagte
ersterer: Mein Bester, wir dürfen uns nicht zu weit entfernen. Man sieht
schon die Morgenröte, die verabredete Stunde ist sehr nahe.

Aber Moschillo! antwortete Paul, der die Straße hinabblickte, ich bin
wirklich seinetwegen besorgt.

Ach was! Wer weiß, was in ihn gefahren ist. Jedenfalls ist er so
schnell gelaufen, daß er meilenweit entfernt ist. Laß uns umkehren, denn De-
vannis wird gleich da sein, und den Hund werden wir ohne Zweifel bald wieder
ankommen sehen.

Paul wandte sich, um den Drängen seines Schwagers zu folgen. Da
sahen sie vou dem Dorfe her einen Reiter in gestrecktem Galopp auf sich zu-
jagen.

Cerci erkannte sofort die hohe Gestalt und den dichten Bart Josefs, und
Paul sah, daß der Renner, welchen er ritt, der Goodly der Gräfin Beldoni war,
und daß der Reiter auf deren Damensattel saß.

Devannis flog, ohne anzuhalten, wie eine Vision bei ihnen vorbei.

Devannis!

Josef! schrien Cerci und Amardi zu gleicher Zeit.

Aber er rief ihnen beim Vorbeipassiren nur die Worte zu: Macht es ohne
mich ab. Ich habe etwas, was noch mehr pressirt. Lebwvhl, Paul, lebwohl!

Die beiden Schwäger sahen sich erstaunt an.

Was bedeutet das? fragte Paul. Warum diesen tollen Ritt auf dem
Pferde der Gräfin? Was mag vorgefallen sein?

Ehe ihm der Doktor antworten konnte, hörten, sie von neuem den Galopp
des Pferdes auf sich zukommen. Devannis kam in derselben Wut zurückgesprengt
und brachte in Rufweite sein Roß für einen Augenblick zum Stehen.

Beeile Euch, schrie er ihnen zu. Zweihundert Schritte von hier liegt Mos¬
chillo auf der Erde ausgestreckt in einer Lache von Blut.

Moschillo? rief Paul erschrocken. Tot? Aber wie geht das zu?

Aber Josef war mit seinem Pferde schon wieder wie ein Pfeil ver¬
schwunden.

Paul und der Doktor eilten die Straße hinab und fanden in der an¬
gegebenen Entfernung den armen Hund in seinem Blute liegen. Paul bückte
sich, um ihn aufzuheben. Die Kugel war ihm durch den Kopf gegangen; er
war noch warm, das Blut floß aus der Wunde, aber er war tot.

Tot! Tot! Mein armer Hund! rief Paul mit tiefem Schmerze. O, was
würde ich darum geben, wenn er noch am Leben wäre!

Und er schämte sich der beiden Thränen nicht, die ihm die Wangen hinab¬
rollten.

Wüßte ich es, wer der Schurke ist, der ihn gemordet hat!

Plötzlich erinnerte er sich des Akrobaten, gegen welchen Moschillo soviel
Feindseligkeit an den Tag gelegt hatte, und welcher, wie Josef behauptete, der
Abenteurer Mondejo sein sollte.

Er ist es, der ihn ermordet hat. Er und kein andrer. Ha! Wenn ich
ihn faßte!


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[0586] Die Lngel auf Lrden. Der Himmel wurde immer klarer. Eine frische Bergluft hatte die Wolken verjagt, und die ganze Landschaft, vom nächtlichen Regen erquickt, trug ein frühliugsfrisches, das Herz erfreuendes Antlitz. Die Vögel begannen lustiger und übermütiger als je ihr Morgenkonzert. Als der Doktor und Paul bis zur Straßenbieguug gelangt waren, sagte ersterer: Mein Bester, wir dürfen uns nicht zu weit entfernen. Man sieht schon die Morgenröte, die verabredete Stunde ist sehr nahe. Aber Moschillo! antwortete Paul, der die Straße hinabblickte, ich bin wirklich seinetwegen besorgt. Ach was! Wer weiß, was in ihn gefahren ist. Jedenfalls ist er so schnell gelaufen, daß er meilenweit entfernt ist. Laß uns umkehren, denn De- vannis wird gleich da sein, und den Hund werden wir ohne Zweifel bald wieder ankommen sehen. Paul wandte sich, um den Drängen seines Schwagers zu folgen. Da sahen sie vou dem Dorfe her einen Reiter in gestrecktem Galopp auf sich zu- jagen. Cerci erkannte sofort die hohe Gestalt und den dichten Bart Josefs, und Paul sah, daß der Renner, welchen er ritt, der Goodly der Gräfin Beldoni war, und daß der Reiter auf deren Damensattel saß. Devannis flog, ohne anzuhalten, wie eine Vision bei ihnen vorbei. Devannis! Josef! schrien Cerci und Amardi zu gleicher Zeit. Aber er rief ihnen beim Vorbeipassiren nur die Worte zu: Macht es ohne mich ab. Ich habe etwas, was noch mehr pressirt. Lebwvhl, Paul, lebwohl! Die beiden Schwäger sahen sich erstaunt an. Was bedeutet das? fragte Paul. Warum diesen tollen Ritt auf dem Pferde der Gräfin? Was mag vorgefallen sein? Ehe ihm der Doktor antworten konnte, hörten, sie von neuem den Galopp des Pferdes auf sich zukommen. Devannis kam in derselben Wut zurückgesprengt und brachte in Rufweite sein Roß für einen Augenblick zum Stehen. Beeile Euch, schrie er ihnen zu. Zweihundert Schritte von hier liegt Mos¬ chillo auf der Erde ausgestreckt in einer Lache von Blut. Moschillo? rief Paul erschrocken. Tot? Aber wie geht das zu? Aber Josef war mit seinem Pferde schon wieder wie ein Pfeil ver¬ schwunden. Paul und der Doktor eilten die Straße hinab und fanden in der an¬ gegebenen Entfernung den armen Hund in seinem Blute liegen. Paul bückte sich, um ihn aufzuheben. Die Kugel war ihm durch den Kopf gegangen; er war noch warm, das Blut floß aus der Wunde, aber er war tot. Tot! Tot! Mein armer Hund! rief Paul mit tiefem Schmerze. O, was würde ich darum geben, wenn er noch am Leben wäre! Und er schämte sich der beiden Thränen nicht, die ihm die Wangen hinab¬ rollten. Wüßte ich es, wer der Schurke ist, der ihn gemordet hat! Plötzlich erinnerte er sich des Akrobaten, gegen welchen Moschillo soviel Feindseligkeit an den Tag gelegt hatte, und welcher, wie Josef behauptete, der Abenteurer Mondejo sein sollte. Er ist es, der ihn ermordet hat. Er und kein andrer. Ha! Wenn ich ihn faßte!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/586>, abgerufen am 27.06.2024.