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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Engel auf Erden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung.)

tho alles habt Ihr diesem Menschen gegeben, fuhr Mandozzi
fort, alles, was mein war? Sticht nur Euer Herz, sondern auch
das Herz meines Sohnes? Mögt Ihr ihn lieben, diesen Glück¬
lichen ?
Ja, antwortete Rina, ich liebe ihn. Ihr seht, es ist unmög¬
lich, daß ich zu Euch zurückkehre.

Ihr liebt ihn! Und Ihr bildet Euch ein, Ihr könntet mich durch eine
Handvoll Geld zum Schweigen bringen, und ich sollte Euch der Liebe meines
Nebenbuhlers überlassen? Ihr wollt noch bei meinen Lebzeiten sein Weib
werden?

Nein. Ich werde ihn nie wiedersehen, das verspreche ich Euch; es ist
meine Pflicht, und ich werde sie erfüllen. Wer kann mehr von mir verlangen?
Dürft Ihr an meinem Worte zweifeln?

Für einen Augenblick schien Mandozzi von aufrichtiger Liebe hingerissen
zu sein. In leidenschaftlicher Erregung brach er in die Worte aus: Aber ich
liebe dich, Rina! Deine engelhafte Tugend soll und muß mich retten. Ich
könnte befehlen --

Rina machte eine stolze, abwehrende Bewegung.

Nein, beeilte er sich hinzuzufügen; ich bitte dich, ich beschwöre dich. Be¬
denke, du kannst mich retten! Ja,'ich bin tief gesunken, aber die Liebe eines
Engels, wie du es bist, kann mich retten. Willst dn dein Gewissen damit be¬
lasten, daß du mich der Verzweiflung überläßt, und statt mich aus Ufer zu
ziehen, mir deine hilfreiche Hand versagst? Muß nicht deine reine Seele das
erhabene Amt mit Freuden annehmen, einen Verlorenen zu bekehren, der doch
Miner dir gehört, der der Vater deines Sohnes ist? Ich spreche nicht von
e-ner Pflicht, nein, du herrliches Geschöpf hast mehr Pflichten erfüllt, als dir
zukamen, nein, ich nenne es ein göttliches Werk, würdig eines himmlischen Wesens,
^w:e du es bist.




Die Engel auf Erden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung.)

tho alles habt Ihr diesem Menschen gegeben, fuhr Mandozzi
fort, alles, was mein war? Sticht nur Euer Herz, sondern auch
das Herz meines Sohnes? Mögt Ihr ihn lieben, diesen Glück¬
lichen ?
Ja, antwortete Rina, ich liebe ihn. Ihr seht, es ist unmög¬
lich, daß ich zu Euch zurückkehre.

Ihr liebt ihn! Und Ihr bildet Euch ein, Ihr könntet mich durch eine
Handvoll Geld zum Schweigen bringen, und ich sollte Euch der Liebe meines
Nebenbuhlers überlassen? Ihr wollt noch bei meinen Lebzeiten sein Weib
werden?

Nein. Ich werde ihn nie wiedersehen, das verspreche ich Euch; es ist
meine Pflicht, und ich werde sie erfüllen. Wer kann mehr von mir verlangen?
Dürft Ihr an meinem Worte zweifeln?

Für einen Augenblick schien Mandozzi von aufrichtiger Liebe hingerissen
zu sein. In leidenschaftlicher Erregung brach er in die Worte aus: Aber ich
liebe dich, Rina! Deine engelhafte Tugend soll und muß mich retten. Ich
könnte befehlen —

Rina machte eine stolze, abwehrende Bewegung.

Nein, beeilte er sich hinzuzufügen; ich bitte dich, ich beschwöre dich. Be¬
denke, du kannst mich retten! Ja,'ich bin tief gesunken, aber die Liebe eines
Engels, wie du es bist, kann mich retten. Willst dn dein Gewissen damit be¬
lasten, daß du mich der Verzweiflung überläßt, und statt mich aus Ufer zu
ziehen, mir deine hilfreiche Hand versagst? Muß nicht deine reine Seele das
erhabene Amt mit Freuden annehmen, einen Verlorenen zu bekehren, der doch
Miner dir gehört, der der Vater deines Sohnes ist? Ich spreche nicht von
e-ner Pflicht, nein, du herrliches Geschöpf hast mehr Pflichten erfüllt, als dir
zukamen, nein, ich nenne es ein göttliches Werk, würdig eines himmlischen Wesens,
^w:e du es bist.


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[0579] [Abbildung] Die Engel auf Erden. Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen. (Fortsetzung.) tho alles habt Ihr diesem Menschen gegeben, fuhr Mandozzi fort, alles, was mein war? Sticht nur Euer Herz, sondern auch das Herz meines Sohnes? Mögt Ihr ihn lieben, diesen Glück¬ lichen ? Ja, antwortete Rina, ich liebe ihn. Ihr seht, es ist unmög¬ lich, daß ich zu Euch zurückkehre. Ihr liebt ihn! Und Ihr bildet Euch ein, Ihr könntet mich durch eine Handvoll Geld zum Schweigen bringen, und ich sollte Euch der Liebe meines Nebenbuhlers überlassen? Ihr wollt noch bei meinen Lebzeiten sein Weib werden? Nein. Ich werde ihn nie wiedersehen, das verspreche ich Euch; es ist meine Pflicht, und ich werde sie erfüllen. Wer kann mehr von mir verlangen? Dürft Ihr an meinem Worte zweifeln? Für einen Augenblick schien Mandozzi von aufrichtiger Liebe hingerissen zu sein. In leidenschaftlicher Erregung brach er in die Worte aus: Aber ich liebe dich, Rina! Deine engelhafte Tugend soll und muß mich retten. Ich könnte befehlen — Rina machte eine stolze, abwehrende Bewegung. Nein, beeilte er sich hinzuzufügen; ich bitte dich, ich beschwöre dich. Be¬ denke, du kannst mich retten! Ja,'ich bin tief gesunken, aber die Liebe eines Engels, wie du es bist, kann mich retten. Willst dn dein Gewissen damit be¬ lasten, daß du mich der Verzweiflung überläßt, und statt mich aus Ufer zu ziehen, mir deine hilfreiche Hand versagst? Muß nicht deine reine Seele das erhabene Amt mit Freuden annehmen, einen Verlorenen zu bekehren, der doch Miner dir gehört, der der Vater deines Sohnes ist? Ich spreche nicht von e-ner Pflicht, nein, du herrliches Geschöpf hast mehr Pflichten erfüllt, als dir zukamen, nein, ich nenne es ein göttliches Werk, würdig eines himmlischen Wesens, ^w:e du es bist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/579>, abgerufen am 27.06.2024.