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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Ermäßigung der Grundsteuer sich höher belaufen wird, als die eintretende Neu¬
belastung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Einkommensteuer. Ein
besondrer Vorteil für die meist mehr oder minder verschuldeten Landwirte liegt
aber darin, daß der Schuldenabzug gestattet wird, was bei der Grundsteuer
nicht der Fall ist. So ist also ein bedeutender Schritt auf dem Wege zum
Ideal einer direkten Steuer, zur reinen Einkommensteuer gethan, und es werden
weitere Schritte auf diesem Wege in Aussicht gestellt, derart, daß schließlich
die Einkommensteuer die Hauptsteuer bilden würde, neben welchen nur noch
mäßige Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen bestünden. Es ist nun die
Hauptsache, daß auch wirklich mit Ernst und nicht zu langsam auf das vorge¬
steckte Ziel hingearbeitet werde. Wird das Ziel erreicht, und zwar derart, daß
die Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen, welche schließlich noch bestehen
sollen, den Kapitalisten nicht wieder dem Grundbesitzer gegenüber bevorzugen,
so wird Baden in bezug auf seine direkten Steuern geradezu ein Vorbild
werden. Leider sind wir noch nicht so weit.

Der Grund und Boden ist, wie in Baden, anch in Preußen und allent¬
halben im Reiche über Gebühr belastet; es ist lediglich die natürliche Folge
früher allgemein für richtig gehaltener und jetzt längst als falsch erkannter
Prinzipien. Wir dürfen deshalb das Ziel, welches Baden sich gesteckt hat, auch
andern Bundesstaaten vor Augen stellen.


9" Verschuldung.

Im Hinblick auf die vom deutschen Landwirtschaftsrate für alle Bundesstaaten
angeregte Erhebung der hypothekarischen Verschuldung des ländlichen Grunde
besitzes ist es von Wert, zunächst die Frage auszuwerfen, ob die Kenntnis der
hypothekarischen Verschuldung allein zur Beurteilung der Vermögenslage der
landwirtschaftlichen Bevölkerung soweit ausreicht, daß füglich von einer Erhebung
der Mobiliarvcrschuldung abgesehen werden kaun. Dies wäre dann der Fall,
wenn die Mobiliar-(Personal-)Verschuldung notorisch der Jmmobiliarverschuldung
gegenüber verschwindend klein wäre, oder wenn es möglich wäre, aus der Höhe
der letzteren auf die Höhe der ersteren einen Schluß zu ziehen. Beides trifft
jedoch nicht zu, und so wird ein vollständiges Bild der Lage der Landwirtschaft
ohne Erhebung der Mobiliarverschuldung sich nicht ergeben. Wir verkennen
die Schwierigkeiten einer solchen Erhebung durchaus nicht, aber wir halten sie
nicht für unübersteiglich und glauben, einem gewandten und Vertrauen genießenden
Erhebungskommissär müßte es gelingen, von den Belasteten selbst ziemlich sichere
Angaben zu erlangen. Die badische Enquete hat die Mobiliarverschnldung zwar
nicht vollständig beiseite gelassen, aber doch nur für einzelne Erhebungs¬
gemeinden gewonnen, für die meisten nur sehr dürftige oder gar keine Angaben
beigebracht. Es ist ihr dies vielfach zum Vorwurfe gemacht worden, und in
dieser Beziehung wird sie hoffentlich nicht als Muster dienen.


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Ermäßigung der Grundsteuer sich höher belaufen wird, als die eintretende Neu¬
belastung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Einkommensteuer. Ein
besondrer Vorteil für die meist mehr oder minder verschuldeten Landwirte liegt
aber darin, daß der Schuldenabzug gestattet wird, was bei der Grundsteuer
nicht der Fall ist. So ist also ein bedeutender Schritt auf dem Wege zum
Ideal einer direkten Steuer, zur reinen Einkommensteuer gethan, und es werden
weitere Schritte auf diesem Wege in Aussicht gestellt, derart, daß schließlich
die Einkommensteuer die Hauptsteuer bilden würde, neben welchen nur noch
mäßige Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen bestünden. Es ist nun die
Hauptsache, daß auch wirklich mit Ernst und nicht zu langsam auf das vorge¬
steckte Ziel hingearbeitet werde. Wird das Ziel erreicht, und zwar derart, daß
die Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen, welche schließlich noch bestehen
sollen, den Kapitalisten nicht wieder dem Grundbesitzer gegenüber bevorzugen,
so wird Baden in bezug auf seine direkten Steuern geradezu ein Vorbild
werden. Leider sind wir noch nicht so weit.

Der Grund und Boden ist, wie in Baden, anch in Preußen und allent¬
halben im Reiche über Gebühr belastet; es ist lediglich die natürliche Folge
früher allgemein für richtig gehaltener und jetzt längst als falsch erkannter
Prinzipien. Wir dürfen deshalb das Ziel, welches Baden sich gesteckt hat, auch
andern Bundesstaaten vor Augen stellen.


9« Verschuldung.

Im Hinblick auf die vom deutschen Landwirtschaftsrate für alle Bundesstaaten
angeregte Erhebung der hypothekarischen Verschuldung des ländlichen Grunde
besitzes ist es von Wert, zunächst die Frage auszuwerfen, ob die Kenntnis der
hypothekarischen Verschuldung allein zur Beurteilung der Vermögenslage der
landwirtschaftlichen Bevölkerung soweit ausreicht, daß füglich von einer Erhebung
der Mobiliarvcrschuldung abgesehen werden kaun. Dies wäre dann der Fall,
wenn die Mobiliar-(Personal-)Verschuldung notorisch der Jmmobiliarverschuldung
gegenüber verschwindend klein wäre, oder wenn es möglich wäre, aus der Höhe
der letzteren auf die Höhe der ersteren einen Schluß zu ziehen. Beides trifft
jedoch nicht zu, und so wird ein vollständiges Bild der Lage der Landwirtschaft
ohne Erhebung der Mobiliarverschuldung sich nicht ergeben. Wir verkennen
die Schwierigkeiten einer solchen Erhebung durchaus nicht, aber wir halten sie
nicht für unübersteiglich und glauben, einem gewandten und Vertrauen genießenden
Erhebungskommissär müßte es gelingen, von den Belasteten selbst ziemlich sichere
Angaben zu erlangen. Die badische Enquete hat die Mobiliarverschnldung zwar
nicht vollständig beiseite gelassen, aber doch nur für einzelne Erhebungs¬
gemeinden gewonnen, für die meisten nur sehr dürftige oder gar keine Angaben
beigebracht. Es ist ihr dies vielfach zum Vorwurfe gemacht worden, und in
dieser Beziehung wird sie hoffentlich nicht als Muster dienen.


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[0516] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. Ermäßigung der Grundsteuer sich höher belaufen wird, als die eintretende Neu¬ belastung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Einkommensteuer. Ein besondrer Vorteil für die meist mehr oder minder verschuldeten Landwirte liegt aber darin, daß der Schuldenabzug gestattet wird, was bei der Grundsteuer nicht der Fall ist. So ist also ein bedeutender Schritt auf dem Wege zum Ideal einer direkten Steuer, zur reinen Einkommensteuer gethan, und es werden weitere Schritte auf diesem Wege in Aussicht gestellt, derart, daß schließlich die Einkommensteuer die Hauptsteuer bilden würde, neben welchen nur noch mäßige Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen bestünden. Es ist nun die Hauptsache, daß auch wirklich mit Ernst und nicht zu langsam auf das vorge¬ steckte Ziel hingearbeitet werde. Wird das Ziel erreicht, und zwar derart, daß die Zusatzsteuern für das fundirte Einkommen, welche schließlich noch bestehen sollen, den Kapitalisten nicht wieder dem Grundbesitzer gegenüber bevorzugen, so wird Baden in bezug auf seine direkten Steuern geradezu ein Vorbild werden. Leider sind wir noch nicht so weit. Der Grund und Boden ist, wie in Baden, anch in Preußen und allent¬ halben im Reiche über Gebühr belastet; es ist lediglich die natürliche Folge früher allgemein für richtig gehaltener und jetzt längst als falsch erkannter Prinzipien. Wir dürfen deshalb das Ziel, welches Baden sich gesteckt hat, auch andern Bundesstaaten vor Augen stellen. 9« Verschuldung. Im Hinblick auf die vom deutschen Landwirtschaftsrate für alle Bundesstaaten angeregte Erhebung der hypothekarischen Verschuldung des ländlichen Grunde besitzes ist es von Wert, zunächst die Frage auszuwerfen, ob die Kenntnis der hypothekarischen Verschuldung allein zur Beurteilung der Vermögenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung soweit ausreicht, daß füglich von einer Erhebung der Mobiliarvcrschuldung abgesehen werden kaun. Dies wäre dann der Fall, wenn die Mobiliar-(Personal-)Verschuldung notorisch der Jmmobiliarverschuldung gegenüber verschwindend klein wäre, oder wenn es möglich wäre, aus der Höhe der letzteren auf die Höhe der ersteren einen Schluß zu ziehen. Beides trifft jedoch nicht zu, und so wird ein vollständiges Bild der Lage der Landwirtschaft ohne Erhebung der Mobiliarverschuldung sich nicht ergeben. Wir verkennen die Schwierigkeiten einer solchen Erhebung durchaus nicht, aber wir halten sie nicht für unübersteiglich und glauben, einem gewandten und Vertrauen genießenden Erhebungskommissär müßte es gelingen, von den Belasteten selbst ziemlich sichere Angaben zu erlangen. Die badische Enquete hat die Mobiliarverschnldung zwar nicht vollständig beiseite gelassen, aber doch nur für einzelne Erhebungs¬ gemeinden gewonnen, für die meisten nur sehr dürftige oder gar keine Angaben beigebracht. Es ist ihr dies vielfach zum Vorwurfe gemacht worden, und in dieser Beziehung wird sie hoffentlich nicht als Muster dienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/516>, abgerufen am 27.06.2024.