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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden.

schuß des landwirtschaftlichen Vereins. Was unsre Ansicht anlangt, so haben
wir dieselbe schon früher in den Grcnzboicn (1883, IV, S. 226) dargelegt.
Wir fürchten, daß eine "mäßige" Erhöhung nur einen zeitweiligen Schutz für
die inländische Produktion bilden würde, und wir könnten einen durchaus und
unter allen Umständen wirksamen Schutz nur von einem Neichsmonvpol auf
die Getreideeinfuhr erwarten. Dennoch würden wir auch eine Zollerhöhung
mit Freuden begrüßen, denn daß sie zunächst einen günstigen Einfluß üben
würde, kann nicht bezweifelt werden, und wenn später die amerikanische Pro¬
duktion uns wieder den Rang ablaufen würde, so könnten ja immer noch weitere
Maßregeln in Betracht gezogen werden; zum mindesten aber bliebe noch die
Wirkung des Getreidezolles als Finanzzoll.

Wie wir übrigens in unserm frühern Artikel schon hervorgehoben haben,
glauben wir, daß alle zollpolitischen Maßregeln nnr dann ohne Schädigung
des Konsumenten den Getrcideproduzenten schützen werden, wenn durch Änderung
der ZZ 73 und 74 der Gewerbeordnung eine Brottaxe eingeführt wird, welche,
in festem Verhältnis zu den Getreideprcisen gehalten, den Zwischenhandel be¬
schränkt. (Hand in Hand damit könnte vielleicht eine Fleischtaxe zum Schutze
der Fleischproduzenten und Konsumenten gehen.) Wir möchten diese Frage auch
hier wieder angeregt haben.

Z) Belastung der Güter mit Leibgediugen. Hier wurden nur wenige Fälle
von schlimmem Einfluß bemerkt.

d.) Besondre unwirtschaftliche Gewohnheiten. Mängel, die sich vielfach ge¬
zeigt haben, sind Pferdehaltung, wo Rindvieh bester am Platze wäre, sowie
Überfluß von Arbeitskräften auf den Gütern. Erfreulich ist die Wahrnehmung,
daß Verschwendungssucht nur sporadisch auftritt, und daß das Märchen vom
übermäßigen Wohlleben der Bauern aller Begründung entbehrt. Wir bezweifeln
nicht, daß die gleiche Wahrnehmung fast überall gemacht werden wird.

i) Belastung von Grund und Boden mit Abgaben. Daß der Grund und
Boden übermäßig mit Abgaben belastet ist, hat die badische Enquete vollauf
bestätigt; in Preußen wird man jedenfalls zu demselben Resultat gelangen.
Die einzelnen Besserungsvorschläge, welche in Baden aufgetaucht sind und teil¬
weise die Befürwortung des Landtages gefunden haben, dürfen hier außer Be¬
tracht bleiben,*) da wir von einem besonders bedeutungsvollen Schritt auf dem
Wege der Steuerreform zu reden haben, welcher neuerdings in Baden geschehen
ist. Der badische Landtag hat in seiner letzten Session ein Gesetz betreffend
die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer genehmigt. Diese progressive
Einkommensteuer wird zunächst eine Zusatzsteuer sein, welche die Erleichterung
der bestehenden Steuern ermöglicht. Für die Landwirtschaft wird sie insofern
günstig wirken, als nach bekannt gewordenen Berechnungen die zu erwartende



Der wichtigste betrifft eine Änderung der Grundsteuercinschntzung^
Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden.

schuß des landwirtschaftlichen Vereins. Was unsre Ansicht anlangt, so haben
wir dieselbe schon früher in den Grcnzboicn (1883, IV, S. 226) dargelegt.
Wir fürchten, daß eine „mäßige" Erhöhung nur einen zeitweiligen Schutz für
die inländische Produktion bilden würde, und wir könnten einen durchaus und
unter allen Umständen wirksamen Schutz nur von einem Neichsmonvpol auf
die Getreideeinfuhr erwarten. Dennoch würden wir auch eine Zollerhöhung
mit Freuden begrüßen, denn daß sie zunächst einen günstigen Einfluß üben
würde, kann nicht bezweifelt werden, und wenn später die amerikanische Pro¬
duktion uns wieder den Rang ablaufen würde, so könnten ja immer noch weitere
Maßregeln in Betracht gezogen werden; zum mindesten aber bliebe noch die
Wirkung des Getreidezolles als Finanzzoll.

Wie wir übrigens in unserm frühern Artikel schon hervorgehoben haben,
glauben wir, daß alle zollpolitischen Maßregeln nnr dann ohne Schädigung
des Konsumenten den Getrcideproduzenten schützen werden, wenn durch Änderung
der ZZ 73 und 74 der Gewerbeordnung eine Brottaxe eingeführt wird, welche,
in festem Verhältnis zu den Getreideprcisen gehalten, den Zwischenhandel be¬
schränkt. (Hand in Hand damit könnte vielleicht eine Fleischtaxe zum Schutze
der Fleischproduzenten und Konsumenten gehen.) Wir möchten diese Frage auch
hier wieder angeregt haben.

Z) Belastung der Güter mit Leibgediugen. Hier wurden nur wenige Fälle
von schlimmem Einfluß bemerkt.

d.) Besondre unwirtschaftliche Gewohnheiten. Mängel, die sich vielfach ge¬
zeigt haben, sind Pferdehaltung, wo Rindvieh bester am Platze wäre, sowie
Überfluß von Arbeitskräften auf den Gütern. Erfreulich ist die Wahrnehmung,
daß Verschwendungssucht nur sporadisch auftritt, und daß das Märchen vom
übermäßigen Wohlleben der Bauern aller Begründung entbehrt. Wir bezweifeln
nicht, daß die gleiche Wahrnehmung fast überall gemacht werden wird.

i) Belastung von Grund und Boden mit Abgaben. Daß der Grund und
Boden übermäßig mit Abgaben belastet ist, hat die badische Enquete vollauf
bestätigt; in Preußen wird man jedenfalls zu demselben Resultat gelangen.
Die einzelnen Besserungsvorschläge, welche in Baden aufgetaucht sind und teil¬
weise die Befürwortung des Landtages gefunden haben, dürfen hier außer Be¬
tracht bleiben,*) da wir von einem besonders bedeutungsvollen Schritt auf dem
Wege der Steuerreform zu reden haben, welcher neuerdings in Baden geschehen
ist. Der badische Landtag hat in seiner letzten Session ein Gesetz betreffend
die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer genehmigt. Diese progressive
Einkommensteuer wird zunächst eine Zusatzsteuer sein, welche die Erleichterung
der bestehenden Steuern ermöglicht. Für die Landwirtschaft wird sie insofern
günstig wirken, als nach bekannt gewordenen Berechnungen die zu erwartende



Der wichtigste betrifft eine Änderung der Grundsteuercinschntzung^
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[0515] Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden. schuß des landwirtschaftlichen Vereins. Was unsre Ansicht anlangt, so haben wir dieselbe schon früher in den Grcnzboicn (1883, IV, S. 226) dargelegt. Wir fürchten, daß eine „mäßige" Erhöhung nur einen zeitweiligen Schutz für die inländische Produktion bilden würde, und wir könnten einen durchaus und unter allen Umständen wirksamen Schutz nur von einem Neichsmonvpol auf die Getreideeinfuhr erwarten. Dennoch würden wir auch eine Zollerhöhung mit Freuden begrüßen, denn daß sie zunächst einen günstigen Einfluß üben würde, kann nicht bezweifelt werden, und wenn später die amerikanische Pro¬ duktion uns wieder den Rang ablaufen würde, so könnten ja immer noch weitere Maßregeln in Betracht gezogen werden; zum mindesten aber bliebe noch die Wirkung des Getreidezolles als Finanzzoll. Wie wir übrigens in unserm frühern Artikel schon hervorgehoben haben, glauben wir, daß alle zollpolitischen Maßregeln nnr dann ohne Schädigung des Konsumenten den Getrcideproduzenten schützen werden, wenn durch Änderung der ZZ 73 und 74 der Gewerbeordnung eine Brottaxe eingeführt wird, welche, in festem Verhältnis zu den Getreideprcisen gehalten, den Zwischenhandel be¬ schränkt. (Hand in Hand damit könnte vielleicht eine Fleischtaxe zum Schutze der Fleischproduzenten und Konsumenten gehen.) Wir möchten diese Frage auch hier wieder angeregt haben. Z) Belastung der Güter mit Leibgediugen. Hier wurden nur wenige Fälle von schlimmem Einfluß bemerkt. d.) Besondre unwirtschaftliche Gewohnheiten. Mängel, die sich vielfach ge¬ zeigt haben, sind Pferdehaltung, wo Rindvieh bester am Platze wäre, sowie Überfluß von Arbeitskräften auf den Gütern. Erfreulich ist die Wahrnehmung, daß Verschwendungssucht nur sporadisch auftritt, und daß das Märchen vom übermäßigen Wohlleben der Bauern aller Begründung entbehrt. Wir bezweifeln nicht, daß die gleiche Wahrnehmung fast überall gemacht werden wird. i) Belastung von Grund und Boden mit Abgaben. Daß der Grund und Boden übermäßig mit Abgaben belastet ist, hat die badische Enquete vollauf bestätigt; in Preußen wird man jedenfalls zu demselben Resultat gelangen. Die einzelnen Besserungsvorschläge, welche in Baden aufgetaucht sind und teil¬ weise die Befürwortung des Landtages gefunden haben, dürfen hier außer Be¬ tracht bleiben,*) da wir von einem besonders bedeutungsvollen Schritt auf dem Wege der Steuerreform zu reden haben, welcher neuerdings in Baden geschehen ist. Der badische Landtag hat in seiner letzten Session ein Gesetz betreffend die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer genehmigt. Diese progressive Einkommensteuer wird zunächst eine Zusatzsteuer sein, welche die Erleichterung der bestehenden Steuern ermöglicht. Für die Landwirtschaft wird sie insofern günstig wirken, als nach bekannt gewordenen Berechnungen die zu erwartende Der wichtigste betrifft eine Änderung der Grundsteuercinschntzung^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/515>, abgerufen am 27.09.2024.