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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher,

täuschen. Der genannte Gelehrte nahm Holzstücke von Pfahlbauten mit Fratzen¬
bildern, welche geschnitzt worden waren, als das Holz noch weich aus dem
Wasser kam, und neu fabrizirte Fenersteinwcrkzeuge gläubig hin, und warum
sollte er nicht? Kann jemand beschwören, daß seine Messer und Pfeilspitzen
aus Feuerstein echt sind, wenn er sie nicht selbst ausgegraben hat, ehe die
biedern Anwohner des Pfahlbautenplatzes die Entdeckung gemacht hatten, daß
der Stein sich noch heute so leicht spalten und absprengen läßt wie vor Jahr¬
tausende"! Wo Kreide gegraben wird, liegen ja auf Wegen und Stegen der¬
gleichen scharfe Splitter umher, die nur geringer Nachhilfe bedürfen. Und wie
man ihnen die verräterische Schärfe der Kanten nimmt und ihnen zugleich das
Aussehen des Alters giebt, berichtet unser Autor. Die Messer werden wie die
Sardinen in einen Korb gepackt, mit einem Gemisch von Wasser, Thon und
Gelatine Übergossen und tüchtig geschüttelt, damit sie sich gegenseitig reiben und
gleichzeitig den eigentümlichen Schimmer annehmen, welchen ihnen sonst nur
das tausendjährige Liegen in der Erde verleiht. Langsamere und sicherere Proze¬
duren sind das Sieden in Ol oder abwechselnd der Sonne und dem Regen
Aussetzen u. tgi. in. Auch sehen wir, daß Streitfragen innerhalb dieses Spezial-
zweiges selten wirklich zur Entscheidung gelangen, wenn nicht die Helfershelfer
selbst zu Verrätern werden.

Von den vielen guten Anekdoten, welche Endet in dem Kapitel über Prä¬
historisches bringt, möge eine erwähnt sein. G. de Mortillet vom Museum zu
Saint-Germciin hat ihm erzählt, daß ihm einmal Achatperlen als Funde von
Robenhausen angeboten worden seien und der in die Enge getriebene Verkäufer
endlich gestanden habe, es seien Abfälle aus den Achatmühlen im Nahethal (im
Schwarzwald, sagt Endet), die als römisch an das Mainzer Museum, als
keltisch an das British Museum, als gallo-römisch in Bannes und Nantes an¬
gebracht worden seien.

Über das Falschen von Gemälden würde sich allein ein dickes Buch schreiben
lassen, Endet begnügt sich mit 53 Druckseiten, von denen die größere Hülste
den modernen gewidmet ist. In der That sehen die Vorgänge einander meistens
so ähnlich, daß sie nur durch den mißbrauchten Meisternamen oder den Namen
des mißbrauchten Käufers ein individuelles Interesse erhalten, und daß die
folgende moralische Erzählung mit kleinen Abänderungen immer wieder paßt.

Du meinst ein Kenner zu sein und machst gern von einer sogenannten
guten Gelegenheit Gebrauch. Das weiß man, und damit fängt man dich.

Scheinbar zufällig begegnet dir Herr Samuel und redet dich unter dem
ersten besten Vorwand an. Man spricht von diesem und jenem, von Regen und
schönem Wetter, vom Kurse und von der Versteigerung bei Fräulein A. B. C.
Plötzlich schlägt sich Herr Samuel vor die Stirn.

Gut, daß mir's einfällt! Sie sammeln ja, kaufen Bilder, und zwar gute,
denn Ihnen macht man kein X für ein U.


Grenzboten III. 1834. 60
Die Künste der Fälscher,

täuschen. Der genannte Gelehrte nahm Holzstücke von Pfahlbauten mit Fratzen¬
bildern, welche geschnitzt worden waren, als das Holz noch weich aus dem
Wasser kam, und neu fabrizirte Fenersteinwcrkzeuge gläubig hin, und warum
sollte er nicht? Kann jemand beschwören, daß seine Messer und Pfeilspitzen
aus Feuerstein echt sind, wenn er sie nicht selbst ausgegraben hat, ehe die
biedern Anwohner des Pfahlbautenplatzes die Entdeckung gemacht hatten, daß
der Stein sich noch heute so leicht spalten und absprengen läßt wie vor Jahr¬
tausende»! Wo Kreide gegraben wird, liegen ja auf Wegen und Stegen der¬
gleichen scharfe Splitter umher, die nur geringer Nachhilfe bedürfen. Und wie
man ihnen die verräterische Schärfe der Kanten nimmt und ihnen zugleich das
Aussehen des Alters giebt, berichtet unser Autor. Die Messer werden wie die
Sardinen in einen Korb gepackt, mit einem Gemisch von Wasser, Thon und
Gelatine Übergossen und tüchtig geschüttelt, damit sie sich gegenseitig reiben und
gleichzeitig den eigentümlichen Schimmer annehmen, welchen ihnen sonst nur
das tausendjährige Liegen in der Erde verleiht. Langsamere und sicherere Proze¬
duren sind das Sieden in Ol oder abwechselnd der Sonne und dem Regen
Aussetzen u. tgi. in. Auch sehen wir, daß Streitfragen innerhalb dieses Spezial-
zweiges selten wirklich zur Entscheidung gelangen, wenn nicht die Helfershelfer
selbst zu Verrätern werden.

Von den vielen guten Anekdoten, welche Endet in dem Kapitel über Prä¬
historisches bringt, möge eine erwähnt sein. G. de Mortillet vom Museum zu
Saint-Germciin hat ihm erzählt, daß ihm einmal Achatperlen als Funde von
Robenhausen angeboten worden seien und der in die Enge getriebene Verkäufer
endlich gestanden habe, es seien Abfälle aus den Achatmühlen im Nahethal (im
Schwarzwald, sagt Endet), die als römisch an das Mainzer Museum, als
keltisch an das British Museum, als gallo-römisch in Bannes und Nantes an¬
gebracht worden seien.

Über das Falschen von Gemälden würde sich allein ein dickes Buch schreiben
lassen, Endet begnügt sich mit 53 Druckseiten, von denen die größere Hülste
den modernen gewidmet ist. In der That sehen die Vorgänge einander meistens
so ähnlich, daß sie nur durch den mißbrauchten Meisternamen oder den Namen
des mißbrauchten Käufers ein individuelles Interesse erhalten, und daß die
folgende moralische Erzählung mit kleinen Abänderungen immer wieder paßt.

Du meinst ein Kenner zu sein und machst gern von einer sogenannten
guten Gelegenheit Gebrauch. Das weiß man, und damit fängt man dich.

Scheinbar zufällig begegnet dir Herr Samuel und redet dich unter dem
ersten besten Vorwand an. Man spricht von diesem und jenem, von Regen und
schönem Wetter, vom Kurse und von der Versteigerung bei Fräulein A. B. C.
Plötzlich schlägt sich Herr Samuel vor die Stirn.

Gut, daß mir's einfällt! Sie sammeln ja, kaufen Bilder, und zwar gute,
denn Ihnen macht man kein X für ein U.


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[0481] Die Künste der Fälscher, täuschen. Der genannte Gelehrte nahm Holzstücke von Pfahlbauten mit Fratzen¬ bildern, welche geschnitzt worden waren, als das Holz noch weich aus dem Wasser kam, und neu fabrizirte Fenersteinwcrkzeuge gläubig hin, und warum sollte er nicht? Kann jemand beschwören, daß seine Messer und Pfeilspitzen aus Feuerstein echt sind, wenn er sie nicht selbst ausgegraben hat, ehe die biedern Anwohner des Pfahlbautenplatzes die Entdeckung gemacht hatten, daß der Stein sich noch heute so leicht spalten und absprengen läßt wie vor Jahr¬ tausende»! Wo Kreide gegraben wird, liegen ja auf Wegen und Stegen der¬ gleichen scharfe Splitter umher, die nur geringer Nachhilfe bedürfen. Und wie man ihnen die verräterische Schärfe der Kanten nimmt und ihnen zugleich das Aussehen des Alters giebt, berichtet unser Autor. Die Messer werden wie die Sardinen in einen Korb gepackt, mit einem Gemisch von Wasser, Thon und Gelatine Übergossen und tüchtig geschüttelt, damit sie sich gegenseitig reiben und gleichzeitig den eigentümlichen Schimmer annehmen, welchen ihnen sonst nur das tausendjährige Liegen in der Erde verleiht. Langsamere und sicherere Proze¬ duren sind das Sieden in Ol oder abwechselnd der Sonne und dem Regen Aussetzen u. tgi. in. Auch sehen wir, daß Streitfragen innerhalb dieses Spezial- zweiges selten wirklich zur Entscheidung gelangen, wenn nicht die Helfershelfer selbst zu Verrätern werden. Von den vielen guten Anekdoten, welche Endet in dem Kapitel über Prä¬ historisches bringt, möge eine erwähnt sein. G. de Mortillet vom Museum zu Saint-Germciin hat ihm erzählt, daß ihm einmal Achatperlen als Funde von Robenhausen angeboten worden seien und der in die Enge getriebene Verkäufer endlich gestanden habe, es seien Abfälle aus den Achatmühlen im Nahethal (im Schwarzwald, sagt Endet), die als römisch an das Mainzer Museum, als keltisch an das British Museum, als gallo-römisch in Bannes und Nantes an¬ gebracht worden seien. Über das Falschen von Gemälden würde sich allein ein dickes Buch schreiben lassen, Endet begnügt sich mit 53 Druckseiten, von denen die größere Hülste den modernen gewidmet ist. In der That sehen die Vorgänge einander meistens so ähnlich, daß sie nur durch den mißbrauchten Meisternamen oder den Namen des mißbrauchten Käufers ein individuelles Interesse erhalten, und daß die folgende moralische Erzählung mit kleinen Abänderungen immer wieder paßt. Du meinst ein Kenner zu sein und machst gern von einer sogenannten guten Gelegenheit Gebrauch. Das weiß man, und damit fängt man dich. Scheinbar zufällig begegnet dir Herr Samuel und redet dich unter dem ersten besten Vorwand an. Man spricht von diesem und jenem, von Regen und schönem Wetter, vom Kurse und von der Versteigerung bei Fräulein A. B. C. Plötzlich schlägt sich Herr Samuel vor die Stirn. Gut, daß mir's einfällt! Sie sammeln ja, kaufen Bilder, und zwar gute, denn Ihnen macht man kein X für ein U. Grenzboten III. 1834. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/481>, abgerufen am 27.06.2024.