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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher,

Ich besitze i" der That eine kleine Galerie, aber nur alte Meister.

Natürlich, natürlich, in Ihren Verhältnissen und bei Ihrem Geschmack und
Ihrer Erfahrung! Aber was ich sagen wollte: ich kann Ihnen einen guten
Fang verschaffen. Wir kennen uns schon lange, nicht wahr? Warum soll ich
nicht lieber Ihnen als einem andern die Gelegenheit zuwenden!

Ein Gelegenheitskauf?

Und ein ausgezeichneter, aber es darf keine Zeit verloren werden. Wollen
Sie die Stücke sehen?

Bei Ihnen ?

Leider nein. Ich möchte wohl die drei Gemälde haben, aber die Zeiten
sind schlecht, und wer sein Geschäft ehrlich betreibt, wie ich, sammelt keine Reich¬
tümer. Die drei Bilder gehöre" einem alten Philister, der nicht weiß, welchen
Wert sie haben, aber doch überzeugt ist, daß sie einen gewissen Preis repräsen-
tiren. Bisher hat er allerdings jedes Gebot abgelehnt, aber jetzt ist der kritische
Moment gekommen, der arme Teufel braucht baares Geld, und wenn Sie damit
versehen sind --

Das bin ich.

Dann vorwärts, morgen konnte es schon zu spät sein.

Du lässest dich bereden, steigst in einen Wagen mit dem ehrenwerten
Samuel, der dich in eins der alten Pariser Gäßchen führt, die Haußmann noch
übrig gelassen hat. Ihr klettert mühsam fünf Stiegen hinauf und werdet atemlos
oben angelangt von einem Greise nach euern Wünschen gefragt. Samuel setzt
den Zweck des Besuches auseinander, und der Greis zeigt drei Ölbilder an der
mit zerfetzter Tapete bedeckten Wand. Er ist früher einmal reich und Kunst¬
freund gewesen, hat sich auch in der Armut von seinen Liebliugslnldern nicht
trennen wollen -- Dinge, welche Samuel umso unbefangener zur Sprache
bringen kann, da der Besitzer halb taub ist.

Sehen Sie diesen Mieris! Welch ein intimer Vorwurf, welche reizende
Behandlung, welche tiefe Empfindung! Und hier ein Poussin, zuverlässig aus
der Zeit, als der Meister unter dem Einfluß der venezianischen Schule stand!
Und das dritte, einem solchen Kenner, wie Sie, brauche ich nicht zu sagen, wer
hier den Pinsel geführt hat. Sie haben bereits den Namen Nujsdael genannt.
Das sind jene erstaunlichen Kontraste zwischen Schatten und Licht, das ist die
großartige Ruhe, welche seine vorzüglichsten Werke auszeichnet.

Sie können Recht haben, antwortest du leise, aber ich will mir nicht das
Ansehen eiues Menschen geben, der auf die Sachen versessen ist.

Ich stimme Ihnen bei. Indessen beeilen Sie sich, Dnrcmtin ist hier ge¬
wesen, ich sehe seine Karte dort auf dem Tische, und Sie wissen, daß er ein
gefährlicher Konkurrent ist.

Ja, der Patron kommt mir oft in die Quere.

Aber diesmal soll er sich schneiden.


Die Künste der Fälscher,

Ich besitze i» der That eine kleine Galerie, aber nur alte Meister.

Natürlich, natürlich, in Ihren Verhältnissen und bei Ihrem Geschmack und
Ihrer Erfahrung! Aber was ich sagen wollte: ich kann Ihnen einen guten
Fang verschaffen. Wir kennen uns schon lange, nicht wahr? Warum soll ich
nicht lieber Ihnen als einem andern die Gelegenheit zuwenden!

Ein Gelegenheitskauf?

Und ein ausgezeichneter, aber es darf keine Zeit verloren werden. Wollen
Sie die Stücke sehen?

Bei Ihnen ?

Leider nein. Ich möchte wohl die drei Gemälde haben, aber die Zeiten
sind schlecht, und wer sein Geschäft ehrlich betreibt, wie ich, sammelt keine Reich¬
tümer. Die drei Bilder gehöre» einem alten Philister, der nicht weiß, welchen
Wert sie haben, aber doch überzeugt ist, daß sie einen gewissen Preis repräsen-
tiren. Bisher hat er allerdings jedes Gebot abgelehnt, aber jetzt ist der kritische
Moment gekommen, der arme Teufel braucht baares Geld, und wenn Sie damit
versehen sind —

Das bin ich.

Dann vorwärts, morgen konnte es schon zu spät sein.

Du lässest dich bereden, steigst in einen Wagen mit dem ehrenwerten
Samuel, der dich in eins der alten Pariser Gäßchen führt, die Haußmann noch
übrig gelassen hat. Ihr klettert mühsam fünf Stiegen hinauf und werdet atemlos
oben angelangt von einem Greise nach euern Wünschen gefragt. Samuel setzt
den Zweck des Besuches auseinander, und der Greis zeigt drei Ölbilder an der
mit zerfetzter Tapete bedeckten Wand. Er ist früher einmal reich und Kunst¬
freund gewesen, hat sich auch in der Armut von seinen Liebliugslnldern nicht
trennen wollen — Dinge, welche Samuel umso unbefangener zur Sprache
bringen kann, da der Besitzer halb taub ist.

Sehen Sie diesen Mieris! Welch ein intimer Vorwurf, welche reizende
Behandlung, welche tiefe Empfindung! Und hier ein Poussin, zuverlässig aus
der Zeit, als der Meister unter dem Einfluß der venezianischen Schule stand!
Und das dritte, einem solchen Kenner, wie Sie, brauche ich nicht zu sagen, wer
hier den Pinsel geführt hat. Sie haben bereits den Namen Nujsdael genannt.
Das sind jene erstaunlichen Kontraste zwischen Schatten und Licht, das ist die
großartige Ruhe, welche seine vorzüglichsten Werke auszeichnet.

Sie können Recht haben, antwortest du leise, aber ich will mir nicht das
Ansehen eiues Menschen geben, der auf die Sachen versessen ist.

Ich stimme Ihnen bei. Indessen beeilen Sie sich, Dnrcmtin ist hier ge¬
wesen, ich sehe seine Karte dort auf dem Tische, und Sie wissen, daß er ein
gefährlicher Konkurrent ist.

Ja, der Patron kommt mir oft in die Quere.

Aber diesmal soll er sich schneiden.


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[0482] Die Künste der Fälscher, Ich besitze i» der That eine kleine Galerie, aber nur alte Meister. Natürlich, natürlich, in Ihren Verhältnissen und bei Ihrem Geschmack und Ihrer Erfahrung! Aber was ich sagen wollte: ich kann Ihnen einen guten Fang verschaffen. Wir kennen uns schon lange, nicht wahr? Warum soll ich nicht lieber Ihnen als einem andern die Gelegenheit zuwenden! Ein Gelegenheitskauf? Und ein ausgezeichneter, aber es darf keine Zeit verloren werden. Wollen Sie die Stücke sehen? Bei Ihnen ? Leider nein. Ich möchte wohl die drei Gemälde haben, aber die Zeiten sind schlecht, und wer sein Geschäft ehrlich betreibt, wie ich, sammelt keine Reich¬ tümer. Die drei Bilder gehöre» einem alten Philister, der nicht weiß, welchen Wert sie haben, aber doch überzeugt ist, daß sie einen gewissen Preis repräsen- tiren. Bisher hat er allerdings jedes Gebot abgelehnt, aber jetzt ist der kritische Moment gekommen, der arme Teufel braucht baares Geld, und wenn Sie damit versehen sind — Das bin ich. Dann vorwärts, morgen konnte es schon zu spät sein. Du lässest dich bereden, steigst in einen Wagen mit dem ehrenwerten Samuel, der dich in eins der alten Pariser Gäßchen führt, die Haußmann noch übrig gelassen hat. Ihr klettert mühsam fünf Stiegen hinauf und werdet atemlos oben angelangt von einem Greise nach euern Wünschen gefragt. Samuel setzt den Zweck des Besuches auseinander, und der Greis zeigt drei Ölbilder an der mit zerfetzter Tapete bedeckten Wand. Er ist früher einmal reich und Kunst¬ freund gewesen, hat sich auch in der Armut von seinen Liebliugslnldern nicht trennen wollen — Dinge, welche Samuel umso unbefangener zur Sprache bringen kann, da der Besitzer halb taub ist. Sehen Sie diesen Mieris! Welch ein intimer Vorwurf, welche reizende Behandlung, welche tiefe Empfindung! Und hier ein Poussin, zuverlässig aus der Zeit, als der Meister unter dem Einfluß der venezianischen Schule stand! Und das dritte, einem solchen Kenner, wie Sie, brauche ich nicht zu sagen, wer hier den Pinsel geführt hat. Sie haben bereits den Namen Nujsdael genannt. Das sind jene erstaunlichen Kontraste zwischen Schatten und Licht, das ist die großartige Ruhe, welche seine vorzüglichsten Werke auszeichnet. Sie können Recht haben, antwortest du leise, aber ich will mir nicht das Ansehen eiues Menschen geben, der auf die Sachen versessen ist. Ich stimme Ihnen bei. Indessen beeilen Sie sich, Dnrcmtin ist hier ge¬ wesen, ich sehe seine Karte dort auf dem Tische, und Sie wissen, daß er ein gefährlicher Konkurrent ist. Ja, der Patron kommt mir oft in die Quere. Aber diesmal soll er sich schneiden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/482>, abgerufen am 27.06.2024.