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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

über dieselbe anzugeben, als den Namen jenes Mitgliedes der ^vaäoinis ass
InseriMons zu nennen, welches die Buchstaben N. ^. v. v. (NoutarÄs ^g-uns
as vtjvir) auf einem Senftopfe NaMv ^ovi vsorum ovo gelesen haben soll.
Man möchte dergleichen Geschichten daher samt und sonders in die Kategorie
der Treppenwitze verweisen, insofern die Erfinder sich den mystifizirten Gelehrten
hinzugedacht hätten, lehrte nicht das fatale Abenteuer des Akademikers Michel
Chasles, wie weit die Verblendung gehen kann. Die Sache ist erst fünfzehn
Jahre alt und dürfte den meisten Lesern noch soweit in Erinnerung sein, daß
es nicht notwendig erscheint, sie hier mit der Ausführlichkeit zu besprechen, wie
Endet es auf Grund der Gerichtsverhandlungen und der damals erschienenen
Broschüre "Affaire Vraiu-Lucas" thut. Aber wie sie entdeckt wurde, das wird,
wenn wir nach uus selbst urteilen dürfen, den meisten entfallen sein, und gerade
das ist charakteristisch. Der Mathematiker Chasles, ein Verwandter des einst so
fruchtbaren Geschichtschreibers Philarete Chasles, glaubte beweisen zu können,
daß nicht Newton, sondern Blaise Pascal der Entdecker des Gesetzes der Schwere
sei, und legte zum Beweise einen Briefwechsel zwischen beiden aus dem Jahre
1654 vor. Sofort wurde geltend gemacht, daß Newton damals elf Jahre alt
gewesen ist und etwa ein Jahrzehnt später seine Studien über den Gegenstand
begonnen hat, daß die angebliche Handschrift Pascals mit seiner authentischen
nicht übereinstimmte, daß in einem Briefe von Kaffee gesprochen wird, welcher
erst nach Pascals Tode nach Frankreich gebracht wurde, und endlich entdeckte
ein französischer Gelehrter, Faugere, daß ganze Sätze der Briefe aus gedruckten
Büchern abgeschrieben waren. Indessen erschütterte alles dies Chasles' Glauben
nicht, mehr noch, Männer wie Thiers und Elie de Beaumont ergriffen seine
Partie -- aus Chauvinismus; "denu man ist im Institut sogut wie anderswo
Chauvin," sagt unser Autor. Erst als bekannt wurde, daß die wichtigen Briefe
einer umfangreichen Autographensammlung angehörten, in welcher sich auch voll¬
ständige eigenhändige Schreiben von Moliere, Rabelais, La Bruyere, Montes¬
quieu, Notrou, Shakespeare (lauter Seltenheiten ersten Ranges), ja sogar von
Alcibiades, Alexander dem Großen, Julius Caesar, Vcrcingetorix, Kleopatra,
Maria Magdalena, Lnzarus, Judas Ischarioth, Pontius Pilatus, Belisar, Karl
dem Großen u. s. w. befanden, alle in französischer Sprache abgefaßt: erst da
streckten die Verteidiger des Gelehrten die Waffen, und ihm selbst fielen die
Schuppen von den Augen. Alle diese Schütze hatte ein gewisser Valm-Lucas
angeblich in dem zurückgelassenen Archive eines Emigranten entdeckt, sie nach
und nach an Chasles für beinahe 140 000 Franks abgetreten; als in dem
letztem einmal Zweifel aufstiegen, schlug der Fälscher sie durch die kecke Forde¬
rung nieder, den ganzen Handel rückgängig zu machen. Ju dem nun ange¬
strengten Prozesse suchte der Verteidiger den armen Chasles als den eigentlichen
Schuldigen hinzustellen, der weder die innern noch die äußern handgreiflichen
Kennzeichen der Fälschung (Sprache, Papier, Wasserzeichen :e.) beachtet und


Die Künste der Fälscher.

über dieselbe anzugeben, als den Namen jenes Mitgliedes der ^vaäoinis ass
InseriMons zu nennen, welches die Buchstaben N. ^. v. v. (NoutarÄs ^g-uns
as vtjvir) auf einem Senftopfe NaMv ^ovi vsorum ovo gelesen haben soll.
Man möchte dergleichen Geschichten daher samt und sonders in die Kategorie
der Treppenwitze verweisen, insofern die Erfinder sich den mystifizirten Gelehrten
hinzugedacht hätten, lehrte nicht das fatale Abenteuer des Akademikers Michel
Chasles, wie weit die Verblendung gehen kann. Die Sache ist erst fünfzehn
Jahre alt und dürfte den meisten Lesern noch soweit in Erinnerung sein, daß
es nicht notwendig erscheint, sie hier mit der Ausführlichkeit zu besprechen, wie
Endet es auf Grund der Gerichtsverhandlungen und der damals erschienenen
Broschüre „Affaire Vraiu-Lucas" thut. Aber wie sie entdeckt wurde, das wird,
wenn wir nach uus selbst urteilen dürfen, den meisten entfallen sein, und gerade
das ist charakteristisch. Der Mathematiker Chasles, ein Verwandter des einst so
fruchtbaren Geschichtschreibers Philarete Chasles, glaubte beweisen zu können,
daß nicht Newton, sondern Blaise Pascal der Entdecker des Gesetzes der Schwere
sei, und legte zum Beweise einen Briefwechsel zwischen beiden aus dem Jahre
1654 vor. Sofort wurde geltend gemacht, daß Newton damals elf Jahre alt
gewesen ist und etwa ein Jahrzehnt später seine Studien über den Gegenstand
begonnen hat, daß die angebliche Handschrift Pascals mit seiner authentischen
nicht übereinstimmte, daß in einem Briefe von Kaffee gesprochen wird, welcher
erst nach Pascals Tode nach Frankreich gebracht wurde, und endlich entdeckte
ein französischer Gelehrter, Faugere, daß ganze Sätze der Briefe aus gedruckten
Büchern abgeschrieben waren. Indessen erschütterte alles dies Chasles' Glauben
nicht, mehr noch, Männer wie Thiers und Elie de Beaumont ergriffen seine
Partie — aus Chauvinismus; „denu man ist im Institut sogut wie anderswo
Chauvin," sagt unser Autor. Erst als bekannt wurde, daß die wichtigen Briefe
einer umfangreichen Autographensammlung angehörten, in welcher sich auch voll¬
ständige eigenhändige Schreiben von Moliere, Rabelais, La Bruyere, Montes¬
quieu, Notrou, Shakespeare (lauter Seltenheiten ersten Ranges), ja sogar von
Alcibiades, Alexander dem Großen, Julius Caesar, Vcrcingetorix, Kleopatra,
Maria Magdalena, Lnzarus, Judas Ischarioth, Pontius Pilatus, Belisar, Karl
dem Großen u. s. w. befanden, alle in französischer Sprache abgefaßt: erst da
streckten die Verteidiger des Gelehrten die Waffen, und ihm selbst fielen die
Schuppen von den Augen. Alle diese Schütze hatte ein gewisser Valm-Lucas
angeblich in dem zurückgelassenen Archive eines Emigranten entdeckt, sie nach
und nach an Chasles für beinahe 140 000 Franks abgetreten; als in dem
letztem einmal Zweifel aufstiegen, schlug der Fälscher sie durch die kecke Forde¬
rung nieder, den ganzen Handel rückgängig zu machen. Ju dem nun ange¬
strengten Prozesse suchte der Verteidiger den armen Chasles als den eigentlichen
Schuldigen hinzustellen, der weder die innern noch die äußern handgreiflichen
Kennzeichen der Fälschung (Sprache, Papier, Wasserzeichen :e.) beachtet und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/479>, abgerufen am 27.06.2024.