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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

über Bücher und Einbände, Autographen, Möbel, Bronzen, Tapisserien, Stoffe,
Elfenbein, Waffen und Rüstungen, Musikinstrumente, große und kleine Plastik
in Stein, Holz, Wachs, über Eisen, Zinn, Blei, Gemmen, Miniaturen des
vorigen Jahrhunderts u. a. in. begegnen wir natürlich zahlreichen Bekannten,
Fälschungen der jüngsten Tage und solchen, die nie in Vergessenheit geraten
werden: den Briefen Alexanders des Großen und der heiligen Magdalene, die
sich der französischen Sprache bedient haben, den moabitischen Gefäßen und
Handschriften des biedern Schapira, dem Rothschildschen Millionenaltar, den ge¬
färbten Kap-Diamanten; andre, die einen Platz in der gewählten Gesellschaft
verdient hätten, wie die armenischen Palimpseste, sind unbilligerwcise Übergängen
worden, und die köstliche Geschichte von dem "Buche der Wilden" gehört leider
nicht hierher, da der gute Abbs Domenech niemand als sich selbst betrogen
hatte. Aber viele Mitteilungen Eudels dürften manchen eifrigen Sammler in
Erstaunen versetzen und nachdenklich machen, während ihm zum Troste dienen
kann, daß ganz andre Leute erst durch Schaden klug geworden sind. Und
wiederum zum Troste der Gilde, welcher Endet den Krieg erklärt hat, wird es
immer Kunstfreunde geben, welche sich durch keine Enthüllungen anfechten lassen.
Sie wissen, was sie wissen, und lassen sich durch keine Neider und Rechthaber
die Freude an ihrem Dürer und Raphael, ihren Kaisermünzen und Tana-
gräerinncr. verkümmern. Der Besitzer einer seinerzeit berühmten Galerie hatte
neben einen großen Teniers eine geradezu schändliche Kopie desselben Bildes
gestellt, und pflegte seine Besucher mit Stolz darauf aufmerksam zu machen,
daß es ihm gelungen sei, diese in ganz andrer Färbung gehaltene Replik zu er¬
werben. "Ist es nicht merkwürdig, sagte er, daß der Meister sich selbst so
genau kopirt hat -- welches halten Sie für das ältere Bild?" Und dann
setzte er hinzu, daß der Dr. Woltmann, der seine besten Stücke angezweifelt
habe, nicht mehr über seine Schwelle dürfe.

Wir wollen einiges aus dem von Endet dargebotenen reichen Material
herausgreifen, ohne sein Buch "auszuschlachten."

Er beginnt mit den "rätselhaften Inschriften," welche schon vor hundert
Jahren die Jugend erfreuten und neuestens wieder ein stehender Artikel in den
humoristischen Zeitschriften geworden sind, wie z. B.


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(loi ost Je> elismin clos imos).

Oder: Limilitsr oÄU8g,<zus tuinkws vno, as suis hev. (Kix uMwires vosg-^usf
kuinMts vomwo ass suisLss se<z.). Leider erfahren wir von solchen Epigraphen
immer nur, daß dnrch sie irgendwo irgendein Antiquar aufs Eis geführt worden
sei; und auch Endet, welcher die erstere wiederholt, weiß sowenig etwas näheres


Die Künste der Fälscher.

über Bücher und Einbände, Autographen, Möbel, Bronzen, Tapisserien, Stoffe,
Elfenbein, Waffen und Rüstungen, Musikinstrumente, große und kleine Plastik
in Stein, Holz, Wachs, über Eisen, Zinn, Blei, Gemmen, Miniaturen des
vorigen Jahrhunderts u. a. in. begegnen wir natürlich zahlreichen Bekannten,
Fälschungen der jüngsten Tage und solchen, die nie in Vergessenheit geraten
werden: den Briefen Alexanders des Großen und der heiligen Magdalene, die
sich der französischen Sprache bedient haben, den moabitischen Gefäßen und
Handschriften des biedern Schapira, dem Rothschildschen Millionenaltar, den ge¬
färbten Kap-Diamanten; andre, die einen Platz in der gewählten Gesellschaft
verdient hätten, wie die armenischen Palimpseste, sind unbilligerwcise Übergängen
worden, und die köstliche Geschichte von dem „Buche der Wilden" gehört leider
nicht hierher, da der gute Abbs Domenech niemand als sich selbst betrogen
hatte. Aber viele Mitteilungen Eudels dürften manchen eifrigen Sammler in
Erstaunen versetzen und nachdenklich machen, während ihm zum Troste dienen
kann, daß ganz andre Leute erst durch Schaden klug geworden sind. Und
wiederum zum Troste der Gilde, welcher Endet den Krieg erklärt hat, wird es
immer Kunstfreunde geben, welche sich durch keine Enthüllungen anfechten lassen.
Sie wissen, was sie wissen, und lassen sich durch keine Neider und Rechthaber
die Freude an ihrem Dürer und Raphael, ihren Kaisermünzen und Tana-
gräerinncr. verkümmern. Der Besitzer einer seinerzeit berühmten Galerie hatte
neben einen großen Teniers eine geradezu schändliche Kopie desselben Bildes
gestellt, und pflegte seine Besucher mit Stolz darauf aufmerksam zu machen,
daß es ihm gelungen sei, diese in ganz andrer Färbung gehaltene Replik zu er¬
werben. „Ist es nicht merkwürdig, sagte er, daß der Meister sich selbst so
genau kopirt hat — welches halten Sie für das ältere Bild?" Und dann
setzte er hinzu, daß der Dr. Woltmann, der seine besten Stücke angezweifelt
habe, nicht mehr über seine Schwelle dürfe.

Wir wollen einiges aus dem von Endet dargebotenen reichen Material
herausgreifen, ohne sein Buch „auszuschlachten."

Er beginnt mit den „rätselhaften Inschriften," welche schon vor hundert
Jahren die Jugend erfreuten und neuestens wieder ein stehender Artikel in den
humoristischen Zeitschriften geworden sind, wie z. B.


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(loi ost Je> elismin clos imos).

Oder: Limilitsr oÄU8g,<zus tuinkws vno, as suis hev. (Kix uMwires vosg-^usf
kuinMts vomwo ass suisLss se<z.). Leider erfahren wir von solchen Epigraphen
immer nur, daß dnrch sie irgendwo irgendein Antiquar aufs Eis geführt worden
sei; und auch Endet, welcher die erstere wiederholt, weiß sowenig etwas näheres


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[0478] Die Künste der Fälscher. über Bücher und Einbände, Autographen, Möbel, Bronzen, Tapisserien, Stoffe, Elfenbein, Waffen und Rüstungen, Musikinstrumente, große und kleine Plastik in Stein, Holz, Wachs, über Eisen, Zinn, Blei, Gemmen, Miniaturen des vorigen Jahrhunderts u. a. in. begegnen wir natürlich zahlreichen Bekannten, Fälschungen der jüngsten Tage und solchen, die nie in Vergessenheit geraten werden: den Briefen Alexanders des Großen und der heiligen Magdalene, die sich der französischen Sprache bedient haben, den moabitischen Gefäßen und Handschriften des biedern Schapira, dem Rothschildschen Millionenaltar, den ge¬ färbten Kap-Diamanten; andre, die einen Platz in der gewählten Gesellschaft verdient hätten, wie die armenischen Palimpseste, sind unbilligerwcise Übergängen worden, und die köstliche Geschichte von dem „Buche der Wilden" gehört leider nicht hierher, da der gute Abbs Domenech niemand als sich selbst betrogen hatte. Aber viele Mitteilungen Eudels dürften manchen eifrigen Sammler in Erstaunen versetzen und nachdenklich machen, während ihm zum Troste dienen kann, daß ganz andre Leute erst durch Schaden klug geworden sind. Und wiederum zum Troste der Gilde, welcher Endet den Krieg erklärt hat, wird es immer Kunstfreunde geben, welche sich durch keine Enthüllungen anfechten lassen. Sie wissen, was sie wissen, und lassen sich durch keine Neider und Rechthaber die Freude an ihrem Dürer und Raphael, ihren Kaisermünzen und Tana- gräerinncr. verkümmern. Der Besitzer einer seinerzeit berühmten Galerie hatte neben einen großen Teniers eine geradezu schändliche Kopie desselben Bildes gestellt, und pflegte seine Besucher mit Stolz darauf aufmerksam zu machen, daß es ihm gelungen sei, diese in ganz andrer Färbung gehaltene Replik zu er¬ werben. „Ist es nicht merkwürdig, sagte er, daß der Meister sich selbst so genau kopirt hat — welches halten Sie für das ältere Bild?" Und dann setzte er hinzu, daß der Dr. Woltmann, der seine besten Stücke angezweifelt habe, nicht mehr über seine Schwelle dürfe. Wir wollen einiges aus dem von Endet dargebotenen reichen Material herausgreifen, ohne sein Buch „auszuschlachten." Er beginnt mit den „rätselhaften Inschriften," welche schon vor hundert Jahren die Jugend erfreuten und neuestens wieder ein stehender Artikel in den humoristischen Zeitschriften geworden sind, wie z. B. I.O l L 8 ri. DL LZ N IN 8^. 8 (loi ost Je> elismin clos imos). Oder: Limilitsr oÄU8g,<zus tuinkws vno, as suis hev. (Kix uMwires vosg-^usf kuinMts vomwo ass suisLss se<z.). Leider erfahren wir von solchen Epigraphen immer nur, daß dnrch sie irgendwo irgendein Antiquar aufs Eis geführt worden sei; und auch Endet, welcher die erstere wiederholt, weiß sowenig etwas näheres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/478>, abgerufen am 27.06.2024.