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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

sich, gegen die doppelte Gebühr denselben für zwei Drittel ihrer Schätzung selbst
zu erwerben.

Dieses merkwürdige, von Paul Endet in seinem unlängst erschienenen
Buche I^s 'Irn<^QS,As. I^Sö LovtrskayoiiZ üsvoiläss vollständig mitgeteilte
Schriftstück scheint keinerlei Erfolg gehabt zu haben. Allerdings hatte damals
das Fälscherunwesen noch nicht entfernt seine jetzige Höhe erreicht, und das
Sammeln war noch nicht so sehr zur Mode geworden -- zwei Umstände, welche
einigermaßen in dem Verhältnis von Wirkung und Ursache stehen. Doch mag
der Hauptgrund des Fehlschlagens jenes Versuches wohl in einer Eigentümlichkeit
der meisten Sammler zu suchen sein, nämlich in der Eifersucht, dem Mißtrauen
und der Schadenfreude, welche zwischen ihnen zu herrschen pflegt und den Fälschern
und deren Helfershelfern vor allem zustanden kommt. Gewiß würden jene viel
seltener Opfer eines Betruges werden, wenn sie nicht in jedem Sachverständigen
einen gewissenlosen Rivalen erblickten, vor welchem ein Fund geheimgehalten
werden müsse. "Denn, lautet das geheime Räsonnement, hält er das Stück für
gut, so wird er bemüht sein, es mir wegzufischen, im entgegengesetzten Falle wird
er seine wahre Meinung zurückhalten, um mich hineinfallen zu lassen." Und
will nicht außerdem ein jeder Kenner genug sein? Kostet es nicht große Über¬
windung einzugestehen, daß man sich nicht sicher fühle und bei einem andern
schärferen Blick, größere Erfahrung voraussetze? Aber das verstehen, wie gesagt,
gewisse Händler sich trefflich zunutze zu machen, und wenn sie Memoiren schreiben
wollten, würden sie erzählen können, wie viele Fälschungen sie an den Mann
gebracht, welche übertriebenen Preise sie für echte Sachen erzielt haben, indem
sie dem Betreffenden vorspiegelte", noch habe keines Sterblichen Auge den soeben
erst entdeckten und gehobenen Schatz erblickt, den der Entdecker nur ihm abzu¬
treten entschlossen sei, weil nur er denselben zu würdigen wisse, oder indem sie
ein Wort von einem Mitbewerber fallen ließen, der entweder schon ein Gebot
gethan habe oder demnächst eintreffen werde u. s. w. Als das Glücksschiff
Strousbergs gescheitert war, trauerte wohl niemand aufrichtiger als manche
Kunsthändler, denn er hatte nicht nur selbst glänzende Preise gezahlt, sondern
unschlüssige Liebhaber waren dnrch die bloße Drohung mit seinem Namen zu
raschem Entschlüsse zu bringen gewesen. Wie oft thut der nachlässig hingeworfene
Name Rothschild seine Wirkung! Wenn die kunstliebenden und einen Teil ihres
Reichtums in odjsts ä'art et as ouriositö anlegenden Mitglieder dieser Familie
wirklich alles das kauften, worauf sie angeblich ein Auge geworfen haben, ihre
Paläste in den Hauptstädten Europas wären längst viel zu klein. Wieviel könnte
erspart werden, wenn zwischen den öffentlichen Sammlungen eine Verständigung
zu ermöglichen wäre!

Aber wir irren von unserm eigentlichen Thema ab. Der zitirte französische
Autor kommt am Ende seines Buches zu einem Vorschlage, welcher mit dem
Gedanken der Carrcmd Vater und Sohn einige Ähnlichkeit hat. Die Experten


Die Künste der Fälscher.

sich, gegen die doppelte Gebühr denselben für zwei Drittel ihrer Schätzung selbst
zu erwerben.

Dieses merkwürdige, von Paul Endet in seinem unlängst erschienenen
Buche I^s 'Irn<^QS,As. I^Sö LovtrskayoiiZ üsvoiläss vollständig mitgeteilte
Schriftstück scheint keinerlei Erfolg gehabt zu haben. Allerdings hatte damals
das Fälscherunwesen noch nicht entfernt seine jetzige Höhe erreicht, und das
Sammeln war noch nicht so sehr zur Mode geworden — zwei Umstände, welche
einigermaßen in dem Verhältnis von Wirkung und Ursache stehen. Doch mag
der Hauptgrund des Fehlschlagens jenes Versuches wohl in einer Eigentümlichkeit
der meisten Sammler zu suchen sein, nämlich in der Eifersucht, dem Mißtrauen
und der Schadenfreude, welche zwischen ihnen zu herrschen pflegt und den Fälschern
und deren Helfershelfern vor allem zustanden kommt. Gewiß würden jene viel
seltener Opfer eines Betruges werden, wenn sie nicht in jedem Sachverständigen
einen gewissenlosen Rivalen erblickten, vor welchem ein Fund geheimgehalten
werden müsse. „Denn, lautet das geheime Räsonnement, hält er das Stück für
gut, so wird er bemüht sein, es mir wegzufischen, im entgegengesetzten Falle wird
er seine wahre Meinung zurückhalten, um mich hineinfallen zu lassen." Und
will nicht außerdem ein jeder Kenner genug sein? Kostet es nicht große Über¬
windung einzugestehen, daß man sich nicht sicher fühle und bei einem andern
schärferen Blick, größere Erfahrung voraussetze? Aber das verstehen, wie gesagt,
gewisse Händler sich trefflich zunutze zu machen, und wenn sie Memoiren schreiben
wollten, würden sie erzählen können, wie viele Fälschungen sie an den Mann
gebracht, welche übertriebenen Preise sie für echte Sachen erzielt haben, indem
sie dem Betreffenden vorspiegelte», noch habe keines Sterblichen Auge den soeben
erst entdeckten und gehobenen Schatz erblickt, den der Entdecker nur ihm abzu¬
treten entschlossen sei, weil nur er denselben zu würdigen wisse, oder indem sie
ein Wort von einem Mitbewerber fallen ließen, der entweder schon ein Gebot
gethan habe oder demnächst eintreffen werde u. s. w. Als das Glücksschiff
Strousbergs gescheitert war, trauerte wohl niemand aufrichtiger als manche
Kunsthändler, denn er hatte nicht nur selbst glänzende Preise gezahlt, sondern
unschlüssige Liebhaber waren dnrch die bloße Drohung mit seinem Namen zu
raschem Entschlüsse zu bringen gewesen. Wie oft thut der nachlässig hingeworfene
Name Rothschild seine Wirkung! Wenn die kunstliebenden und einen Teil ihres
Reichtums in odjsts ä'art et as ouriositö anlegenden Mitglieder dieser Familie
wirklich alles das kauften, worauf sie angeblich ein Auge geworfen haben, ihre
Paläste in den Hauptstädten Europas wären längst viel zu klein. Wieviel könnte
erspart werden, wenn zwischen den öffentlichen Sammlungen eine Verständigung
zu ermöglichen wäre!

Aber wir irren von unserm eigentlichen Thema ab. Der zitirte französische
Autor kommt am Ende seines Buches zu einem Vorschlage, welcher mit dem
Gedanken der Carrcmd Vater und Sohn einige Ähnlichkeit hat. Die Experten


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[0476] Die Künste der Fälscher. sich, gegen die doppelte Gebühr denselben für zwei Drittel ihrer Schätzung selbst zu erwerben. Dieses merkwürdige, von Paul Endet in seinem unlängst erschienenen Buche I^s 'Irn<^QS,As. I^Sö LovtrskayoiiZ üsvoiläss vollständig mitgeteilte Schriftstück scheint keinerlei Erfolg gehabt zu haben. Allerdings hatte damals das Fälscherunwesen noch nicht entfernt seine jetzige Höhe erreicht, und das Sammeln war noch nicht so sehr zur Mode geworden — zwei Umstände, welche einigermaßen in dem Verhältnis von Wirkung und Ursache stehen. Doch mag der Hauptgrund des Fehlschlagens jenes Versuches wohl in einer Eigentümlichkeit der meisten Sammler zu suchen sein, nämlich in der Eifersucht, dem Mißtrauen und der Schadenfreude, welche zwischen ihnen zu herrschen pflegt und den Fälschern und deren Helfershelfern vor allem zustanden kommt. Gewiß würden jene viel seltener Opfer eines Betruges werden, wenn sie nicht in jedem Sachverständigen einen gewissenlosen Rivalen erblickten, vor welchem ein Fund geheimgehalten werden müsse. „Denn, lautet das geheime Räsonnement, hält er das Stück für gut, so wird er bemüht sein, es mir wegzufischen, im entgegengesetzten Falle wird er seine wahre Meinung zurückhalten, um mich hineinfallen zu lassen." Und will nicht außerdem ein jeder Kenner genug sein? Kostet es nicht große Über¬ windung einzugestehen, daß man sich nicht sicher fühle und bei einem andern schärferen Blick, größere Erfahrung voraussetze? Aber das verstehen, wie gesagt, gewisse Händler sich trefflich zunutze zu machen, und wenn sie Memoiren schreiben wollten, würden sie erzählen können, wie viele Fälschungen sie an den Mann gebracht, welche übertriebenen Preise sie für echte Sachen erzielt haben, indem sie dem Betreffenden vorspiegelte», noch habe keines Sterblichen Auge den soeben erst entdeckten und gehobenen Schatz erblickt, den der Entdecker nur ihm abzu¬ treten entschlossen sei, weil nur er denselben zu würdigen wisse, oder indem sie ein Wort von einem Mitbewerber fallen ließen, der entweder schon ein Gebot gethan habe oder demnächst eintreffen werde u. s. w. Als das Glücksschiff Strousbergs gescheitert war, trauerte wohl niemand aufrichtiger als manche Kunsthändler, denn er hatte nicht nur selbst glänzende Preise gezahlt, sondern unschlüssige Liebhaber waren dnrch die bloße Drohung mit seinem Namen zu raschem Entschlüsse zu bringen gewesen. Wie oft thut der nachlässig hingeworfene Name Rothschild seine Wirkung! Wenn die kunstliebenden und einen Teil ihres Reichtums in odjsts ä'art et as ouriositö anlegenden Mitglieder dieser Familie wirklich alles das kauften, worauf sie angeblich ein Auge geworfen haben, ihre Paläste in den Hauptstädten Europas wären längst viel zu klein. Wieviel könnte erspart werden, wenn zwischen den öffentlichen Sammlungen eine Verständigung zu ermöglichen wäre! Aber wir irren von unserm eigentlichen Thema ab. Der zitirte französische Autor kommt am Ende seines Buches zu einem Vorschlage, welcher mit dem Gedanken der Carrcmd Vater und Sohn einige Ähnlichkeit hat. Die Experten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/476>, abgerufen am 27.06.2024.