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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

trennt, wie hier in dein Alabaster zwey Löcher dazu gearbeitet sind, sondern eng-
geschlossen an einander, echt mnmicnnrtig. Daß es keine Isis ist, was wir hier
sehen, beweißt auch die Drcipirung der Figur. Alle Jsisbilder in größeren und
kleineren Dimensionen haben ein unter der Brust zusammen geknüpftes oder in
eine Art von Bausch charakteristisch zusammen gelegtes Gewnud, was dieser Figur
völlig fehlt. --

Leipzig
d. 20 Mai
1811.


C. A Böttiger,

Für das hohe Ansehen, welches Goethe als Autorität in Kimstfragen
genoß, sind die hier mitgeteilten Schriftstücke ein neues und verhältnismäßig
frühes Zeugnis. Leider läßt sich die Giltigkeit seines Gutachtens im vorliegenden
Falle nicht nachprüfen; die Fregische Statuette ist, wie Herr Professor Woldemar
Frege in Leipzig mir mitteilen ließ, nicht mehr im Besitz der Familie, auch ist
über ihren Verbleib nichts bekannt. Vielleicht ist sie in eine öffentliche Samm¬
lung gelangt und gewinnt nun dort durch das Interesse, das Goethe ihr einmal
zugewandt hat, eine größere Bedeutung, als sie etwa -- vom Standpunkte der
heutigen Archäologie aus -- um ihrer selbst willen beanspruchen könnte.


G. Wust manu.


Die Künste der Fälscher.
i.

in Jahre 1660 erließen I. B. Carrand, früher Direktor der
städtischen Archive von Lyon, und dessen Sohn L. Carrand,
aronsoloZus, von Paris aus ein Zirkular an Kunstfreunde und
Sammler, in welchem sie sich angesichts der überhandnehmenden
Fälschung auf allen Gebieten, denen sich der Sammeleifer zu¬
wendet, erboten, Kunstgegenstände auf ihre Echtheit zu prüfen. Ausgenommen
sollten hiervon werden Gemälde, Zeichnungen, Knnstdrucke, Münzen und Medaillen,
weil für dergleichen eigne Experten bestellt seien; dagegen waren sie bereit, alles
übrige, was die Franzosen unter dem Ausdruck vbjsts ä'art se ä'^ntiauitö be¬
greifen, europäischer Herkunft und aus der Zeit von Justinian bis zum Ende
des siebzehnten Jahrhunderts, zu übernehmen, innerhalb von vieruudzwmizig
Stunden zu untersuchen, zu beschreiben, zu erklären und geeignetenfalls mit einem
Zeugnis der Echtheit zu versehen. Dafür begehrten sie drei Prozent des Wertes
des beurteilten Gegenstandes (mindestens aber zehn Franks), und verpflichteten


Die Künste der Fälscher.

trennt, wie hier in dein Alabaster zwey Löcher dazu gearbeitet sind, sondern eng-
geschlossen an einander, echt mnmicnnrtig. Daß es keine Isis ist, was wir hier
sehen, beweißt auch die Drcipirung der Figur. Alle Jsisbilder in größeren und
kleineren Dimensionen haben ein unter der Brust zusammen geknüpftes oder in
eine Art von Bausch charakteristisch zusammen gelegtes Gewnud, was dieser Figur
völlig fehlt. —

Leipzig
d. 20 Mai
1811.


C. A Böttiger,

Für das hohe Ansehen, welches Goethe als Autorität in Kimstfragen
genoß, sind die hier mitgeteilten Schriftstücke ein neues und verhältnismäßig
frühes Zeugnis. Leider läßt sich die Giltigkeit seines Gutachtens im vorliegenden
Falle nicht nachprüfen; die Fregische Statuette ist, wie Herr Professor Woldemar
Frege in Leipzig mir mitteilen ließ, nicht mehr im Besitz der Familie, auch ist
über ihren Verbleib nichts bekannt. Vielleicht ist sie in eine öffentliche Samm¬
lung gelangt und gewinnt nun dort durch das Interesse, das Goethe ihr einmal
zugewandt hat, eine größere Bedeutung, als sie etwa — vom Standpunkte der
heutigen Archäologie aus — um ihrer selbst willen beanspruchen könnte.


G. Wust manu.


Die Künste der Fälscher.
i.

in Jahre 1660 erließen I. B. Carrand, früher Direktor der
städtischen Archive von Lyon, und dessen Sohn L. Carrand,
aronsoloZus, von Paris aus ein Zirkular an Kunstfreunde und
Sammler, in welchem sie sich angesichts der überhandnehmenden
Fälschung auf allen Gebieten, denen sich der Sammeleifer zu¬
wendet, erboten, Kunstgegenstände auf ihre Echtheit zu prüfen. Ausgenommen
sollten hiervon werden Gemälde, Zeichnungen, Knnstdrucke, Münzen und Medaillen,
weil für dergleichen eigne Experten bestellt seien; dagegen waren sie bereit, alles
übrige, was die Franzosen unter dem Ausdruck vbjsts ä'art se ä'^ntiauitö be¬
greifen, europäischer Herkunft und aus der Zeit von Justinian bis zum Ende
des siebzehnten Jahrhunderts, zu übernehmen, innerhalb von vieruudzwmizig
Stunden zu untersuchen, zu beschreiben, zu erklären und geeignetenfalls mit einem
Zeugnis der Echtheit zu versehen. Dafür begehrten sie drei Prozent des Wertes
des beurteilten Gegenstandes (mindestens aber zehn Franks), und verpflichteten


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[0475] Die Künste der Fälscher. trennt, wie hier in dein Alabaster zwey Löcher dazu gearbeitet sind, sondern eng- geschlossen an einander, echt mnmicnnrtig. Daß es keine Isis ist, was wir hier sehen, beweißt auch die Drcipirung der Figur. Alle Jsisbilder in größeren und kleineren Dimensionen haben ein unter der Brust zusammen geknüpftes oder in eine Art von Bausch charakteristisch zusammen gelegtes Gewnud, was dieser Figur völlig fehlt. — Leipzig d. 20 Mai 1811. C. A Böttiger, Für das hohe Ansehen, welches Goethe als Autorität in Kimstfragen genoß, sind die hier mitgeteilten Schriftstücke ein neues und verhältnismäßig frühes Zeugnis. Leider läßt sich die Giltigkeit seines Gutachtens im vorliegenden Falle nicht nachprüfen; die Fregische Statuette ist, wie Herr Professor Woldemar Frege in Leipzig mir mitteilen ließ, nicht mehr im Besitz der Familie, auch ist über ihren Verbleib nichts bekannt. Vielleicht ist sie in eine öffentliche Samm¬ lung gelangt und gewinnt nun dort durch das Interesse, das Goethe ihr einmal zugewandt hat, eine größere Bedeutung, als sie etwa — vom Standpunkte der heutigen Archäologie aus — um ihrer selbst willen beanspruchen könnte. G. Wust manu. Die Künste der Fälscher. i. in Jahre 1660 erließen I. B. Carrand, früher Direktor der städtischen Archive von Lyon, und dessen Sohn L. Carrand, aronsoloZus, von Paris aus ein Zirkular an Kunstfreunde und Sammler, in welchem sie sich angesichts der überhandnehmenden Fälschung auf allen Gebieten, denen sich der Sammeleifer zu¬ wendet, erboten, Kunstgegenstände auf ihre Echtheit zu prüfen. Ausgenommen sollten hiervon werden Gemälde, Zeichnungen, Knnstdrucke, Münzen und Medaillen, weil für dergleichen eigne Experten bestellt seien; dagegen waren sie bereit, alles übrige, was die Franzosen unter dem Ausdruck vbjsts ä'art se ä'^ntiauitö be¬ greifen, europäischer Herkunft und aus der Zeit von Justinian bis zum Ende des siebzehnten Jahrhunderts, zu übernehmen, innerhalb von vieruudzwmizig Stunden zu untersuchen, zu beschreiben, zu erklären und geeignetenfalls mit einem Zeugnis der Echtheit zu versehen. Dafür begehrten sie drei Prozent des Wertes des beurteilten Gegenstandes (mindestens aber zehn Franks), und verpflichteten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/475>, abgerufen am 27.06.2024.