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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der <orden5adel.

oder Kirchenbauten zu spenden oder Schülerstipendien zu stiften oder -- was
nur unter der Hand verlautete -- dem Ministerium einen Betrag zur freien
Verfügung zu stellen, d, h. zur Unterstützung offiziöser Zeitungen, und für solche
Opferwilligkeit glaubte das Ministerium sich dankbar erweisen zu müssen. So
machte ein ungelesenes Blatt einen Fabrikbesitzer zum Ritter, dann zum Baron,
und als damit entweder sein Ehrgeiz befriedigt oder seine Freigebigkeit erschöpft
war, ging es so still ein, wie es gelebt hatte.

Über diese Börsenaristokratie ist viel und, wie wir gesehen haben, recht
bitter gespottet worden. Und die Sache war doch eigentlich sehr ernst. Was
in aller Welt konnten die Regierungsmänner sich dabei denken, daß sie in solcher
Weise gleichzeitig den Adel und die Ordenszeichen entwerteten -- wenn sie über¬
haupt dabei etwas dachten? An eines schienen sie bestimmt nicht zu denken,
wie sehr sie nämlich den Bürgerstand schädigten.

Entwertet wurden, wie gesagt, alle Auszeichnungen, wie das Geld in der
Zeit bis 1873. Sollte das vieljährige gemeinnützige Wirken eines großen
Kaufmanns oder Fabrikanten anerkannt werden, was früher durch Verleihung
des noch lange nach Goethes Eltern hochgehaltenen Titels "Kaiserlicher Rat"
oder eines nicht zum Adel berechtigenden Ordens geschehen sein würde, wünschte
man einem Gelehrten, Hochschulprofessor, Künstler n. s. w. ein Zeichen fürstlicher
Huld zuzuwenden, so durften diese doch nicht niedriger taxirt werden als die
Börsenjobber. Mithin regnete es auch auf solche Kreise Adelsorden. Und leider
bewährte sich äußerst selten jener Bürgerstvlz, welcher den ererbten ehrlichen
und durch eigne Thatkraft zu höherem Ausehen gebrachten Namen für zu gut
hält, um ihm zu entsagen und dafür die Duldung in einer andern höchst ge¬
mischten Gesellschaft einzutauschen. Allerdings legte derjenige, welcher es sehr
eilig hatte, ein unerhörtes Wappen zu ersinnen, persönlich nicht den mindesten
Wert auf dergleichen leere Äußerlichkeiten, bewahre! Aber die Frau ließ ihm
keine Ruhe, oder er glaubte seinen Kindern dadurch den Lebensweg ebnen zu
können, oder er fürchtete die Gnade des Kaisers einzubüßen, wenn er von der
Vergünstigung keinen Gebrauch machte, und was der beliebten Vorwände mehr
waren, um z. B. zu rechtfertigen, daß Universitätsprofessoren, welche einem
Rufe ins Ausland folgten, sich in aller Eile noch auf Grund des Ordens in
den österreichischen Ritterstand erheben ließen. Wenn ein Geschäftsmann das¬
selbe that, so war es nicht ganz dasselbe. Er konnte das Interesse seiner Firma
geltend machen. Seitdem es Sitte geworden war, namentlich nach großen Aus¬
stellungen, die angesehensten Industriellen zu dekoriren, gehörte das Adelsprä-
dikat des Chefs eines Hauses ebenso zum Reklameapparat wie die goldnen
Medaillen. Und für tüchtige Männer war auch keine Gefahr dabei, sie lebten
ihren Unternehmungen nach wie vor, fungirten im Komptoir, in der Fabrik
oder auch hinter dem Ladentische weiter, ohne daß sie geglaubt hätten, dadurch
ihrem jungen Rittertum etwas zu vergeben. Indessen denken gewöhnlich schon


Der <orden5adel.

oder Kirchenbauten zu spenden oder Schülerstipendien zu stiften oder — was
nur unter der Hand verlautete — dem Ministerium einen Betrag zur freien
Verfügung zu stellen, d, h. zur Unterstützung offiziöser Zeitungen, und für solche
Opferwilligkeit glaubte das Ministerium sich dankbar erweisen zu müssen. So
machte ein ungelesenes Blatt einen Fabrikbesitzer zum Ritter, dann zum Baron,
und als damit entweder sein Ehrgeiz befriedigt oder seine Freigebigkeit erschöpft
war, ging es so still ein, wie es gelebt hatte.

Über diese Börsenaristokratie ist viel und, wie wir gesehen haben, recht
bitter gespottet worden. Und die Sache war doch eigentlich sehr ernst. Was
in aller Welt konnten die Regierungsmänner sich dabei denken, daß sie in solcher
Weise gleichzeitig den Adel und die Ordenszeichen entwerteten — wenn sie über¬
haupt dabei etwas dachten? An eines schienen sie bestimmt nicht zu denken,
wie sehr sie nämlich den Bürgerstand schädigten.

Entwertet wurden, wie gesagt, alle Auszeichnungen, wie das Geld in der
Zeit bis 1873. Sollte das vieljährige gemeinnützige Wirken eines großen
Kaufmanns oder Fabrikanten anerkannt werden, was früher durch Verleihung
des noch lange nach Goethes Eltern hochgehaltenen Titels „Kaiserlicher Rat"
oder eines nicht zum Adel berechtigenden Ordens geschehen sein würde, wünschte
man einem Gelehrten, Hochschulprofessor, Künstler n. s. w. ein Zeichen fürstlicher
Huld zuzuwenden, so durften diese doch nicht niedriger taxirt werden als die
Börsenjobber. Mithin regnete es auch auf solche Kreise Adelsorden. Und leider
bewährte sich äußerst selten jener Bürgerstvlz, welcher den ererbten ehrlichen
und durch eigne Thatkraft zu höherem Ausehen gebrachten Namen für zu gut
hält, um ihm zu entsagen und dafür die Duldung in einer andern höchst ge¬
mischten Gesellschaft einzutauschen. Allerdings legte derjenige, welcher es sehr
eilig hatte, ein unerhörtes Wappen zu ersinnen, persönlich nicht den mindesten
Wert auf dergleichen leere Äußerlichkeiten, bewahre! Aber die Frau ließ ihm
keine Ruhe, oder er glaubte seinen Kindern dadurch den Lebensweg ebnen zu
können, oder er fürchtete die Gnade des Kaisers einzubüßen, wenn er von der
Vergünstigung keinen Gebrauch machte, und was der beliebten Vorwände mehr
waren, um z. B. zu rechtfertigen, daß Universitätsprofessoren, welche einem
Rufe ins Ausland folgten, sich in aller Eile noch auf Grund des Ordens in
den österreichischen Ritterstand erheben ließen. Wenn ein Geschäftsmann das¬
selbe that, so war es nicht ganz dasselbe. Er konnte das Interesse seiner Firma
geltend machen. Seitdem es Sitte geworden war, namentlich nach großen Aus¬
stellungen, die angesehensten Industriellen zu dekoriren, gehörte das Adelsprä-
dikat des Chefs eines Hauses ebenso zum Reklameapparat wie die goldnen
Medaillen. Und für tüchtige Männer war auch keine Gefahr dabei, sie lebten
ihren Unternehmungen nach wie vor, fungirten im Komptoir, in der Fabrik
oder auch hinter dem Ladentische weiter, ohne daß sie geglaubt hätten, dadurch
ihrem jungen Rittertum etwas zu vergeben. Indessen denken gewöhnlich schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/451>, abgerufen am 27.06.2024.