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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngol auf Lrden.

Gut, wir wollen gehen.

Als Carajo vor dem Administrator erschien, herrschte ihn dieser mit zor¬
niger Miene an.

Wißt Ihr, was vorgefallen ist?

Nein, mein Herr, ich weiß nichts, antwortete Carajo, indem er sich ver¬
beugte.

Dann will ich es Euch sagen. Vor ganz kurzem ist eine goldne Uhr in
einem Zimmer des Kurhauses gestohlen worden.

Carajo biß vor Zorn auf seinen Schnurrbart und sagte sich: Es ist dieser
Affe von Col" gewesen, der den Streich ausgeführt hat. Aber er ließ sich nicht
aus der Fassung bringen.

Es ist eine Ruchlosigkeit, die in diesem Hause, solange es steht, kein Bei¬
spiel hat. Die Ehre des ganzen Etablissements ist dabei im Spiele, und
Ihr begreift, daß man in einer solchen Sache nicht die Hand in den Schoß
legen wird.

Die Sache ist sehr bedauerlich, antwortete Carajo, aber ich weiß nur nicht,
was sie mich angehen soll.

So? Ihr wißt es nicht? Ich bürge für sämtliche Leute im Hause, wie
für mich selbst. Unter ihnen kann der Dieb nicht sein. Ohne alle Komplimente,
der Spitzbube ist nicht eher am Werke gewesen, als nachdem Eure Gesellschaft
hier erschienen war.

Mein Herr, das ist eine schwere Anklage! Weil wir arm sind, wollen Sie
uns für unehrlich erklären.

Wir wollen nicht viel Worte machen. Ich liebe es nicht, einen Skandal
zu erheben. Wenn sich die Uhr nicht heute Abend noch wiederfindet, so werdet
Ihr nicht nur keine Vorstellung geben, sondern auch mit den Gendarmen und
dem Richter zu thun bekommen.

Aber wenn wir unschuldig sind?

Das werdet Ihr dein Gerichte zu beweisen haben. Ich Habs gesagt. Geht
und bedenkt es.

Carajo zog sich mit Gift und Galle im Herzen zurück.

Also auch noch als das Haupt einer Diebesbande werde ich erscheinen?
War es an meiner Demütigung nicht genug? Verbannter Cota!

Er suchte ihn eiligst auf und fand das kleine Ungeheuer, welches die
Zwischenzeit benutzt hatte, sich an der Flasche gütlich zu thun, in halb be¬
rauschten Zustande.

Carajo riß ihm die Flasche aus der Hand.

Schurke! sagte er wütend und packte ihn am Arme, wie an jenem Tage,
wo er sich das Portemonnaie der Gräfin herausgeben ließ. Wo hast du die
Uhr versteckt, die du gestohlen hast?

Cota stieß keinen Schrei aus, aber seine Gesichtszüge verzogen sich und
wurden blau vor Schmerz.

<üarg.nit)o! rief er, Wut und Haß im Blicke. Ich habe nichts genommen.

Carajo drückte noch stärker. Sprich!

Der Mexikaner krümmte sich wie eine Schlange, welche auf ein glühendes
Kohlenfeuer geworfen wird, biß aber die Zähne aufeinander. Seine Augen
sprühten Flammen. Der Rum, den er geschluckt hatte, verlieh ihm den Mut,
die Drohung auszustoßen: Ihr mißhandelt mich zu arg, Carajo. Ich werde
mich eines Tages rächen. Hier ist die Uhr.


Die Lngol auf Lrden.

Gut, wir wollen gehen.

Als Carajo vor dem Administrator erschien, herrschte ihn dieser mit zor¬
niger Miene an.

Wißt Ihr, was vorgefallen ist?

Nein, mein Herr, ich weiß nichts, antwortete Carajo, indem er sich ver¬
beugte.

Dann will ich es Euch sagen. Vor ganz kurzem ist eine goldne Uhr in
einem Zimmer des Kurhauses gestohlen worden.

Carajo biß vor Zorn auf seinen Schnurrbart und sagte sich: Es ist dieser
Affe von Col« gewesen, der den Streich ausgeführt hat. Aber er ließ sich nicht
aus der Fassung bringen.

Es ist eine Ruchlosigkeit, die in diesem Hause, solange es steht, kein Bei¬
spiel hat. Die Ehre des ganzen Etablissements ist dabei im Spiele, und
Ihr begreift, daß man in einer solchen Sache nicht die Hand in den Schoß
legen wird.

Die Sache ist sehr bedauerlich, antwortete Carajo, aber ich weiß nur nicht,
was sie mich angehen soll.

So? Ihr wißt es nicht? Ich bürge für sämtliche Leute im Hause, wie
für mich selbst. Unter ihnen kann der Dieb nicht sein. Ohne alle Komplimente,
der Spitzbube ist nicht eher am Werke gewesen, als nachdem Eure Gesellschaft
hier erschienen war.

Mein Herr, das ist eine schwere Anklage! Weil wir arm sind, wollen Sie
uns für unehrlich erklären.

Wir wollen nicht viel Worte machen. Ich liebe es nicht, einen Skandal
zu erheben. Wenn sich die Uhr nicht heute Abend noch wiederfindet, so werdet
Ihr nicht nur keine Vorstellung geben, sondern auch mit den Gendarmen und
dem Richter zu thun bekommen.

Aber wenn wir unschuldig sind?

Das werdet Ihr dein Gerichte zu beweisen haben. Ich Habs gesagt. Geht
und bedenkt es.

Carajo zog sich mit Gift und Galle im Herzen zurück.

Also auch noch als das Haupt einer Diebesbande werde ich erscheinen?
War es an meiner Demütigung nicht genug? Verbannter Cota!

Er suchte ihn eiligst auf und fand das kleine Ungeheuer, welches die
Zwischenzeit benutzt hatte, sich an der Flasche gütlich zu thun, in halb be¬
rauschten Zustande.

Carajo riß ihm die Flasche aus der Hand.

Schurke! sagte er wütend und packte ihn am Arme, wie an jenem Tage,
wo er sich das Portemonnaie der Gräfin herausgeben ließ. Wo hast du die
Uhr versteckt, die du gestohlen hast?

Cota stieß keinen Schrei aus, aber seine Gesichtszüge verzogen sich und
wurden blau vor Schmerz.

<üarg.nit)o! rief er, Wut und Haß im Blicke. Ich habe nichts genommen.

Carajo drückte noch stärker. Sprich!

Der Mexikaner krümmte sich wie eine Schlange, welche auf ein glühendes
Kohlenfeuer geworfen wird, biß aber die Zähne aufeinander. Seine Augen
sprühten Flammen. Der Rum, den er geschluckt hatte, verlieh ihm den Mut,
die Drohung auszustoßen: Ihr mißhandelt mich zu arg, Carajo. Ich werde
mich eines Tages rächen. Hier ist die Uhr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/440>, abgerufen am 22.06.2024.