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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Das Werk Salzmanns.

Diese Salzmannschcn Pläne stellen sich unsrer heutigen Auffassung dar
wie Bildwerke archaistischen Stils; künstlerische Kraft und künstlerisches Ungeschick,
beides dicht beieinander. Immerhin hat Salzmann eine hundertjährige Dauer
seines auf diesen Fundamenten gebauten Erzichungshauses für sich, ein Erfolg,
der freilich mehr noch der Tüchtigkeit und liebevollen Hingabe der Direktoren
und Erzieher, als der pädagogischen Methode verdankt wird.

Der Aufruf Salzmanns hatte, wenn auch nicht sogleich, so doch all¬
mählich einen günstigen Erfolg. Der erste auswärtige Zögling war Karl
Ritter, der nachmals so berühmt gewordene Geograph. Zugleich trat als Er¬
zieher Gutsmuths in die Anstalt. Die Zahl der Zöglinge, unter denen sich
vorübergehend auch Mädchen befunden hatten, wuchs 1789 von 16 auf 22, im
folgenden Jahre bis auf 29. Neben dem großen wurde ein zweites gleiches
Jnstitutshaus gebaut. Der Zwischenraum zwischen beiden wurde 1837 durch
den bekannten Turmbau ausgefüllt. 1803 zählte Salzmann 61 Zöglinge, die
höchste Ziffer, die er erreicht hat. In den nun folgenden Kriegsjahren hatte
die Anstalt schwer zu leiden. Zwar überdauerte sie die harten Zeiten, aber
Salzmann erlebte nicht den neuen Aufschwung. Er starb 1811. Sein Sohn
Karl Salzmann führte die Direktion im Sinne seines Vaters bis 1848, in
welchem Jahre er die Leitung seinem Neffen Wilhelm Ausfeld übergab.
Unter diesem, welcher es verstand, die alten Formen durch neue, zeitgemäße zu
ersetzen, ohne jedoch den Geist Salzmanns zu verleugnen, gewann Schnepfenthal
einen neuen Aufschwung. Leider starb er bereits 1880, indem er seinem damals
erst dreißigjährigen Sohne Dr. Wilhelm Ausfeld die Direktion in einem
Augenblicke überließ, in dem abermals wichtige prinzipielle Entscheidungen nicht
mehr aufzuschieben waren.

Innerhalb dieser hundert Jahre sind 1347 Knaben in Schnepfenthal er¬
zogen worden.*) Davon stammen aus Deutschland und Österreich 1085, die
übrigen sind Ausländer. Unter letzteren ist Rußland mit 41, England mit 36,
die Schweiz mit 35, Brasilien mit 28 vertreten. Unter den Städten, aus welchen
die meisten der Zöglinge kamen, steht obenan Leipzig, dann folgen Wien und
Hamburg. Es befanden sich unter den Zöglingen 17 Prinzen und 58 Grafen.
Die meisten der Zöglinge wurden Kaufleute, nämlich 254, dann folgen 138 Offiziere,
171 Gutsbesitzer, 88 Staatsbeamte, 70 Rentner, 54 Industrielle, 30 Professoren
und Lehrer, 12 Universitätsprofessoren u. s. w.

Diese, sowie eine große Anzahl weiterer Berufsarten sind von den Zöglingen
einer und derselben Anstalt gewählt worden. Dies konnte erreicht werden durch



Ich entnehme die nachfolgenden Zahlen, sowie auch andres Material einer Schrift,
welche gelegentlich des diesjährigen Jubiläums als literarisches Denkmal von den alten Zög¬
lingen Schuepfenthals herausgegeben worden ist, einem stattlichen, schön illustrirten Quart¬
band, welcher jedem der Festteilnehmer überreicht wurde und welcher den Titel führt: Fest¬
schrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal.
(Leipzig, F. A. Brockhaus).
Das Werk Salzmanns.

Diese Salzmannschcn Pläne stellen sich unsrer heutigen Auffassung dar
wie Bildwerke archaistischen Stils; künstlerische Kraft und künstlerisches Ungeschick,
beides dicht beieinander. Immerhin hat Salzmann eine hundertjährige Dauer
seines auf diesen Fundamenten gebauten Erzichungshauses für sich, ein Erfolg,
der freilich mehr noch der Tüchtigkeit und liebevollen Hingabe der Direktoren
und Erzieher, als der pädagogischen Methode verdankt wird.

Der Aufruf Salzmanns hatte, wenn auch nicht sogleich, so doch all¬
mählich einen günstigen Erfolg. Der erste auswärtige Zögling war Karl
Ritter, der nachmals so berühmt gewordene Geograph. Zugleich trat als Er¬
zieher Gutsmuths in die Anstalt. Die Zahl der Zöglinge, unter denen sich
vorübergehend auch Mädchen befunden hatten, wuchs 1789 von 16 auf 22, im
folgenden Jahre bis auf 29. Neben dem großen wurde ein zweites gleiches
Jnstitutshaus gebaut. Der Zwischenraum zwischen beiden wurde 1837 durch
den bekannten Turmbau ausgefüllt. 1803 zählte Salzmann 61 Zöglinge, die
höchste Ziffer, die er erreicht hat. In den nun folgenden Kriegsjahren hatte
die Anstalt schwer zu leiden. Zwar überdauerte sie die harten Zeiten, aber
Salzmann erlebte nicht den neuen Aufschwung. Er starb 1811. Sein Sohn
Karl Salzmann führte die Direktion im Sinne seines Vaters bis 1848, in
welchem Jahre er die Leitung seinem Neffen Wilhelm Ausfeld übergab.
Unter diesem, welcher es verstand, die alten Formen durch neue, zeitgemäße zu
ersetzen, ohne jedoch den Geist Salzmanns zu verleugnen, gewann Schnepfenthal
einen neuen Aufschwung. Leider starb er bereits 1880, indem er seinem damals
erst dreißigjährigen Sohne Dr. Wilhelm Ausfeld die Direktion in einem
Augenblicke überließ, in dem abermals wichtige prinzipielle Entscheidungen nicht
mehr aufzuschieben waren.

Innerhalb dieser hundert Jahre sind 1347 Knaben in Schnepfenthal er¬
zogen worden.*) Davon stammen aus Deutschland und Österreich 1085, die
übrigen sind Ausländer. Unter letzteren ist Rußland mit 41, England mit 36,
die Schweiz mit 35, Brasilien mit 28 vertreten. Unter den Städten, aus welchen
die meisten der Zöglinge kamen, steht obenan Leipzig, dann folgen Wien und
Hamburg. Es befanden sich unter den Zöglingen 17 Prinzen und 58 Grafen.
Die meisten der Zöglinge wurden Kaufleute, nämlich 254, dann folgen 138 Offiziere,
171 Gutsbesitzer, 88 Staatsbeamte, 70 Rentner, 54 Industrielle, 30 Professoren
und Lehrer, 12 Universitätsprofessoren u. s. w.

Diese, sowie eine große Anzahl weiterer Berufsarten sind von den Zöglingen
einer und derselben Anstalt gewählt worden. Dies konnte erreicht werden durch



Ich entnehme die nachfolgenden Zahlen, sowie auch andres Material einer Schrift,
welche gelegentlich des diesjährigen Jubiläums als literarisches Denkmal von den alten Zög¬
lingen Schuepfenthals herausgegeben worden ist, einem stattlichen, schön illustrirten Quart¬
band, welcher jedem der Festteilnehmer überreicht wurde und welcher den Titel führt: Fest¬
schrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal.
(Leipzig, F. A. Brockhaus).
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[0419] Das Werk Salzmanns. Diese Salzmannschcn Pläne stellen sich unsrer heutigen Auffassung dar wie Bildwerke archaistischen Stils; künstlerische Kraft und künstlerisches Ungeschick, beides dicht beieinander. Immerhin hat Salzmann eine hundertjährige Dauer seines auf diesen Fundamenten gebauten Erzichungshauses für sich, ein Erfolg, der freilich mehr noch der Tüchtigkeit und liebevollen Hingabe der Direktoren und Erzieher, als der pädagogischen Methode verdankt wird. Der Aufruf Salzmanns hatte, wenn auch nicht sogleich, so doch all¬ mählich einen günstigen Erfolg. Der erste auswärtige Zögling war Karl Ritter, der nachmals so berühmt gewordene Geograph. Zugleich trat als Er¬ zieher Gutsmuths in die Anstalt. Die Zahl der Zöglinge, unter denen sich vorübergehend auch Mädchen befunden hatten, wuchs 1789 von 16 auf 22, im folgenden Jahre bis auf 29. Neben dem großen wurde ein zweites gleiches Jnstitutshaus gebaut. Der Zwischenraum zwischen beiden wurde 1837 durch den bekannten Turmbau ausgefüllt. 1803 zählte Salzmann 61 Zöglinge, die höchste Ziffer, die er erreicht hat. In den nun folgenden Kriegsjahren hatte die Anstalt schwer zu leiden. Zwar überdauerte sie die harten Zeiten, aber Salzmann erlebte nicht den neuen Aufschwung. Er starb 1811. Sein Sohn Karl Salzmann führte die Direktion im Sinne seines Vaters bis 1848, in welchem Jahre er die Leitung seinem Neffen Wilhelm Ausfeld übergab. Unter diesem, welcher es verstand, die alten Formen durch neue, zeitgemäße zu ersetzen, ohne jedoch den Geist Salzmanns zu verleugnen, gewann Schnepfenthal einen neuen Aufschwung. Leider starb er bereits 1880, indem er seinem damals erst dreißigjährigen Sohne Dr. Wilhelm Ausfeld die Direktion in einem Augenblicke überließ, in dem abermals wichtige prinzipielle Entscheidungen nicht mehr aufzuschieben waren. Innerhalb dieser hundert Jahre sind 1347 Knaben in Schnepfenthal er¬ zogen worden.*) Davon stammen aus Deutschland und Österreich 1085, die übrigen sind Ausländer. Unter letzteren ist Rußland mit 41, England mit 36, die Schweiz mit 35, Brasilien mit 28 vertreten. Unter den Städten, aus welchen die meisten der Zöglinge kamen, steht obenan Leipzig, dann folgen Wien und Hamburg. Es befanden sich unter den Zöglingen 17 Prinzen und 58 Grafen. Die meisten der Zöglinge wurden Kaufleute, nämlich 254, dann folgen 138 Offiziere, 171 Gutsbesitzer, 88 Staatsbeamte, 70 Rentner, 54 Industrielle, 30 Professoren und Lehrer, 12 Universitätsprofessoren u. s. w. Diese, sowie eine große Anzahl weiterer Berufsarten sind von den Zöglingen einer und derselben Anstalt gewählt worden. Dies konnte erreicht werden durch Ich entnehme die nachfolgenden Zahlen, sowie auch andres Material einer Schrift, welche gelegentlich des diesjährigen Jubiläums als literarisches Denkmal von den alten Zög¬ lingen Schuepfenthals herausgegeben worden ist, einem stattlichen, schön illustrirten Quart¬ band, welcher jedem der Festteilnehmer überreicht wurde und welcher den Titel führt: Fest¬ schrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. (Leipzig, F. A. Brockhaus).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/419>, abgerufen am 22.06.2024.