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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Das Merk Salzmanns.

halten sie indes nicht nur für gefährlich, sondern geradezu schädlich. Groß-
und Kleinindustrie schließen sich doch gewiß nicht aus. Es ist schon oft
theoretisch nachgewiesen und auch statistisch durch die Gewcrbezählung erhärtet
worden, daß beide nicht nnr nebeneinander existiren können, sondern existiren
müssen. Es giebt Gewerbe, in welchen die Großindustrie niemals weite Ver¬
breitung finden kann, und es zeigen sich in jeder Bevölkerung Bedürfnisse, die
nie anders als durch das Handwerk werden Befriedigung finden können. Eine
Trennung in besondre Kammern würde daher nur dazu führen, die Mißstimmung
zu verschärfen, statt sie, wie es sonst wahrscheinlich ist, mit der Zeit auszusöhnen.

Dr. Jacobis Bericht kann jedem, der sich über Notwendigkeit und Zweck¬
mäßigkeit von Gewerbekammern klar werden will, angelegentlichst zum Studium
empfohlen werdeu.




Das Werk Halzmanns.
von Max Allihn.

in Jahre 1784 gab Christian Gotthilf Salzmann ein Pro¬
gramm heraus, in welchem er seine neueingerichtete Unterrichts-
anstalt zu Schnepfenthal ankündigte und zu ihrer Benutzung auf¬
forderte. Folgendes find die Hauptgedanken dieser Schrift.
Seit wenigstens fünfzehn Jahren ist in mir der Gedanke
lebendig, schreibt Salzmann, die vorzüglichste Ursache von dem vielen Jammer
und Elend in der Welt sei in der fehlerhaften Erziehung zu suchen. Ich habe
schon, als ich noch ganz arm und unbekannt war, den Wunsch gehabt, zur
Besserung dieser Schäden beizutragen, aber die frühere Berufsarbeit als Prediger
verbot es. Meine Beschäftigung am Erziehungsinstitut in Dessau belebte den
Gedanken von neuem, doch war es nicht möglich, denselben innerhalb des Rahmens
dieser Anstalt zu verwirklichen, ohne diese Anstalt und die eignen Pläne zu
schädigen. Es blieb nichts übrig, als ein neues Institut zu errichten. Durch
die Gnade des Herzogs von Gotha, welcher das Unternehmen unterstützte, ist
dies durch den Ankauf des Gutes Schnepfenthal gelungen. Aber das Wohn¬
haus erwies sich als zu klein, es mußte sogleich an den Neubau eines größern,
dessen Ansicht und Plan beigedruckt ist, gegangen werden. Die Vollendung
dieses Hauses, das in schönster Gegend und gesunder Lage auf einer Anhöhe
nahebei errichtet wird, steht im Frühjahr 1785 bevor.

Um von der innern Verfassung des Instituts zu reden, so soll der körperlichen
Pflege der Zöglinge besondre Sorgfalt zugewendet werden. Spartanisch sollen sie


Das Merk Salzmanns.

halten sie indes nicht nur für gefährlich, sondern geradezu schädlich. Groß-
und Kleinindustrie schließen sich doch gewiß nicht aus. Es ist schon oft
theoretisch nachgewiesen und auch statistisch durch die Gewcrbezählung erhärtet
worden, daß beide nicht nnr nebeneinander existiren können, sondern existiren
müssen. Es giebt Gewerbe, in welchen die Großindustrie niemals weite Ver¬
breitung finden kann, und es zeigen sich in jeder Bevölkerung Bedürfnisse, die
nie anders als durch das Handwerk werden Befriedigung finden können. Eine
Trennung in besondre Kammern würde daher nur dazu führen, die Mißstimmung
zu verschärfen, statt sie, wie es sonst wahrscheinlich ist, mit der Zeit auszusöhnen.

Dr. Jacobis Bericht kann jedem, der sich über Notwendigkeit und Zweck¬
mäßigkeit von Gewerbekammern klar werden will, angelegentlichst zum Studium
empfohlen werdeu.




Das Werk Halzmanns.
von Max Allihn.

in Jahre 1784 gab Christian Gotthilf Salzmann ein Pro¬
gramm heraus, in welchem er seine neueingerichtete Unterrichts-
anstalt zu Schnepfenthal ankündigte und zu ihrer Benutzung auf¬
forderte. Folgendes find die Hauptgedanken dieser Schrift.
Seit wenigstens fünfzehn Jahren ist in mir der Gedanke
lebendig, schreibt Salzmann, die vorzüglichste Ursache von dem vielen Jammer
und Elend in der Welt sei in der fehlerhaften Erziehung zu suchen. Ich habe
schon, als ich noch ganz arm und unbekannt war, den Wunsch gehabt, zur
Besserung dieser Schäden beizutragen, aber die frühere Berufsarbeit als Prediger
verbot es. Meine Beschäftigung am Erziehungsinstitut in Dessau belebte den
Gedanken von neuem, doch war es nicht möglich, denselben innerhalb des Rahmens
dieser Anstalt zu verwirklichen, ohne diese Anstalt und die eignen Pläne zu
schädigen. Es blieb nichts übrig, als ein neues Institut zu errichten. Durch
die Gnade des Herzogs von Gotha, welcher das Unternehmen unterstützte, ist
dies durch den Ankauf des Gutes Schnepfenthal gelungen. Aber das Wohn¬
haus erwies sich als zu klein, es mußte sogleich an den Neubau eines größern,
dessen Ansicht und Plan beigedruckt ist, gegangen werden. Die Vollendung
dieses Hauses, das in schönster Gegend und gesunder Lage auf einer Anhöhe
nahebei errichtet wird, steht im Frühjahr 1785 bevor.

Um von der innern Verfassung des Instituts zu reden, so soll der körperlichen
Pflege der Zöglinge besondre Sorgfalt zugewendet werden. Spartanisch sollen sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/414>, abgerufen am 22.06.2024.