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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Gewerbekammern.

der Gewerbefreiheit in Bremen und über Bremens Freihafenstellung bereitet er
dabei den Boden für das Verständnis der in mancher Beziehung eigenartigen
Organisation aufs glücklichste vor. Das unverkennbare Geschick, welches der
Verfasser schon in seinen bisherigen gewerbepolitischen Schriften für die Be¬
handlung derartiger Stoffe bewiesen hat, zeigt sich auch in dieser neuen.

Die Bremische Gewerbekammer verdankt den seit 1814 in Bremen be¬
ginnenden Verfassungskämpfen ihre Existenz. Schon der Entwurf zu einer
Verfassung aus dem Jahre 1837 suchte dem Gewerbestande zur Anerkennung
und Sicherung seiner politischen Rechte zu verhelfen und schlug die Errichtung
einer "Kammer für Handel und Gewerbe," sowie eines besondern Gewerbegerichts
vor. In ersterer sollten drei Senatsmitglieder, sechs Mitglieder des Kollegiums
der Aldermänner, nenn des Großhandels praktisch kundige Kaufleute der Börse
und zwölf Genossen der verschiednen Gewerbe sitzen und, in zwei Abteilungen
getrennt, die Interessen von Handel und Gewerbe wahrnehmen. Nur wo es
sich um Gegenstände drehte, die beide Abteilungen gleichmäßig berührten, war
an eine Beratung in der gesamten Kammer gedacht. Für das Gewerbegericht
war eine Zusammensetzung aus einem rechtsgelehrten Vorsitzenden und drei
Mitgliedern, unter denen zwei Juristen sein mußten, geplant. Mit dem Beginne
seiner Thätigkeit würde die Gerichtsbarkeit der Morgensprachsherren und In¬
spektoren der Zünfte ganz aufgehört haben.

Die allgemeinen Verhandlungen über den Entwurf von 1837 verliefen
resultatlos, und so war einstweilen auch von einer Gewerbekammer nicht mehr
die Rede. Erst durch die demokratisch gestaltete Verfassung vom 21. März 1849
wurde die Begründung derselben "zur Förderung des Gewerbewesens und der
Interessen des Gewerbestcmdcs" beschlossene Sache. Der einige Jahre vorher
ins Leben getretene Gewerbevcrein, der von 1844 bis 1848 bestand, war für
diese Wendung der Dinge nicht ohne Einfluß gewesen. Von Männern aus dem
Gewerbestande begründet, hatte er durch rege Thätigkeit, besonders auf dem
Gebiete des Unterrichtswesens und der gewerblichen Ausstellungen, den Sinn für
Hebung der einheimischen Industrie geweckt und gestärkt und der Wirksamkeit
eines staatlichen Instituts zur Wahrnehmung der gewerblichen Interessen in
gedeihlicher Weise vorgearbeitet. Am 2. April 1849 wurde die Kammer eröffnet.
Dem Spezialgesetze für dieselbe vom gleichen Tage folgten in den Jahren 1854,
1863, 1875 und 1879 mehrfache Änderungen, die jedoch die prinzipiellen
Grundlagen der Verfassung nicht berührten. Die gegenwärtig geltenden Ge¬
setze sind die vom 6. Oktober 1875 und 20. November 1879.

In Bremen geht die Gewcrbekammer ans dem sogenannten Gewerbekonvent
hervor. Aus Bürgern, deren Berufsthätigkeit die Betreibung eines Handwerks
oder einer Fabrik ist oder war, wird der Gewerbekonvent gebildet, für welchen
die verschiednen Gewerbe Repräsentanten auf eine bestimmte Anzahl von Jahren
wählen. Die sämtlichen Gewerbetreibenden sind zu diesem Zwecke in acht Ab-


Gewerbekammern.

der Gewerbefreiheit in Bremen und über Bremens Freihafenstellung bereitet er
dabei den Boden für das Verständnis der in mancher Beziehung eigenartigen
Organisation aufs glücklichste vor. Das unverkennbare Geschick, welches der
Verfasser schon in seinen bisherigen gewerbepolitischen Schriften für die Be¬
handlung derartiger Stoffe bewiesen hat, zeigt sich auch in dieser neuen.

Die Bremische Gewerbekammer verdankt den seit 1814 in Bremen be¬
ginnenden Verfassungskämpfen ihre Existenz. Schon der Entwurf zu einer
Verfassung aus dem Jahre 1837 suchte dem Gewerbestande zur Anerkennung
und Sicherung seiner politischen Rechte zu verhelfen und schlug die Errichtung
einer „Kammer für Handel und Gewerbe," sowie eines besondern Gewerbegerichts
vor. In ersterer sollten drei Senatsmitglieder, sechs Mitglieder des Kollegiums
der Aldermänner, nenn des Großhandels praktisch kundige Kaufleute der Börse
und zwölf Genossen der verschiednen Gewerbe sitzen und, in zwei Abteilungen
getrennt, die Interessen von Handel und Gewerbe wahrnehmen. Nur wo es
sich um Gegenstände drehte, die beide Abteilungen gleichmäßig berührten, war
an eine Beratung in der gesamten Kammer gedacht. Für das Gewerbegericht
war eine Zusammensetzung aus einem rechtsgelehrten Vorsitzenden und drei
Mitgliedern, unter denen zwei Juristen sein mußten, geplant. Mit dem Beginne
seiner Thätigkeit würde die Gerichtsbarkeit der Morgensprachsherren und In¬
spektoren der Zünfte ganz aufgehört haben.

Die allgemeinen Verhandlungen über den Entwurf von 1837 verliefen
resultatlos, und so war einstweilen auch von einer Gewerbekammer nicht mehr
die Rede. Erst durch die demokratisch gestaltete Verfassung vom 21. März 1849
wurde die Begründung derselben „zur Förderung des Gewerbewesens und der
Interessen des Gewerbestcmdcs" beschlossene Sache. Der einige Jahre vorher
ins Leben getretene Gewerbevcrein, der von 1844 bis 1848 bestand, war für
diese Wendung der Dinge nicht ohne Einfluß gewesen. Von Männern aus dem
Gewerbestande begründet, hatte er durch rege Thätigkeit, besonders auf dem
Gebiete des Unterrichtswesens und der gewerblichen Ausstellungen, den Sinn für
Hebung der einheimischen Industrie geweckt und gestärkt und der Wirksamkeit
eines staatlichen Instituts zur Wahrnehmung der gewerblichen Interessen in
gedeihlicher Weise vorgearbeitet. Am 2. April 1849 wurde die Kammer eröffnet.
Dem Spezialgesetze für dieselbe vom gleichen Tage folgten in den Jahren 1854,
1863, 1875 und 1879 mehrfache Änderungen, die jedoch die prinzipiellen
Grundlagen der Verfassung nicht berührten. Die gegenwärtig geltenden Ge¬
setze sind die vom 6. Oktober 1875 und 20. November 1879.

In Bremen geht die Gewcrbekammer ans dem sogenannten Gewerbekonvent
hervor. Aus Bürgern, deren Berufsthätigkeit die Betreibung eines Handwerks
oder einer Fabrik ist oder war, wird der Gewerbekonvent gebildet, für welchen
die verschiednen Gewerbe Repräsentanten auf eine bestimmte Anzahl von Jahren
wählen. Die sämtlichen Gewerbetreibenden sind zu diesem Zwecke in acht Ab-


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[0408] Gewerbekammern. der Gewerbefreiheit in Bremen und über Bremens Freihafenstellung bereitet er dabei den Boden für das Verständnis der in mancher Beziehung eigenartigen Organisation aufs glücklichste vor. Das unverkennbare Geschick, welches der Verfasser schon in seinen bisherigen gewerbepolitischen Schriften für die Be¬ handlung derartiger Stoffe bewiesen hat, zeigt sich auch in dieser neuen. Die Bremische Gewerbekammer verdankt den seit 1814 in Bremen be¬ ginnenden Verfassungskämpfen ihre Existenz. Schon der Entwurf zu einer Verfassung aus dem Jahre 1837 suchte dem Gewerbestande zur Anerkennung und Sicherung seiner politischen Rechte zu verhelfen und schlug die Errichtung einer „Kammer für Handel und Gewerbe," sowie eines besondern Gewerbegerichts vor. In ersterer sollten drei Senatsmitglieder, sechs Mitglieder des Kollegiums der Aldermänner, nenn des Großhandels praktisch kundige Kaufleute der Börse und zwölf Genossen der verschiednen Gewerbe sitzen und, in zwei Abteilungen getrennt, die Interessen von Handel und Gewerbe wahrnehmen. Nur wo es sich um Gegenstände drehte, die beide Abteilungen gleichmäßig berührten, war an eine Beratung in der gesamten Kammer gedacht. Für das Gewerbegericht war eine Zusammensetzung aus einem rechtsgelehrten Vorsitzenden und drei Mitgliedern, unter denen zwei Juristen sein mußten, geplant. Mit dem Beginne seiner Thätigkeit würde die Gerichtsbarkeit der Morgensprachsherren und In¬ spektoren der Zünfte ganz aufgehört haben. Die allgemeinen Verhandlungen über den Entwurf von 1837 verliefen resultatlos, und so war einstweilen auch von einer Gewerbekammer nicht mehr die Rede. Erst durch die demokratisch gestaltete Verfassung vom 21. März 1849 wurde die Begründung derselben „zur Förderung des Gewerbewesens und der Interessen des Gewerbestcmdcs" beschlossene Sache. Der einige Jahre vorher ins Leben getretene Gewerbevcrein, der von 1844 bis 1848 bestand, war für diese Wendung der Dinge nicht ohne Einfluß gewesen. Von Männern aus dem Gewerbestande begründet, hatte er durch rege Thätigkeit, besonders auf dem Gebiete des Unterrichtswesens und der gewerblichen Ausstellungen, den Sinn für Hebung der einheimischen Industrie geweckt und gestärkt und der Wirksamkeit eines staatlichen Instituts zur Wahrnehmung der gewerblichen Interessen in gedeihlicher Weise vorgearbeitet. Am 2. April 1849 wurde die Kammer eröffnet. Dem Spezialgesetze für dieselbe vom gleichen Tage folgten in den Jahren 1854, 1863, 1875 und 1879 mehrfache Änderungen, die jedoch die prinzipiellen Grundlagen der Verfassung nicht berührten. Die gegenwärtig geltenden Ge¬ setze sind die vom 6. Oktober 1875 und 20. November 1879. In Bremen geht die Gewcrbekammer ans dem sogenannten Gewerbekonvent hervor. Aus Bürgern, deren Berufsthätigkeit die Betreibung eines Handwerks oder einer Fabrik ist oder war, wird der Gewerbekonvent gebildet, für welchen die verschiednen Gewerbe Repräsentanten auf eine bestimmte Anzahl von Jahren wählen. Die sämtlichen Gewerbetreibenden sind zu diesem Zwecke in acht Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/408>, abgerufen am 22.06.2024.