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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Englands Feldzug gegen den Mahdi.

Engländer, zunächst immer noch mittelst ihrer Ruderbootslotille, nach Alt-
Dongola vorrücken, welches (nach der vielgekrümmten Linie des Wasserweges
gerechnet) 63 Meilen von Wady Halfa entfernt ist.

Auf der letztgenannten Strecke beginnt der schwierigere Teil des Feldzuges;
denn zwischen Wady Halfa, von wo man um die Mitte des Oktober aufbrechen
zu können hofft, und bei Dongola hat der Nil viele Untiefen, wo Fahrzeuge
mit einem Tiefgange von mehr als zwei Fuß selbst bei höchstem Wasserstande
des Flusses jeden Augenblick in Gefahr sind, auszulaufen. Oberhalb Wady
Halfas existiren die verfallenen Anfänge einer Eisenbahn, die Ismail Pascha
von hier bis ins Herz des Sudan zu bauen beabsichtigte und die eine gute
Strecke weit dem Flußufer folgt. Man wird dieselbe jetzt ausbessern, mit
Schienen, Lokomotiven und Wagen versehen und zum Transport der Mann¬
schaften und des Materials der Expedition benutzen, wo die Schiffahrt erschwert
oder gehindert wird.

Ein günstiger Umstand für die Engländer ist, daß sie vor nicht langer Zeit
schon einmal einen Feldzug mit Rnderbooten unternommen und erfolgreich
durchgeführt haben, und daß das Londoner Kriegsministerium noch über die
Offiziere verfügt, die sich damals mit der Beschaffung und Handhabung der
erforderlichen Flotille praktische Erfahrung erwarben. Wir meinen den Feldzug
des Generals Wolseley am Red River. Derselbe gab diesem Offizier reichlich
Gelegenheit, zu zeigen, was ein umsichtiger, thatkräftiger und entschlossener Be¬
fehlshaber eines Truppenkorps unter völlig neuen und ungewöhnlich schwierigen
Verhältnissen zu leisten und zu überwinden imstande ist. Bei dem mühevollen
Werke eines Vordringens weit über Manitoba hinaus, wo man zuletzt wochen¬
lang nur die kanadischen Wasserwege zum Fortkommen durch die Wildnis be¬
nutzen konnte, wurde Wolseley sehr wesentlich von dem damaligen Major und
jetzigen Oberst W. F. Butter unterstützt, und diesem geschickten und erfahrungs¬
reicher Offizier ist jetzt die Leitung der Arbeiten zur Ausrüstung der Nilflotille,
welche die englischen Sechstausend nach Wady Halfa und Dongola bringen soll,
und die Oberaufsicht über dieselbe, wenn sie sich in Nubien in Bewegung setzen
wird, übertragen. Er wird hier auf dem Wasser weniger Hindernisse vor sich
haben als bei seiner Aufgabe im Nordwesten Amerikas. Bei der Expedition
auf dem Red River waren nicht weniger als siebenundvierzig sogenannte ,?or-
tNMs vorzunehmen, d. h. die Führer und Mannschaften des Expeditionskorps
mußten an siebenundvierzig Stellen wegen der Wasserfälle und Untiefen des
Flusses ihre Boote aus dem Wasser aufs Trockene schaffen, sie entladen, sie
meilenweit durch Wald und Sumpf weitertragen, sie an geeigneten Punkten
wieder auf den Strom bringen und sie von neuem beladen. Die gesamte
Strecke, die man bei diesen Z?orwK68 unter unsäglichen Schwierigkeiten zurückzu¬
legen hatte, betrug über vier deutsche Meilen und nahm sehr viel Zeit in An¬
spruch. Bei dem jetzigen Unternehmen werden solche Unterbrechungen der Be-


Englands Feldzug gegen den Mahdi.

Engländer, zunächst immer noch mittelst ihrer Ruderbootslotille, nach Alt-
Dongola vorrücken, welches (nach der vielgekrümmten Linie des Wasserweges
gerechnet) 63 Meilen von Wady Halfa entfernt ist.

Auf der letztgenannten Strecke beginnt der schwierigere Teil des Feldzuges;
denn zwischen Wady Halfa, von wo man um die Mitte des Oktober aufbrechen
zu können hofft, und bei Dongola hat der Nil viele Untiefen, wo Fahrzeuge
mit einem Tiefgange von mehr als zwei Fuß selbst bei höchstem Wasserstande
des Flusses jeden Augenblick in Gefahr sind, auszulaufen. Oberhalb Wady
Halfas existiren die verfallenen Anfänge einer Eisenbahn, die Ismail Pascha
von hier bis ins Herz des Sudan zu bauen beabsichtigte und die eine gute
Strecke weit dem Flußufer folgt. Man wird dieselbe jetzt ausbessern, mit
Schienen, Lokomotiven und Wagen versehen und zum Transport der Mann¬
schaften und des Materials der Expedition benutzen, wo die Schiffahrt erschwert
oder gehindert wird.

Ein günstiger Umstand für die Engländer ist, daß sie vor nicht langer Zeit
schon einmal einen Feldzug mit Rnderbooten unternommen und erfolgreich
durchgeführt haben, und daß das Londoner Kriegsministerium noch über die
Offiziere verfügt, die sich damals mit der Beschaffung und Handhabung der
erforderlichen Flotille praktische Erfahrung erwarben. Wir meinen den Feldzug
des Generals Wolseley am Red River. Derselbe gab diesem Offizier reichlich
Gelegenheit, zu zeigen, was ein umsichtiger, thatkräftiger und entschlossener Be¬
fehlshaber eines Truppenkorps unter völlig neuen und ungewöhnlich schwierigen
Verhältnissen zu leisten und zu überwinden imstande ist. Bei dem mühevollen
Werke eines Vordringens weit über Manitoba hinaus, wo man zuletzt wochen¬
lang nur die kanadischen Wasserwege zum Fortkommen durch die Wildnis be¬
nutzen konnte, wurde Wolseley sehr wesentlich von dem damaligen Major und
jetzigen Oberst W. F. Butter unterstützt, und diesem geschickten und erfahrungs¬
reicher Offizier ist jetzt die Leitung der Arbeiten zur Ausrüstung der Nilflotille,
welche die englischen Sechstausend nach Wady Halfa und Dongola bringen soll,
und die Oberaufsicht über dieselbe, wenn sie sich in Nubien in Bewegung setzen
wird, übertragen. Er wird hier auf dem Wasser weniger Hindernisse vor sich
haben als bei seiner Aufgabe im Nordwesten Amerikas. Bei der Expedition
auf dem Red River waren nicht weniger als siebenundvierzig sogenannte ,?or-
tNMs vorzunehmen, d. h. die Führer und Mannschaften des Expeditionskorps
mußten an siebenundvierzig Stellen wegen der Wasserfälle und Untiefen des
Flusses ihre Boote aus dem Wasser aufs Trockene schaffen, sie entladen, sie
meilenweit durch Wald und Sumpf weitertragen, sie an geeigneten Punkten
wieder auf den Strom bringen und sie von neuem beladen. Die gesamte
Strecke, die man bei diesen Z?orwK68 unter unsäglichen Schwierigkeiten zurückzu¬
legen hatte, betrug über vier deutsche Meilen und nahm sehr viel Zeit in An¬
spruch. Bei dem jetzigen Unternehmen werden solche Unterbrechungen der Be-


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[0403] Englands Feldzug gegen den Mahdi. Engländer, zunächst immer noch mittelst ihrer Ruderbootslotille, nach Alt- Dongola vorrücken, welches (nach der vielgekrümmten Linie des Wasserweges gerechnet) 63 Meilen von Wady Halfa entfernt ist. Auf der letztgenannten Strecke beginnt der schwierigere Teil des Feldzuges; denn zwischen Wady Halfa, von wo man um die Mitte des Oktober aufbrechen zu können hofft, und bei Dongola hat der Nil viele Untiefen, wo Fahrzeuge mit einem Tiefgange von mehr als zwei Fuß selbst bei höchstem Wasserstande des Flusses jeden Augenblick in Gefahr sind, auszulaufen. Oberhalb Wady Halfas existiren die verfallenen Anfänge einer Eisenbahn, die Ismail Pascha von hier bis ins Herz des Sudan zu bauen beabsichtigte und die eine gute Strecke weit dem Flußufer folgt. Man wird dieselbe jetzt ausbessern, mit Schienen, Lokomotiven und Wagen versehen und zum Transport der Mann¬ schaften und des Materials der Expedition benutzen, wo die Schiffahrt erschwert oder gehindert wird. Ein günstiger Umstand für die Engländer ist, daß sie vor nicht langer Zeit schon einmal einen Feldzug mit Rnderbooten unternommen und erfolgreich durchgeführt haben, und daß das Londoner Kriegsministerium noch über die Offiziere verfügt, die sich damals mit der Beschaffung und Handhabung der erforderlichen Flotille praktische Erfahrung erwarben. Wir meinen den Feldzug des Generals Wolseley am Red River. Derselbe gab diesem Offizier reichlich Gelegenheit, zu zeigen, was ein umsichtiger, thatkräftiger und entschlossener Be¬ fehlshaber eines Truppenkorps unter völlig neuen und ungewöhnlich schwierigen Verhältnissen zu leisten und zu überwinden imstande ist. Bei dem mühevollen Werke eines Vordringens weit über Manitoba hinaus, wo man zuletzt wochen¬ lang nur die kanadischen Wasserwege zum Fortkommen durch die Wildnis be¬ nutzen konnte, wurde Wolseley sehr wesentlich von dem damaligen Major und jetzigen Oberst W. F. Butter unterstützt, und diesem geschickten und erfahrungs¬ reicher Offizier ist jetzt die Leitung der Arbeiten zur Ausrüstung der Nilflotille, welche die englischen Sechstausend nach Wady Halfa und Dongola bringen soll, und die Oberaufsicht über dieselbe, wenn sie sich in Nubien in Bewegung setzen wird, übertragen. Er wird hier auf dem Wasser weniger Hindernisse vor sich haben als bei seiner Aufgabe im Nordwesten Amerikas. Bei der Expedition auf dem Red River waren nicht weniger als siebenundvierzig sogenannte ,?or- tNMs vorzunehmen, d. h. die Führer und Mannschaften des Expeditionskorps mußten an siebenundvierzig Stellen wegen der Wasserfälle und Untiefen des Flusses ihre Boote aus dem Wasser aufs Trockene schaffen, sie entladen, sie meilenweit durch Wald und Sumpf weitertragen, sie an geeigneten Punkten wieder auf den Strom bringen und sie von neuem beladen. Die gesamte Strecke, die man bei diesen Z?orwK68 unter unsäglichen Schwierigkeiten zurückzu¬ legen hatte, betrug über vier deutsche Meilen und nahm sehr viel Zeit in An¬ spruch. Bei dem jetzigen Unternehmen werden solche Unterbrechungen der Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/403>, abgerufen am 22.06.2024.