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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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David d'Angers.

als Redner, seine Tapferkeit im Kriege und seine Leichenfeier schildern. Im
Gegensatze dazu ist die Grabstatue des Kriegsministers Gouvion Se. Cyr auf
demselben Kirchhofe wieder ganz realistisch behandelt. Der Dargestellte trügt
die Marschallsuniform, und nur der um die linke Schulter geworfene Mantel
macht noch eine Konzession an die akademischen Gewohnheiten der stilvollen
Draperie. Auch die Statue Racines für La Fertö-Mikon, seinen Geburtsort,
welche als Gypsmodell im Salon von 1824 zugleich mit dem Vonchamps erschien,
aber erst 1832 in Marmor vollendet wurde, hält sich an den antiken Denk¬
mälertypus und verzichtet demnach auf eine realistische Durchführung der Ge¬
sichtszüge, obgleich dieselben den Reichtum dichterischer Gedanken wiederspiegeln.

Wir haben gesehen, daß der Ausdruck individueller Empfindungen den
Künstler schon sehr frühzeitig beschäftigte. Dieses Streben führte ihn natur¬
gemäß zum Porträt. Bereits während der letzten Monate seines Aufenthalts
in Rom hatte er ein paar Porträtmedaillons ausgeführt, unter ihnen das seines
Genossen auf der Akademie, Herold, des spätern Komponisten des "Zampa"
und andrer Opern. Mit den Jahren wuchs seine Vorliebe für das Porträt
dergestalt, daß sie sich allmählich zu einer Manie entwickelte. Er machte unauf¬
hörlich Jagd auf Berühmtheiten und scheute selbst vor weiten und beschwerlichen
Reisen nicht zurück, um eine berühmte Persönlichkeit, für welche seine leicht ent¬
zündliche Phantasie Neigung gefaßt hatte, zu einer Sitzung zu bewegen. Da
sich diese Galerie von Porträtköpfen auf mehrere hundert beläuft, beschränkte
er sich zumeist auf flüchtig, aber geistvoll hingeworfene Relicfbildnisse in Me¬
daillonform. Er schenkte den Porträtirten gewöhnlich einen Bronzeguß, und
diese Großmut kostete ihn einschließlich der Reisen allmählich sein Vermögen.
Nach einer Mitteilung von Edmond About*) empfand David den ersten Anfall
dieser seiner "edeln und heiligen Monomanie" bei dem Leichenbegängnis des
Generals Foy. "Die Trauerversammlung war glänzend. Man sah unter der¬
selben die Auslese einer großen und kraftvollen Nation, alle jene Geister und
Charaktere, welche unsre Zeit einen nach dem andern begräbt, ohne sie zu ersetzen.
David sprach zu sich wie Terxcs bei der Revue seines Heeres: "Von allen
den Männern, welche hier sind, wird kein einziger nach hundert Jahren übrig
bleiben." Aber Xerxes, welcher ein Narr der gefährlichsten Art war, führte
seine Soldaten, nachdem er über sie geweint hatte, zur Schlachtbank. David
weint nicht, er wählt aus der Menge seiner Zeitgenossen diejenigen aus, welche
nach ihrem Tode zu leben verdienen, und schwört, sie unsterblich zu machen,
koste es, was es wolle. Das kostete ihn sein halbes Leben und sein ganzes
Vermögen." Charles Blane schreibt, daß David vor keinem Hindernisse zurück¬
schreckte, um sein Ziel zu erreichen. Zu einer Zeit, wo die kleinste Reise eine



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David d'Angers.

als Redner, seine Tapferkeit im Kriege und seine Leichenfeier schildern. Im
Gegensatze dazu ist die Grabstatue des Kriegsministers Gouvion Se. Cyr auf
demselben Kirchhofe wieder ganz realistisch behandelt. Der Dargestellte trügt
die Marschallsuniform, und nur der um die linke Schulter geworfene Mantel
macht noch eine Konzession an die akademischen Gewohnheiten der stilvollen
Draperie. Auch die Statue Racines für La Fertö-Mikon, seinen Geburtsort,
welche als Gypsmodell im Salon von 1824 zugleich mit dem Vonchamps erschien,
aber erst 1832 in Marmor vollendet wurde, hält sich an den antiken Denk¬
mälertypus und verzichtet demnach auf eine realistische Durchführung der Ge¬
sichtszüge, obgleich dieselben den Reichtum dichterischer Gedanken wiederspiegeln.

Wir haben gesehen, daß der Ausdruck individueller Empfindungen den
Künstler schon sehr frühzeitig beschäftigte. Dieses Streben führte ihn natur¬
gemäß zum Porträt. Bereits während der letzten Monate seines Aufenthalts
in Rom hatte er ein paar Porträtmedaillons ausgeführt, unter ihnen das seines
Genossen auf der Akademie, Herold, des spätern Komponisten des „Zampa"
und andrer Opern. Mit den Jahren wuchs seine Vorliebe für das Porträt
dergestalt, daß sie sich allmählich zu einer Manie entwickelte. Er machte unauf¬
hörlich Jagd auf Berühmtheiten und scheute selbst vor weiten und beschwerlichen
Reisen nicht zurück, um eine berühmte Persönlichkeit, für welche seine leicht ent¬
zündliche Phantasie Neigung gefaßt hatte, zu einer Sitzung zu bewegen. Da
sich diese Galerie von Porträtköpfen auf mehrere hundert beläuft, beschränkte
er sich zumeist auf flüchtig, aber geistvoll hingeworfene Relicfbildnisse in Me¬
daillonform. Er schenkte den Porträtirten gewöhnlich einen Bronzeguß, und
diese Großmut kostete ihn einschließlich der Reisen allmählich sein Vermögen.
Nach einer Mitteilung von Edmond About*) empfand David den ersten Anfall
dieser seiner „edeln und heiligen Monomanie" bei dem Leichenbegängnis des
Generals Foy. „Die Trauerversammlung war glänzend. Man sah unter der¬
selben die Auslese einer großen und kraftvollen Nation, alle jene Geister und
Charaktere, welche unsre Zeit einen nach dem andern begräbt, ohne sie zu ersetzen.
David sprach zu sich wie Terxcs bei der Revue seines Heeres: »Von allen
den Männern, welche hier sind, wird kein einziger nach hundert Jahren übrig
bleiben.« Aber Xerxes, welcher ein Narr der gefährlichsten Art war, führte
seine Soldaten, nachdem er über sie geweint hatte, zur Schlachtbank. David
weint nicht, er wählt aus der Menge seiner Zeitgenossen diejenigen aus, welche
nach ihrem Tode zu leben verdienen, und schwört, sie unsterblich zu machen,
koste es, was es wolle. Das kostete ihn sein halbes Leben und sein ganzes
Vermögen." Charles Blane schreibt, daß David vor keinem Hindernisse zurück¬
schreckte, um sein Ziel zu erreichen. Zu einer Zeit, wo die kleinste Reise eine



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[0389] David d'Angers. als Redner, seine Tapferkeit im Kriege und seine Leichenfeier schildern. Im Gegensatze dazu ist die Grabstatue des Kriegsministers Gouvion Se. Cyr auf demselben Kirchhofe wieder ganz realistisch behandelt. Der Dargestellte trügt die Marschallsuniform, und nur der um die linke Schulter geworfene Mantel macht noch eine Konzession an die akademischen Gewohnheiten der stilvollen Draperie. Auch die Statue Racines für La Fertö-Mikon, seinen Geburtsort, welche als Gypsmodell im Salon von 1824 zugleich mit dem Vonchamps erschien, aber erst 1832 in Marmor vollendet wurde, hält sich an den antiken Denk¬ mälertypus und verzichtet demnach auf eine realistische Durchführung der Ge¬ sichtszüge, obgleich dieselben den Reichtum dichterischer Gedanken wiederspiegeln. Wir haben gesehen, daß der Ausdruck individueller Empfindungen den Künstler schon sehr frühzeitig beschäftigte. Dieses Streben führte ihn natur¬ gemäß zum Porträt. Bereits während der letzten Monate seines Aufenthalts in Rom hatte er ein paar Porträtmedaillons ausgeführt, unter ihnen das seines Genossen auf der Akademie, Herold, des spätern Komponisten des „Zampa" und andrer Opern. Mit den Jahren wuchs seine Vorliebe für das Porträt dergestalt, daß sie sich allmählich zu einer Manie entwickelte. Er machte unauf¬ hörlich Jagd auf Berühmtheiten und scheute selbst vor weiten und beschwerlichen Reisen nicht zurück, um eine berühmte Persönlichkeit, für welche seine leicht ent¬ zündliche Phantasie Neigung gefaßt hatte, zu einer Sitzung zu bewegen. Da sich diese Galerie von Porträtköpfen auf mehrere hundert beläuft, beschränkte er sich zumeist auf flüchtig, aber geistvoll hingeworfene Relicfbildnisse in Me¬ daillonform. Er schenkte den Porträtirten gewöhnlich einen Bronzeguß, und diese Großmut kostete ihn einschließlich der Reisen allmählich sein Vermögen. Nach einer Mitteilung von Edmond About*) empfand David den ersten Anfall dieser seiner „edeln und heiligen Monomanie" bei dem Leichenbegängnis des Generals Foy. „Die Trauerversammlung war glänzend. Man sah unter der¬ selben die Auslese einer großen und kraftvollen Nation, alle jene Geister und Charaktere, welche unsre Zeit einen nach dem andern begräbt, ohne sie zu ersetzen. David sprach zu sich wie Terxcs bei der Revue seines Heeres: »Von allen den Männern, welche hier sind, wird kein einziger nach hundert Jahren übrig bleiben.« Aber Xerxes, welcher ein Narr der gefährlichsten Art war, führte seine Soldaten, nachdem er über sie geweint hatte, zur Schlachtbank. David weint nicht, er wählt aus der Menge seiner Zeitgenossen diejenigen aus, welche nach ihrem Tode zu leben verdienen, und schwört, sie unsterblich zu machen, koste es, was es wolle. Das kostete ihn sein halbes Leben und sein ganzes Vermögen." Charles Blane schreibt, daß David vor keinem Hindernisse zurück¬ schreckte, um sein Ziel zu erreichen. Zu einer Zeit, wo die kleinste Reise eine lips Nsäaillovs as ?. 5. David Ä'^llAsrs, rslllüs ot MdUss xar SOQ üls. ^wum IiIwtvgrs-xliiHuo xrseeäö ä'uno notieo xar Mmooä ^toad. ?aris, 1367.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/389>, abgerufen am 21.06.2024.