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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.

zwanzig Jahren gemacht hat, wurzeln in diesem Irrtume und einer zu weit
getriebenen Neigung zum Uniformiren. Kein Gebiet eignet sich aber mehr zu
partikularer Regelung als das Vormundschaftswesen; ein Vormundschaftsrecht,
das vom Rhein bis zur Weichsel gilt, wird sich hier oder dort sicher nicht
bewähren.

Hoffen wir, daß das jetzt in Ausarbeitung befindliche bürgerliche Gesetz¬
buch für das deutsche Reich wieder mehr zu den historischen Grundlagen des
Rechts zurückkehren und auch bei der Neuregelung des Vormundschaftswesens
sowohl dem Gedanken des "Königsschutzes," unter dem sich das Vormundschafts¬
recht in Deutschland organisch entwickelt hat, als den provinziellen Eigentümlich¬
keiten in höherem Maße Rechnung tragen werde. Das Generaldepositorium
aber sollte, wenn möglich, schon früher wiederhergestellt werden; dasselbe konnte
auch neben der jetzt geltenden Vormundschaftsordnung für den Fall bestehen,
daß der Vormund freiwillig die Vermittlung des Staates zur Anlegung von
Mündelkapitalien in Anspruch nimmt. Der größte Mißstand wäre damit be¬
seitigt.



Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.
(Schluß.)
7.

le katholischen Elemente in der deutschen Literatur haben sich bis
hierher vielfach und wiederholt als gegenwirkende, aus einer
fremden Kultur und unerfreulichen historischen Voraussetzungen
stammende dargestellt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die
Vorgänge der letzten Jahre gerade diese Elemente wiederum zu den
vorherrschenden gemacht und nahezu alle poetische Lebeusdarstellung (soweit sie von
deutschen Katholiken ausgeht, die inneren Zusammenhang mit ihrer Kirche haben)
unter die Einwirkung dieser Elemente gestellt haben. Jedoch nicht nur auf ka¬
tholischer Seite und in unsrer Zeit hat eine fanatisch-einseitige Tendenz die
reine und unbefangene Dichtung in den Hintergrund gedrängt, nicht nur in den
Gedichten und Romanen der Konvertiten und ihrer Nachkommen ist eine künstlich
erhitzte Stimmung vorwaltend, die etwas ganz andres bewirkt und bewirken
soll, als sie zu bewirken vorgiebt. Die breitspurige Ausschließlichkeit, mit welcher
die neue Gegenreformation in den Vordergrund des katholischen Geistes- und
Gemütslebens tritt, schließt nicht aus, daß andre Elemente vorhanden sind.
Es ist nur gerecht, sich von der Mißempfindung, welche durch Dichtungen im


Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.

zwanzig Jahren gemacht hat, wurzeln in diesem Irrtume und einer zu weit
getriebenen Neigung zum Uniformiren. Kein Gebiet eignet sich aber mehr zu
partikularer Regelung als das Vormundschaftswesen; ein Vormundschaftsrecht,
das vom Rhein bis zur Weichsel gilt, wird sich hier oder dort sicher nicht
bewähren.

Hoffen wir, daß das jetzt in Ausarbeitung befindliche bürgerliche Gesetz¬
buch für das deutsche Reich wieder mehr zu den historischen Grundlagen des
Rechts zurückkehren und auch bei der Neuregelung des Vormundschaftswesens
sowohl dem Gedanken des „Königsschutzes," unter dem sich das Vormundschafts¬
recht in Deutschland organisch entwickelt hat, als den provinziellen Eigentümlich¬
keiten in höherem Maße Rechnung tragen werde. Das Generaldepositorium
aber sollte, wenn möglich, schon früher wiederhergestellt werden; dasselbe konnte
auch neben der jetzt geltenden Vormundschaftsordnung für den Fall bestehen,
daß der Vormund freiwillig die Vermittlung des Staates zur Anlegung von
Mündelkapitalien in Anspruch nimmt. Der größte Mißstand wäre damit be¬
seitigt.



Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.
(Schluß.)
7.

le katholischen Elemente in der deutschen Literatur haben sich bis
hierher vielfach und wiederholt als gegenwirkende, aus einer
fremden Kultur und unerfreulichen historischen Voraussetzungen
stammende dargestellt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die
Vorgänge der letzten Jahre gerade diese Elemente wiederum zu den
vorherrschenden gemacht und nahezu alle poetische Lebeusdarstellung (soweit sie von
deutschen Katholiken ausgeht, die inneren Zusammenhang mit ihrer Kirche haben)
unter die Einwirkung dieser Elemente gestellt haben. Jedoch nicht nur auf ka¬
tholischer Seite und in unsrer Zeit hat eine fanatisch-einseitige Tendenz die
reine und unbefangene Dichtung in den Hintergrund gedrängt, nicht nur in den
Gedichten und Romanen der Konvertiten und ihrer Nachkommen ist eine künstlich
erhitzte Stimmung vorwaltend, die etwas ganz andres bewirkt und bewirken
soll, als sie zu bewirken vorgiebt. Die breitspurige Ausschließlichkeit, mit welcher
die neue Gegenreformation in den Vordergrund des katholischen Geistes- und
Gemütslebens tritt, schließt nicht aus, daß andre Elemente vorhanden sind.
Es ist nur gerecht, sich von der Mißempfindung, welche durch Dichtungen im


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[0378] Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. zwanzig Jahren gemacht hat, wurzeln in diesem Irrtume und einer zu weit getriebenen Neigung zum Uniformiren. Kein Gebiet eignet sich aber mehr zu partikularer Regelung als das Vormundschaftswesen; ein Vormundschaftsrecht, das vom Rhein bis zur Weichsel gilt, wird sich hier oder dort sicher nicht bewähren. Hoffen wir, daß das jetzt in Ausarbeitung befindliche bürgerliche Gesetz¬ buch für das deutsche Reich wieder mehr zu den historischen Grundlagen des Rechts zurückkehren und auch bei der Neuregelung des Vormundschaftswesens sowohl dem Gedanken des „Königsschutzes," unter dem sich das Vormundschafts¬ recht in Deutschland organisch entwickelt hat, als den provinziellen Eigentümlich¬ keiten in höherem Maße Rechnung tragen werde. Das Generaldepositorium aber sollte, wenn möglich, schon früher wiederhergestellt werden; dasselbe konnte auch neben der jetzt geltenden Vormundschaftsordnung für den Fall bestehen, daß der Vormund freiwillig die Vermittlung des Staates zur Anlegung von Mündelkapitalien in Anspruch nimmt. Der größte Mißstand wäre damit be¬ seitigt. [Abbildung] Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. (Schluß.) 7. le katholischen Elemente in der deutschen Literatur haben sich bis hierher vielfach und wiederholt als gegenwirkende, aus einer fremden Kultur und unerfreulichen historischen Voraussetzungen stammende dargestellt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Vorgänge der letzten Jahre gerade diese Elemente wiederum zu den vorherrschenden gemacht und nahezu alle poetische Lebeusdarstellung (soweit sie von deutschen Katholiken ausgeht, die inneren Zusammenhang mit ihrer Kirche haben) unter die Einwirkung dieser Elemente gestellt haben. Jedoch nicht nur auf ka¬ tholischer Seite und in unsrer Zeit hat eine fanatisch-einseitige Tendenz die reine und unbefangene Dichtung in den Hintergrund gedrängt, nicht nur in den Gedichten und Romanen der Konvertiten und ihrer Nachkommen ist eine künstlich erhitzte Stimmung vorwaltend, die etwas ganz andres bewirkt und bewirken soll, als sie zu bewirken vorgiebt. Die breitspurige Ausschließlichkeit, mit welcher die neue Gegenreformation in den Vordergrund des katholischen Geistes- und Gemütslebens tritt, schließt nicht aus, daß andre Elemente vorhanden sind. Es ist nur gerecht, sich von der Mißempfindung, welche durch Dichtungen im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/378>, abgerufen am 21.06.2024.