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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Zur preußischen Vormundschaftsordnung.

diese am meisten geneigt zu sein Pflegt, das Vermögen ihrer Kinder als das
ihrige zu betrachten. Giebt also auch der Richter seiner Überzeugung Ausdruck,
daß die Verwendung des Geldes eine unwirtschaftliche gewesen sei, so berührt
dies weder den Vormund noch die Familie des Mündels; es ist eine rein theo¬
retische, zwecklose Erörterung, die ebensowohl unterbleiben kann. Das Geld ist
fort und wird durch solche Erörterungen nicht wiedergebracht. Dem Vormunde
ist es im Grunde nicht unangenehm, daß das Mündelvermögen verbraucht ist,
da er nun keine Rechnungen mehr einzureichen hat. Warum hätte er sich also
gegen die Hergabe des Geldes allzusehr sträuben sollen? Die Pflicht zur Rech-
nungsablegung wird von den meisten Vormündern als eine drückende Last an¬
gesehen, und nicht ganz mit Unrecht. Die Rechnung ist alljährlich; bei Vor¬
mundschaften von geringerm Umfange aller zwei bis drei Jahre abzulegen, dieselbe
muß alle Einnahmen und Ausgaben, eine Übersicht des Vermögensbestandes bei
Beginn und eine solche am Schlüsse der Nechnungsperiodc enthalten und beim
Vorhandensein mehrerer Mündel die Vermögensanteile der einzelnen, die auf
jeden bezüglichen Einnahmen und Ausgaben gesondert darstellen; am Schlüsse
der Rechnung, welcher die Belege über die Ausgaben beizufügen sind, hat der
Vormund die Nichtigkeit derselben in einer vorgeschriebenen Forniel zu versichern.
Nur wenige, den gebildetsten Ständen ungehörige Vormünder sind fähig, eine
solche Rechnung korrekt herzustellen. Nun denke man sich den einfachen Land¬
mann oder Handwerker, der vielleicht zur Not seinen Namen schreiben kann,
vor diese Aufgabe gestellt! Selbstverständlich ist er derselben nicht entfernt ge¬
wachsen; er wendet sich also an den Lehrer, Gemeindeschreiber oder Winkel¬
konsulenten, welcher denn auch die Rechnung, sogut er es selbst versteht und
soweit ihm der Vormund die Unterlagen dazu schaffen kann, für Geld und gute
Worte anfertigt. Wenn nun die Rechnung endlich nach mehrmaligem Erinnern
des Vormunds bei Gericht eingeht, läßt sie der Richter in der Regel zunächst
rechnerisch durch die Kalkulatur revidiren und etwaige formelle Mängel derselben
beseitigen. Sodann prüft er sie selbst sachlich und nach den Belegen und hat
hierbei regelmüßig eine Reihe von Erinnerungen gegen die Verwaltung und
Rechnungslegung zu machen, welche zunächst zu einer mehr oder weniger langen
Korrespondenz mit dem Vormunde führen. Dieser läßt sich seine Entgegnungen
wieder durch seinen Rechtsbeistand fertigen und stellt die dafür gemachten Aus¬
gaben dem Mündel in Rechnung. Die ganze Korrespondenz ist meist eine zweck¬
lose, da sich eben geschehene Dinge nicht mehr ungeschehen machen lassen, und
nur geeignet, Aktenmaterial zu sammeln. Dagegen entstehen hierdurch eine
Menge Kosten; es klingt unglaublich und ist doch vollkommen wahr, daß die
von dem Vormunde liquidirten Ansteigen für Anfertigung der Rechnung und
sonstiger Schriftstücke, die Kalkulaturgebühren und Verwaltungskosten, die Porti
und Schreibgebühren für den Briefwechsel vor und nach der Rechnungsablegung
die Revenüen kleinerer Mündelkapitalien, vielleicht bis zu dreihundert Mark,


Zur preußischen Vormundschaftsordnung.

diese am meisten geneigt zu sein Pflegt, das Vermögen ihrer Kinder als das
ihrige zu betrachten. Giebt also auch der Richter seiner Überzeugung Ausdruck,
daß die Verwendung des Geldes eine unwirtschaftliche gewesen sei, so berührt
dies weder den Vormund noch die Familie des Mündels; es ist eine rein theo¬
retische, zwecklose Erörterung, die ebensowohl unterbleiben kann. Das Geld ist
fort und wird durch solche Erörterungen nicht wiedergebracht. Dem Vormunde
ist es im Grunde nicht unangenehm, daß das Mündelvermögen verbraucht ist,
da er nun keine Rechnungen mehr einzureichen hat. Warum hätte er sich also
gegen die Hergabe des Geldes allzusehr sträuben sollen? Die Pflicht zur Rech-
nungsablegung wird von den meisten Vormündern als eine drückende Last an¬
gesehen, und nicht ganz mit Unrecht. Die Rechnung ist alljährlich; bei Vor¬
mundschaften von geringerm Umfange aller zwei bis drei Jahre abzulegen, dieselbe
muß alle Einnahmen und Ausgaben, eine Übersicht des Vermögensbestandes bei
Beginn und eine solche am Schlüsse der Nechnungsperiodc enthalten und beim
Vorhandensein mehrerer Mündel die Vermögensanteile der einzelnen, die auf
jeden bezüglichen Einnahmen und Ausgaben gesondert darstellen; am Schlüsse
der Rechnung, welcher die Belege über die Ausgaben beizufügen sind, hat der
Vormund die Nichtigkeit derselben in einer vorgeschriebenen Forniel zu versichern.
Nur wenige, den gebildetsten Ständen ungehörige Vormünder sind fähig, eine
solche Rechnung korrekt herzustellen. Nun denke man sich den einfachen Land¬
mann oder Handwerker, der vielleicht zur Not seinen Namen schreiben kann,
vor diese Aufgabe gestellt! Selbstverständlich ist er derselben nicht entfernt ge¬
wachsen; er wendet sich also an den Lehrer, Gemeindeschreiber oder Winkel¬
konsulenten, welcher denn auch die Rechnung, sogut er es selbst versteht und
soweit ihm der Vormund die Unterlagen dazu schaffen kann, für Geld und gute
Worte anfertigt. Wenn nun die Rechnung endlich nach mehrmaligem Erinnern
des Vormunds bei Gericht eingeht, läßt sie der Richter in der Regel zunächst
rechnerisch durch die Kalkulatur revidiren und etwaige formelle Mängel derselben
beseitigen. Sodann prüft er sie selbst sachlich und nach den Belegen und hat
hierbei regelmüßig eine Reihe von Erinnerungen gegen die Verwaltung und
Rechnungslegung zu machen, welche zunächst zu einer mehr oder weniger langen
Korrespondenz mit dem Vormunde führen. Dieser läßt sich seine Entgegnungen
wieder durch seinen Rechtsbeistand fertigen und stellt die dafür gemachten Aus¬
gaben dem Mündel in Rechnung. Die ganze Korrespondenz ist meist eine zweck¬
lose, da sich eben geschehene Dinge nicht mehr ungeschehen machen lassen, und
nur geeignet, Aktenmaterial zu sammeln. Dagegen entstehen hierdurch eine
Menge Kosten; es klingt unglaublich und ist doch vollkommen wahr, daß die
von dem Vormunde liquidirten Ansteigen für Anfertigung der Rechnung und
sonstiger Schriftstücke, die Kalkulaturgebühren und Verwaltungskosten, die Porti
und Schreibgebühren für den Briefwechsel vor und nach der Rechnungsablegung
die Revenüen kleinerer Mündelkapitalien, vielleicht bis zu dreihundert Mark,


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[0373] Zur preußischen Vormundschaftsordnung. diese am meisten geneigt zu sein Pflegt, das Vermögen ihrer Kinder als das ihrige zu betrachten. Giebt also auch der Richter seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Verwendung des Geldes eine unwirtschaftliche gewesen sei, so berührt dies weder den Vormund noch die Familie des Mündels; es ist eine rein theo¬ retische, zwecklose Erörterung, die ebensowohl unterbleiben kann. Das Geld ist fort und wird durch solche Erörterungen nicht wiedergebracht. Dem Vormunde ist es im Grunde nicht unangenehm, daß das Mündelvermögen verbraucht ist, da er nun keine Rechnungen mehr einzureichen hat. Warum hätte er sich also gegen die Hergabe des Geldes allzusehr sträuben sollen? Die Pflicht zur Rech- nungsablegung wird von den meisten Vormündern als eine drückende Last an¬ gesehen, und nicht ganz mit Unrecht. Die Rechnung ist alljährlich; bei Vor¬ mundschaften von geringerm Umfange aller zwei bis drei Jahre abzulegen, dieselbe muß alle Einnahmen und Ausgaben, eine Übersicht des Vermögensbestandes bei Beginn und eine solche am Schlüsse der Nechnungsperiodc enthalten und beim Vorhandensein mehrerer Mündel die Vermögensanteile der einzelnen, die auf jeden bezüglichen Einnahmen und Ausgaben gesondert darstellen; am Schlüsse der Rechnung, welcher die Belege über die Ausgaben beizufügen sind, hat der Vormund die Nichtigkeit derselben in einer vorgeschriebenen Forniel zu versichern. Nur wenige, den gebildetsten Ständen ungehörige Vormünder sind fähig, eine solche Rechnung korrekt herzustellen. Nun denke man sich den einfachen Land¬ mann oder Handwerker, der vielleicht zur Not seinen Namen schreiben kann, vor diese Aufgabe gestellt! Selbstverständlich ist er derselben nicht entfernt ge¬ wachsen; er wendet sich also an den Lehrer, Gemeindeschreiber oder Winkel¬ konsulenten, welcher denn auch die Rechnung, sogut er es selbst versteht und soweit ihm der Vormund die Unterlagen dazu schaffen kann, für Geld und gute Worte anfertigt. Wenn nun die Rechnung endlich nach mehrmaligem Erinnern des Vormunds bei Gericht eingeht, läßt sie der Richter in der Regel zunächst rechnerisch durch die Kalkulatur revidiren und etwaige formelle Mängel derselben beseitigen. Sodann prüft er sie selbst sachlich und nach den Belegen und hat hierbei regelmüßig eine Reihe von Erinnerungen gegen die Verwaltung und Rechnungslegung zu machen, welche zunächst zu einer mehr oder weniger langen Korrespondenz mit dem Vormunde führen. Dieser läßt sich seine Entgegnungen wieder durch seinen Rechtsbeistand fertigen und stellt die dafür gemachten Aus¬ gaben dem Mündel in Rechnung. Die ganze Korrespondenz ist meist eine zweck¬ lose, da sich eben geschehene Dinge nicht mehr ungeschehen machen lassen, und nur geeignet, Aktenmaterial zu sammeln. Dagegen entstehen hierdurch eine Menge Kosten; es klingt unglaublich und ist doch vollkommen wahr, daß die von dem Vormunde liquidirten Ansteigen für Anfertigung der Rechnung und sonstiger Schriftstücke, die Kalkulaturgebühren und Verwaltungskosten, die Porti und Schreibgebühren für den Briefwechsel vor und nach der Rechnungsablegung die Revenüen kleinerer Mündelkapitalien, vielleicht bis zu dreihundert Mark,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/373>, abgerufen am 21.06.2024.