Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. auch von dem seligen Suchen und Tasten nach einer reinen, unverlierbaren Waren es vorzugsweise die Konvertiten, welche diese Anschauung verkün¬ Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. auch von dem seligen Suchen und Tasten nach einer reinen, unverlierbaren Waren es vorzugsweise die Konvertiten, welche diese Anschauung verkün¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156588"/> <fw type="header" place="top"> Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> auch von dem seligen Suchen und Tasten nach einer reinen, unverlierbaren<lb/> Wahrheit. Da ist nur Kampf, Polemik, tausendfältige Anpreisung der Dressur,<lb/> die in den Jesuitenschnleu zur Vollkommenheit ausgebildet worden, Unter¬<lb/> werfung des Willens unter Leute, die ihrerseits gar nicht willenlos sind, sondern<lb/> gewisse Dinge sehr entschieden wollen, und am letzten Ende immer nur die<lb/> Versicherung, daß Frieden, Glück, edlere Bildung und die Zukunft der Mensch¬<lb/> heit an die siegreiche Wiederaufnahme und Ausbreitung der Gegenreformation<lb/> gebunden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> Waren es vorzugsweise die Konvertiten, welche diese Anschauung verkün¬<lb/> deten und poetisch vertraten, so fanden sich doch, namentlich in den beiden jüngsten<lb/> Jahrzehnten, vom ersten Wetterleuchten bis zum stärksten Ungewitter des „Kultur¬<lb/> kampfes," auch geborene Katholiken genug, die sich geistig nicht höher erhoben. Die<lb/> Einwirkungen der Geschichtsuntersuchnngen und -Rettungen, welche jahrzehntelang<lb/> in den Münchener „Historisch-politischen Blättern" fortgesetzt wurden, machten<lb/> sich natürlich auch in der katholischen Belletristik geltend. Hielt man an der<lb/> Verherrlichung der großen katholischen Nestaurativnsbewegnng vom Ende des<lb/> sechzehnten Jahrhunderts fest, forderte man unumwunden, daß die weltgeschicht¬<lb/> liche Weiterentwicklung da wieder anzuheben habe, wo sie, ungefähr um die<lb/> Mitte des dreißigjährigen Krieges', unverrichteter Sache stecken geblieben sei, so<lb/> hatte man doch begriffen, daß die Empfindung des neunzehnten Jahrhunderts<lb/> an den Greueln der Inquisition, der Bartholomäusnacht, an den Scheiterhaufen<lb/> Giordano Brunos und Lucilio Vauinis unüberwindlichen Anstoß nehme. Es<lb/> galt also, einmal (neben der allgemeinen Versicherung, daß unsre Zeit mit<lb/> geistigen Waffen zu widerlegen und zu siegen suche, wo andre Jahrhunderte<lb/> mit dem scharfen Biß des Schwertes widerlegt hätten) der Reformation und<lb/> dem Protestantismus, bei denen es ja gleichfalls an recht schlimmen Menschlich¬<lb/> keiten und gelegentlichen empörenden UnMenschlichkeiten nicht gefehlt hatte, die<lb/> größern Greuel zuzuschieben, sein Konto mit den schlimmsten Erinnerungen zu<lb/> belasten. Die Pariser Mordnacht, die Zerstörung von Magdeburg und eine<lb/> ganze Reihe andrer Vorgänge, welche die leichtgläubige Welt bis dahin als<lb/> Erfolge des gegenrefvrmatorischen Fanatismus betrachtet hatte, wurden nun als<lb/> besondre Schandflecke der Ketzerei ausgedeutet. Die Gegenreformation hat immer<lb/> und überall nur mit den mildesten Mitteln zu wirken versucht, die Predigten<lb/> und Belehrungen der Väter Jesu haben überall, wo man sich ihnen nicht in<lb/> verstockter Bosheit entgegengesetzt hat, die Sehnsucht nach und die freiwillige<lb/> Rückkehr zu der alten Kirche gefördert. Gewalt ist nur angewendet worden, um<lb/> den haarsträubenden Verfolgungen der Katholiken durch die Protestanten ein<lb/> Ziel zu setzen. Dabei aber ists dann wohl ein- und das andremal vorgekommen,<lb/> daß die Verfolger zu Verfolgten geworden sind. Diese wunderliche Tendenz<lb/> einer rücksichtslosen, allen Thatsachen keck ins Gesicht schlagenden Geschichts¬<lb/> fälschung befolgt beispielsweise der gepriesene historische Romanschriftsteller Jo-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.
auch von dem seligen Suchen und Tasten nach einer reinen, unverlierbaren
Wahrheit. Da ist nur Kampf, Polemik, tausendfältige Anpreisung der Dressur,
die in den Jesuitenschnleu zur Vollkommenheit ausgebildet worden, Unter¬
werfung des Willens unter Leute, die ihrerseits gar nicht willenlos sind, sondern
gewisse Dinge sehr entschieden wollen, und am letzten Ende immer nur die
Versicherung, daß Frieden, Glück, edlere Bildung und die Zukunft der Mensch¬
heit an die siegreiche Wiederaufnahme und Ausbreitung der Gegenreformation
gebunden sei.
Waren es vorzugsweise die Konvertiten, welche diese Anschauung verkün¬
deten und poetisch vertraten, so fanden sich doch, namentlich in den beiden jüngsten
Jahrzehnten, vom ersten Wetterleuchten bis zum stärksten Ungewitter des „Kultur¬
kampfes," auch geborene Katholiken genug, die sich geistig nicht höher erhoben. Die
Einwirkungen der Geschichtsuntersuchnngen und -Rettungen, welche jahrzehntelang
in den Münchener „Historisch-politischen Blättern" fortgesetzt wurden, machten
sich natürlich auch in der katholischen Belletristik geltend. Hielt man an der
Verherrlichung der großen katholischen Nestaurativnsbewegnng vom Ende des
sechzehnten Jahrhunderts fest, forderte man unumwunden, daß die weltgeschicht¬
liche Weiterentwicklung da wieder anzuheben habe, wo sie, ungefähr um die
Mitte des dreißigjährigen Krieges', unverrichteter Sache stecken geblieben sei, so
hatte man doch begriffen, daß die Empfindung des neunzehnten Jahrhunderts
an den Greueln der Inquisition, der Bartholomäusnacht, an den Scheiterhaufen
Giordano Brunos und Lucilio Vauinis unüberwindlichen Anstoß nehme. Es
galt also, einmal (neben der allgemeinen Versicherung, daß unsre Zeit mit
geistigen Waffen zu widerlegen und zu siegen suche, wo andre Jahrhunderte
mit dem scharfen Biß des Schwertes widerlegt hätten) der Reformation und
dem Protestantismus, bei denen es ja gleichfalls an recht schlimmen Menschlich¬
keiten und gelegentlichen empörenden UnMenschlichkeiten nicht gefehlt hatte, die
größern Greuel zuzuschieben, sein Konto mit den schlimmsten Erinnerungen zu
belasten. Die Pariser Mordnacht, die Zerstörung von Magdeburg und eine
ganze Reihe andrer Vorgänge, welche die leichtgläubige Welt bis dahin als
Erfolge des gegenrefvrmatorischen Fanatismus betrachtet hatte, wurden nun als
besondre Schandflecke der Ketzerei ausgedeutet. Die Gegenreformation hat immer
und überall nur mit den mildesten Mitteln zu wirken versucht, die Predigten
und Belehrungen der Väter Jesu haben überall, wo man sich ihnen nicht in
verstockter Bosheit entgegengesetzt hat, die Sehnsucht nach und die freiwillige
Rückkehr zu der alten Kirche gefördert. Gewalt ist nur angewendet worden, um
den haarsträubenden Verfolgungen der Katholiken durch die Protestanten ein
Ziel zu setzen. Dabei aber ists dann wohl ein- und das andremal vorgekommen,
daß die Verfolger zu Verfolgten geworden sind. Diese wunderliche Tendenz
einer rücksichtslosen, allen Thatsachen keck ins Gesicht schlagenden Geschichts¬
fälschung befolgt beispielsweise der gepriesene historische Romanschriftsteller Jo-
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