Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Gngel auf (Lrden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung.)
11.

5UM
Kis Mondcjo Laurette verlassen hatte, ging diese in ihrem Zimmer
wie eine Löwin in ihrem Käfig wütend auf und ab. Tausend
verschiedne, Paul und Rina feindliche Pläne kreuzten sich in ihrer
Seele. An letzterer wollte sie sich rächen, ersteren unter jeder
Bedingung bestrafen. Sie hatte den Kampf allzu leicht genommen,
war des Gelingens allzu sicher gewesen, statt dessen triumphirte
ihre Nebenbuhlerin, und sie selbst war nicht nur in ihrer Eigenliebe, sondern
-- man sollte es kaum glauben -- in ihrem Herzen aufs tiefste beleidigt. Das
Herz gewann jedoch bald die Oberhand über ihren Zorn, und das Bewußt¬
sein ihrer Schönheit ließ sie Hoffnung schöpfen, daß es ihr doch gelingen werde,
Paul wieder zu ihren Füßen zu sehen.

Wenn ich ihn nur sehen, nur zehn Minuten lang allein mit ihm sprechen
könnte, ich bin überzeugt, er würde wieder ganz der Alte sein! Er flieht mich,
weil er selbst davon überzeugt ist. O, ich will ihn sehen!

Sie eilte an ihren Schreibtisch und warf auf ein rosenrotes Blättchen,
an dessen Kopfe die Anfangsbuchstaben ihres Namens in verschnörkelten gothi¬
schen Schriftzügen unter einer Grafenkrone standen, mit aufgeregter Hand ein
paar Zeilen, faltete es eiligst und steckte es in ein Kouvert, dann zog sie heftig
die Klingelschnur und behielt das Billet, auf welches sie keine Adresse gesetzt
hatte, in der Hand, um es sofort dem Diener, wenn er hereinkäme, zu übergeben.

Die Thür ging auf, aber statt des Dieners sah sie das gelbliche Gesicht
ihres Mannes vor sich. Enttäuscht stieß sie einen leisen Schrei aus und ver¬
steckte den Brief in den weiten Falten ihres Kleides.

Ich bin es, sagte der Graf mit sanftem Tone, und näherte sich auf seinen
Krückstock gestützt, ich war besorgt um deine Gesundheit. Ich habe diese
lieben jungen Leute verlassen, die ebenso beunruhigt sind wie ich, und wollte
mich nach deinem Befinden erkundigen.




Die Gngel auf (Lrden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Fortsetzung.)
11.

5UM
Kis Mondcjo Laurette verlassen hatte, ging diese in ihrem Zimmer
wie eine Löwin in ihrem Käfig wütend auf und ab. Tausend
verschiedne, Paul und Rina feindliche Pläne kreuzten sich in ihrer
Seele. An letzterer wollte sie sich rächen, ersteren unter jeder
Bedingung bestrafen. Sie hatte den Kampf allzu leicht genommen,
war des Gelingens allzu sicher gewesen, statt dessen triumphirte
ihre Nebenbuhlerin, und sie selbst war nicht nur in ihrer Eigenliebe, sondern
— man sollte es kaum glauben — in ihrem Herzen aufs tiefste beleidigt. Das
Herz gewann jedoch bald die Oberhand über ihren Zorn, und das Bewußt¬
sein ihrer Schönheit ließ sie Hoffnung schöpfen, daß es ihr doch gelingen werde,
Paul wieder zu ihren Füßen zu sehen.

Wenn ich ihn nur sehen, nur zehn Minuten lang allein mit ihm sprechen
könnte, ich bin überzeugt, er würde wieder ganz der Alte sein! Er flieht mich,
weil er selbst davon überzeugt ist. O, ich will ihn sehen!

Sie eilte an ihren Schreibtisch und warf auf ein rosenrotes Blättchen,
an dessen Kopfe die Anfangsbuchstaben ihres Namens in verschnörkelten gothi¬
schen Schriftzügen unter einer Grafenkrone standen, mit aufgeregter Hand ein
paar Zeilen, faltete es eiligst und steckte es in ein Kouvert, dann zog sie heftig
die Klingelschnur und behielt das Billet, auf welches sie keine Adresse gesetzt
hatte, in der Hand, um es sofort dem Diener, wenn er hereinkäme, zu übergeben.

Die Thür ging auf, aber statt des Dieners sah sie das gelbliche Gesicht
ihres Mannes vor sich. Enttäuscht stieß sie einen leisen Schrei aus und ver¬
steckte den Brief in den weiten Falten ihres Kleides.

Ich bin es, sagte der Graf mit sanftem Tone, und näherte sich auf seinen
Krückstock gestützt, ich war besorgt um deine Gesundheit. Ich habe diese
lieben jungen Leute verlassen, die ebenso beunruhigt sind wie ich, und wollte
mich nach deinem Befinden erkundigen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156569"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341839_156270/figures/grenzboten_341839_156270_156569_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Gngel auf (Lrden.<lb/><note type="byline"> Roman von Viktor Bersezio.</note> Aus dem Italienischen.<lb/>
(Fortsetzung.)<lb/>
11.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1274"> 5UM<lb/>
Kis Mondcjo Laurette verlassen hatte, ging diese in ihrem Zimmer<lb/>
wie eine Löwin in ihrem Käfig wütend auf und ab. Tausend<lb/>
verschiedne, Paul und Rina feindliche Pläne kreuzten sich in ihrer<lb/>
Seele. An letzterer wollte sie sich rächen, ersteren unter jeder<lb/>
Bedingung bestrafen. Sie hatte den Kampf allzu leicht genommen,<lb/>
war des Gelingens allzu sicher gewesen, statt dessen triumphirte<lb/>
ihre Nebenbuhlerin, und sie selbst war nicht nur in ihrer Eigenliebe, sondern<lb/>
&#x2014; man sollte es kaum glauben &#x2014; in ihrem Herzen aufs tiefste beleidigt. Das<lb/>
Herz gewann jedoch bald die Oberhand über ihren Zorn, und das Bewußt¬<lb/>
sein ihrer Schönheit ließ sie Hoffnung schöpfen, daß es ihr doch gelingen werde,<lb/>
Paul wieder zu ihren Füßen zu sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1275"> Wenn ich ihn nur sehen, nur zehn Minuten lang allein mit ihm sprechen<lb/>
könnte, ich bin überzeugt, er würde wieder ganz der Alte sein! Er flieht mich,<lb/>
weil er selbst davon überzeugt ist. O, ich will ihn sehen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1276"> Sie eilte an ihren Schreibtisch und warf auf ein rosenrotes Blättchen,<lb/>
an dessen Kopfe die Anfangsbuchstaben ihres Namens in verschnörkelten gothi¬<lb/>
schen Schriftzügen unter einer Grafenkrone standen, mit aufgeregter Hand ein<lb/>
paar Zeilen, faltete es eiligst und steckte es in ein Kouvert, dann zog sie heftig<lb/>
die Klingelschnur und behielt das Billet, auf welches sie keine Adresse gesetzt<lb/>
hatte, in der Hand, um es sofort dem Diener, wenn er hereinkäme, zu übergeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1277"> Die Thür ging auf, aber statt des Dieners sah sie das gelbliche Gesicht<lb/>
ihres Mannes vor sich. Enttäuscht stieß sie einen leisen Schrei aus und ver¬<lb/>
steckte den Brief in den weiten Falten ihres Kleides.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1278"> Ich bin es, sagte der Graf mit sanftem Tone, und näherte sich auf seinen<lb/>
Krückstock gestützt, ich war besorgt um deine Gesundheit. Ich habe diese<lb/>
lieben jungen Leute verlassen, die ebenso beunruhigt sind wie ich, und wollte<lb/>
mich nach deinem Befinden erkundigen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] [Abbildung] Die Gngel auf (Lrden. Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen. (Fortsetzung.) 11. 5UM Kis Mondcjo Laurette verlassen hatte, ging diese in ihrem Zimmer wie eine Löwin in ihrem Käfig wütend auf und ab. Tausend verschiedne, Paul und Rina feindliche Pläne kreuzten sich in ihrer Seele. An letzterer wollte sie sich rächen, ersteren unter jeder Bedingung bestrafen. Sie hatte den Kampf allzu leicht genommen, war des Gelingens allzu sicher gewesen, statt dessen triumphirte ihre Nebenbuhlerin, und sie selbst war nicht nur in ihrer Eigenliebe, sondern — man sollte es kaum glauben — in ihrem Herzen aufs tiefste beleidigt. Das Herz gewann jedoch bald die Oberhand über ihren Zorn, und das Bewußt¬ sein ihrer Schönheit ließ sie Hoffnung schöpfen, daß es ihr doch gelingen werde, Paul wieder zu ihren Füßen zu sehen. Wenn ich ihn nur sehen, nur zehn Minuten lang allein mit ihm sprechen könnte, ich bin überzeugt, er würde wieder ganz der Alte sein! Er flieht mich, weil er selbst davon überzeugt ist. O, ich will ihn sehen! Sie eilte an ihren Schreibtisch und warf auf ein rosenrotes Blättchen, an dessen Kopfe die Anfangsbuchstaben ihres Namens in verschnörkelten gothi¬ schen Schriftzügen unter einer Grafenkrone standen, mit aufgeregter Hand ein paar Zeilen, faltete es eiligst und steckte es in ein Kouvert, dann zog sie heftig die Klingelschnur und behielt das Billet, auf welches sie keine Adresse gesetzt hatte, in der Hand, um es sofort dem Diener, wenn er hereinkäme, zu übergeben. Die Thür ging auf, aber statt des Dieners sah sie das gelbliche Gesicht ihres Mannes vor sich. Enttäuscht stieß sie einen leisen Schrei aus und ver¬ steckte den Brief in den weiten Falten ihres Kleides. Ich bin es, sagte der Graf mit sanftem Tone, und näherte sich auf seinen Krückstock gestützt, ich war besorgt um deine Gesundheit. Ich habe diese lieben jungen Leute verlassen, die ebenso beunruhigt sind wie ich, und wollte mich nach deinem Befinden erkundigen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/298>, abgerufen am 21.06.2024.