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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Börscnsteuerdebatte.

wirkt, daß jedes Papier, welches der Steuer unterworfen ist, dem Finanzminister
gegenüber einen zahlungsfähigen und vom Minister anerkannten Vertreter haben
muß, wodurch wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, bei reinen Schwindcl-
emissionen einen Schuldigen zu fassen. Dieser Steuer sind indes Staatsanleihen
nicht unterworfen. Zu jenen drei Steuern tritt dann noch die Kuponsteuer
im Betrage von 3 Prozent des Zins- oder Dividendenerträgnisses. Schon
letztere beiden Steuern bringen fast 50 Millionen Franks jährlich ein, und
sicher wird niemand behaupten wollen, daß dadurch der Handel in irgendeiner
Weise bedrückt werde.

Man kann daher hinsichtlich der finanziellen Ausnutzung das französische
System als ziemlich vollkommen bezeichnen; aber hinsichtlich der Börsenkontrole
enthält das System nur Anfänge, die nicht weiter entwickelt worden sind. Aller¬
dings steht jede französische Börse unter wirklicher Staatsaufsicht von Staats¬
beamten, nicht wie in Deutschland nur unter der zweifelhaften Kontrole von
Handelskammern, deren Zusammensetzung hie und da nicht einmal den gesetzlichen
Bestimmungen entspricht. Auch sind die Börsenmakler wirkliche absetzbare Staats¬
beamte, wenn auch ihre Einkünfte ein Vermögensrecht gewähren. Aber die
Beaufsichtigung der Börse läßt doch sehr viel zu wünschen übrig. Der Finanz-
minister und seine Vertreter haben in erster Linie die Steuer im Auge; für sie
ist der pünktliche und reichliche Eingang der Steuern die Hauptsache; im weitern
aber sehen sie oft über sehr erhebliche Gesetzesverletzungen hinweg -- insbesondre
was das Maklerwescn betrifft --, sodaß fast jede Üverspekulativn, die in einer
Krisis ausläuft, an den Tag bringt, daß die Makler im großartigsten Ma߬
stabe die Gesetze verletzt haben, was gewöhnlich zur Folge hat, daß einige Makler
ihrer Stellen entsetzt und bestraft werden, während man zugestehen muß, daß
sie eigentlich sämtlich verdienen, über die Klinge zu springen. Dies hat sogar
zur Folge gehabt, daß von selten der Makler selbst verlangt worden ist, das
Differenzgeschäft gänzlich zu verbieten, da die Makler genötigt seien, um ihren
Auftraggebern zu genügen, die andre Spielpartie wenigstens vorläufig selbst zu
übernehmen; auch an den deutschen Börsen wird diese stärkste Verletzung des
Gesetzes -- denn die Maklereigenschaft bedingt unerläßlich, daß der Makler sich
nur mit der Vermittlung, nie aber mit eignen Geschäften befasse -- mit
jener Entschuldigung abgethan, und man setzt sich dadurch aufs leichteste über
die eidlich übernommene Verpflichtung hinweg. Könnte sich daher die Be¬
hörde entschließen, das Maklerwesen besser zu kontroliren und die Eigen¬
geschäfte der Makler völlig unmöglich zu machen, so würde auch ein sehr erheb¬
licher Teil der gefährlichsten Differenzgeschäfte unmöglich werden. Der Makler
könnte dann einen Spielauftrag mir ausführen, wenn er anch wirklich einen
Teilnehmer dafür fände, was schon durch den bloßen Zeitverlust eine beträcht¬
liche Einschränkung der leichtsinnigen Spielverbindlichkeiten mit sich bringen
würde.


Grenzboten III. 1884. 84
Die Börscnsteuerdebatte.

wirkt, daß jedes Papier, welches der Steuer unterworfen ist, dem Finanzminister
gegenüber einen zahlungsfähigen und vom Minister anerkannten Vertreter haben
muß, wodurch wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, bei reinen Schwindcl-
emissionen einen Schuldigen zu fassen. Dieser Steuer sind indes Staatsanleihen
nicht unterworfen. Zu jenen drei Steuern tritt dann noch die Kuponsteuer
im Betrage von 3 Prozent des Zins- oder Dividendenerträgnisses. Schon
letztere beiden Steuern bringen fast 50 Millionen Franks jährlich ein, und
sicher wird niemand behaupten wollen, daß dadurch der Handel in irgendeiner
Weise bedrückt werde.

Man kann daher hinsichtlich der finanziellen Ausnutzung das französische
System als ziemlich vollkommen bezeichnen; aber hinsichtlich der Börsenkontrole
enthält das System nur Anfänge, die nicht weiter entwickelt worden sind. Aller¬
dings steht jede französische Börse unter wirklicher Staatsaufsicht von Staats¬
beamten, nicht wie in Deutschland nur unter der zweifelhaften Kontrole von
Handelskammern, deren Zusammensetzung hie und da nicht einmal den gesetzlichen
Bestimmungen entspricht. Auch sind die Börsenmakler wirkliche absetzbare Staats¬
beamte, wenn auch ihre Einkünfte ein Vermögensrecht gewähren. Aber die
Beaufsichtigung der Börse läßt doch sehr viel zu wünschen übrig. Der Finanz-
minister und seine Vertreter haben in erster Linie die Steuer im Auge; für sie
ist der pünktliche und reichliche Eingang der Steuern die Hauptsache; im weitern
aber sehen sie oft über sehr erhebliche Gesetzesverletzungen hinweg — insbesondre
was das Maklerwescn betrifft —, sodaß fast jede Üverspekulativn, die in einer
Krisis ausläuft, an den Tag bringt, daß die Makler im großartigsten Ma߬
stabe die Gesetze verletzt haben, was gewöhnlich zur Folge hat, daß einige Makler
ihrer Stellen entsetzt und bestraft werden, während man zugestehen muß, daß
sie eigentlich sämtlich verdienen, über die Klinge zu springen. Dies hat sogar
zur Folge gehabt, daß von selten der Makler selbst verlangt worden ist, das
Differenzgeschäft gänzlich zu verbieten, da die Makler genötigt seien, um ihren
Auftraggebern zu genügen, die andre Spielpartie wenigstens vorläufig selbst zu
übernehmen; auch an den deutschen Börsen wird diese stärkste Verletzung des
Gesetzes — denn die Maklereigenschaft bedingt unerläßlich, daß der Makler sich
nur mit der Vermittlung, nie aber mit eignen Geschäften befasse — mit
jener Entschuldigung abgethan, und man setzt sich dadurch aufs leichteste über
die eidlich übernommene Verpflichtung hinweg. Könnte sich daher die Be¬
hörde entschließen, das Maklerwesen besser zu kontroliren und die Eigen¬
geschäfte der Makler völlig unmöglich zu machen, so würde auch ein sehr erheb¬
licher Teil der gefährlichsten Differenzgeschäfte unmöglich werden. Der Makler
könnte dann einen Spielauftrag mir ausführen, wenn er anch wirklich einen
Teilnehmer dafür fände, was schon durch den bloßen Zeitverlust eine beträcht¬
liche Einschränkung der leichtsinnigen Spielverbindlichkeiten mit sich bringen
würde.


Grenzboten III. 1884. 84
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[0273] Die Börscnsteuerdebatte. wirkt, daß jedes Papier, welches der Steuer unterworfen ist, dem Finanzminister gegenüber einen zahlungsfähigen und vom Minister anerkannten Vertreter haben muß, wodurch wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, bei reinen Schwindcl- emissionen einen Schuldigen zu fassen. Dieser Steuer sind indes Staatsanleihen nicht unterworfen. Zu jenen drei Steuern tritt dann noch die Kuponsteuer im Betrage von 3 Prozent des Zins- oder Dividendenerträgnisses. Schon letztere beiden Steuern bringen fast 50 Millionen Franks jährlich ein, und sicher wird niemand behaupten wollen, daß dadurch der Handel in irgendeiner Weise bedrückt werde. Man kann daher hinsichtlich der finanziellen Ausnutzung das französische System als ziemlich vollkommen bezeichnen; aber hinsichtlich der Börsenkontrole enthält das System nur Anfänge, die nicht weiter entwickelt worden sind. Aller¬ dings steht jede französische Börse unter wirklicher Staatsaufsicht von Staats¬ beamten, nicht wie in Deutschland nur unter der zweifelhaften Kontrole von Handelskammern, deren Zusammensetzung hie und da nicht einmal den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Auch sind die Börsenmakler wirkliche absetzbare Staats¬ beamte, wenn auch ihre Einkünfte ein Vermögensrecht gewähren. Aber die Beaufsichtigung der Börse läßt doch sehr viel zu wünschen übrig. Der Finanz- minister und seine Vertreter haben in erster Linie die Steuer im Auge; für sie ist der pünktliche und reichliche Eingang der Steuern die Hauptsache; im weitern aber sehen sie oft über sehr erhebliche Gesetzesverletzungen hinweg — insbesondre was das Maklerwescn betrifft —, sodaß fast jede Üverspekulativn, die in einer Krisis ausläuft, an den Tag bringt, daß die Makler im großartigsten Ma߬ stabe die Gesetze verletzt haben, was gewöhnlich zur Folge hat, daß einige Makler ihrer Stellen entsetzt und bestraft werden, während man zugestehen muß, daß sie eigentlich sämtlich verdienen, über die Klinge zu springen. Dies hat sogar zur Folge gehabt, daß von selten der Makler selbst verlangt worden ist, das Differenzgeschäft gänzlich zu verbieten, da die Makler genötigt seien, um ihren Auftraggebern zu genügen, die andre Spielpartie wenigstens vorläufig selbst zu übernehmen; auch an den deutschen Börsen wird diese stärkste Verletzung des Gesetzes — denn die Maklereigenschaft bedingt unerläßlich, daß der Makler sich nur mit der Vermittlung, nie aber mit eignen Geschäften befasse — mit jener Entschuldigung abgethan, und man setzt sich dadurch aufs leichteste über die eidlich übernommene Verpflichtung hinweg. Könnte sich daher die Be¬ hörde entschließen, das Maklerwesen besser zu kontroliren und die Eigen¬ geschäfte der Makler völlig unmöglich zu machen, so würde auch ein sehr erheb¬ licher Teil der gefährlichsten Differenzgeschäfte unmöglich werden. Der Makler könnte dann einen Spielauftrag mir ausführen, wenn er anch wirklich einen Teilnehmer dafür fände, was schon durch den bloßen Zeitverlust eine beträcht¬ liche Einschränkung der leichtsinnigen Spielverbindlichkeiten mit sich bringen würde. Grenzboten III. 1884. 84

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/273>, abgerufen am 21.06.2024.