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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Bö'rsonsteuordebatte.

daß es eines nicht einem einzigen Jobber einfallen wird, gerade der Börsensteuer
wegen Deutschland zu verlassen. Die Behauptung, anderwärts kenne man
keine Börsensteuer, kann nicht mehr bestehen. Noch bei der Beratung des
Börsensteuercutwurfs des Herrn von Wedell-Malchow wurde jene Behauptung
im Reichstage vom Abgeordneten Sonnemann mit großer Keckheit vorgebracht,
und es fand sich in jener Körperschaft niemand zur Widerrede. Dies dürfte
bei Beratung des neuen Entwurfs anders werden, da die Mitglieder des Reichs¬
tages darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß jene Behauptung falsch ist.
Es giebt im Gegensatz zu Deutschland nicht nur Länder, wo hohe Börsensteueru
erhoben werden, sondern auch solche mit sehr strengen Börsengcsctzen.

In Frankreich, wo aus Gründen, welche in den Grenzboten schon mehr¬
fache Darstellung erfahren haben, die Börse seit ihrer Entstehung eine große
politische Bedeutung besitzt, ist dieselbe schon seit Jahrhunderten Gegenstand
vielfacher gesetzgeberischer Maßnahmen gewesen. Und seitdem die Anforderungen
an die Kräfte und an die Finanzen des Staates immer umfangreicher geworden
sind, hat man auch nicht versäumt, die Börse, deren große Steuerlast man
sehr bald erkannte, zu den Staatslasten heranzuziehen. Während im deutschen
Reichstage, wie erwähnt, behauptet wurde, man kenne in Frankreich keine Börsen-
steuer, giebt es deren dort nicht weniger als vier, von denen nur eine den
Charakter einer Kapitalrentensteuer trägt, und die insgesamt jährlich mehr als
60 Millionen Franks einbringen.*) Daneben sind auch die verschiedenen Ge¬
werbe der Börsenbeflissenen außerordentlich hoch mit Gewerbesteuer belegt. Ferner
sind die französischen Börsenstenern, zum Teil wenigstens, sehr rationell und
treffen auch nur das mobile durch die Börse laufende Kapital.

Die rationellste dieser Steuern ist die Emissionssteuer, von welcher nur die
französische Stacitsrente ausgenommen ist. Sämtliche in- und ausländische
Korporations- und Gesellschaftsanteil)?!!, sowie alle Aktienemissionen sind der
Steuer unterworfen; ebenso alle ausländischen Staatsanleihen, die in Frankreich
emittirt werden. Die Steuer beträgt für die Papiere der erstem Art entweder
1 Prozent Stempel oder 6 Cent, von 100 Franks Kapitalwert jährlich; die
ausländische!! Staatspapiere haben 75 Cent. Stempel von je 500 Franks Kapital
zu entrichten. Als zweite bez. dritte Börsensteuer tritt hierzu die Umschlag-
steucr, welche der Zweckmäßigkeit wegen in zwei Formen erhoben wird; zuerst
als proie, as trkM8tort von den Namenpapieren, im Betrage von ^/z Prozent von
jedem Besitzwechsel; sodann als 1ax"z Ah triZvsinisslon von den Jnhaberpapieren
dergestalt, daß jährlich 20 Cent, von je 100 Franks des durchschnittlichen
Kurswertes in vierteljährlichen Raten erhoben werden. Hierdurch wird de-



*) Vgl. Die Finanzen Frankreichs vou R. v. Kaufmann (Leipzig, Bibliographisches In-
stitut). Dieses Wert ist gerade im Hinblick auf die Steuerdebatten bei uns sehr zur rechten
Zeit erschienen. Was dasselbe hinsichtlich der Börsensteuern sagt, ist vollkommen genügend,
un> ähnliche Behauptungen, wie wir sie oben angeführt haben, zu widerlegen.
Die Bö'rsonsteuordebatte.

daß es eines nicht einem einzigen Jobber einfallen wird, gerade der Börsensteuer
wegen Deutschland zu verlassen. Die Behauptung, anderwärts kenne man
keine Börsensteuer, kann nicht mehr bestehen. Noch bei der Beratung des
Börsensteuercutwurfs des Herrn von Wedell-Malchow wurde jene Behauptung
im Reichstage vom Abgeordneten Sonnemann mit großer Keckheit vorgebracht,
und es fand sich in jener Körperschaft niemand zur Widerrede. Dies dürfte
bei Beratung des neuen Entwurfs anders werden, da die Mitglieder des Reichs¬
tages darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß jene Behauptung falsch ist.
Es giebt im Gegensatz zu Deutschland nicht nur Länder, wo hohe Börsensteueru
erhoben werden, sondern auch solche mit sehr strengen Börsengcsctzen.

In Frankreich, wo aus Gründen, welche in den Grenzboten schon mehr¬
fache Darstellung erfahren haben, die Börse seit ihrer Entstehung eine große
politische Bedeutung besitzt, ist dieselbe schon seit Jahrhunderten Gegenstand
vielfacher gesetzgeberischer Maßnahmen gewesen. Und seitdem die Anforderungen
an die Kräfte und an die Finanzen des Staates immer umfangreicher geworden
sind, hat man auch nicht versäumt, die Börse, deren große Steuerlast man
sehr bald erkannte, zu den Staatslasten heranzuziehen. Während im deutschen
Reichstage, wie erwähnt, behauptet wurde, man kenne in Frankreich keine Börsen-
steuer, giebt es deren dort nicht weniger als vier, von denen nur eine den
Charakter einer Kapitalrentensteuer trägt, und die insgesamt jährlich mehr als
60 Millionen Franks einbringen.*) Daneben sind auch die verschiedenen Ge¬
werbe der Börsenbeflissenen außerordentlich hoch mit Gewerbesteuer belegt. Ferner
sind die französischen Börsenstenern, zum Teil wenigstens, sehr rationell und
treffen auch nur das mobile durch die Börse laufende Kapital.

Die rationellste dieser Steuern ist die Emissionssteuer, von welcher nur die
französische Stacitsrente ausgenommen ist. Sämtliche in- und ausländische
Korporations- und Gesellschaftsanteil)?!!, sowie alle Aktienemissionen sind der
Steuer unterworfen; ebenso alle ausländischen Staatsanleihen, die in Frankreich
emittirt werden. Die Steuer beträgt für die Papiere der erstem Art entweder
1 Prozent Stempel oder 6 Cent, von 100 Franks Kapitalwert jährlich; die
ausländische!! Staatspapiere haben 75 Cent. Stempel von je 500 Franks Kapital
zu entrichten. Als zweite bez. dritte Börsensteuer tritt hierzu die Umschlag-
steucr, welche der Zweckmäßigkeit wegen in zwei Formen erhoben wird; zuerst
als proie, as trkM8tort von den Namenpapieren, im Betrage von ^/z Prozent von
jedem Besitzwechsel; sodann als 1ax«z Ah triZvsinisslon von den Jnhaberpapieren
dergestalt, daß jährlich 20 Cent, von je 100 Franks des durchschnittlichen
Kurswertes in vierteljährlichen Raten erhoben werden. Hierdurch wird de-



*) Vgl. Die Finanzen Frankreichs vou R. v. Kaufmann (Leipzig, Bibliographisches In-
stitut). Dieses Wert ist gerade im Hinblick auf die Steuerdebatten bei uns sehr zur rechten
Zeit erschienen. Was dasselbe hinsichtlich der Börsensteuern sagt, ist vollkommen genügend,
un> ähnliche Behauptungen, wie wir sie oben angeführt haben, zu widerlegen.
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[0272] Die Bö'rsonsteuordebatte. daß es eines nicht einem einzigen Jobber einfallen wird, gerade der Börsensteuer wegen Deutschland zu verlassen. Die Behauptung, anderwärts kenne man keine Börsensteuer, kann nicht mehr bestehen. Noch bei der Beratung des Börsensteuercutwurfs des Herrn von Wedell-Malchow wurde jene Behauptung im Reichstage vom Abgeordneten Sonnemann mit großer Keckheit vorgebracht, und es fand sich in jener Körperschaft niemand zur Widerrede. Dies dürfte bei Beratung des neuen Entwurfs anders werden, da die Mitglieder des Reichs¬ tages darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß jene Behauptung falsch ist. Es giebt im Gegensatz zu Deutschland nicht nur Länder, wo hohe Börsensteueru erhoben werden, sondern auch solche mit sehr strengen Börsengcsctzen. In Frankreich, wo aus Gründen, welche in den Grenzboten schon mehr¬ fache Darstellung erfahren haben, die Börse seit ihrer Entstehung eine große politische Bedeutung besitzt, ist dieselbe schon seit Jahrhunderten Gegenstand vielfacher gesetzgeberischer Maßnahmen gewesen. Und seitdem die Anforderungen an die Kräfte und an die Finanzen des Staates immer umfangreicher geworden sind, hat man auch nicht versäumt, die Börse, deren große Steuerlast man sehr bald erkannte, zu den Staatslasten heranzuziehen. Während im deutschen Reichstage, wie erwähnt, behauptet wurde, man kenne in Frankreich keine Börsen- steuer, giebt es deren dort nicht weniger als vier, von denen nur eine den Charakter einer Kapitalrentensteuer trägt, und die insgesamt jährlich mehr als 60 Millionen Franks einbringen.*) Daneben sind auch die verschiedenen Ge¬ werbe der Börsenbeflissenen außerordentlich hoch mit Gewerbesteuer belegt. Ferner sind die französischen Börsenstenern, zum Teil wenigstens, sehr rationell und treffen auch nur das mobile durch die Börse laufende Kapital. Die rationellste dieser Steuern ist die Emissionssteuer, von welcher nur die französische Stacitsrente ausgenommen ist. Sämtliche in- und ausländische Korporations- und Gesellschaftsanteil)?!!, sowie alle Aktienemissionen sind der Steuer unterworfen; ebenso alle ausländischen Staatsanleihen, die in Frankreich emittirt werden. Die Steuer beträgt für die Papiere der erstem Art entweder 1 Prozent Stempel oder 6 Cent, von 100 Franks Kapitalwert jährlich; die ausländische!! Staatspapiere haben 75 Cent. Stempel von je 500 Franks Kapital zu entrichten. Als zweite bez. dritte Börsensteuer tritt hierzu die Umschlag- steucr, welche der Zweckmäßigkeit wegen in zwei Formen erhoben wird; zuerst als proie, as trkM8tort von den Namenpapieren, im Betrage von ^/z Prozent von jedem Besitzwechsel; sodann als 1ax«z Ah triZvsinisslon von den Jnhaberpapieren dergestalt, daß jährlich 20 Cent, von je 100 Franks des durchschnittlichen Kurswertes in vierteljährlichen Raten erhoben werden. Hierdurch wird de- *) Vgl. Die Finanzen Frankreichs vou R. v. Kaufmann (Leipzig, Bibliographisches In- stitut). Dieses Wert ist gerade im Hinblick auf die Steuerdebatten bei uns sehr zur rechten Zeit erschienen. Was dasselbe hinsichtlich der Börsensteuern sagt, ist vollkommen genügend, un> ähnliche Behauptungen, wie wir sie oben angeführt haben, zu widerlegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/272>, abgerufen am 21.06.2024.