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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngel auf Erden.

innerte sich allerdings nicht an das Portemonnaie, aber es war der Ort, wo
sie mit Paul verweilt und das Wunder vollbracht hatte, dieser Natur eine
Herzensaufwallung zu bereiten. Vou plötzlicher Neugierde erregt, befahl sie
dem Diener, den Mann eintreten zu lassen.

Zwei Minuten nachher verbeugte sich Mondejo vor ihr, sie sah ihn vom
Kopf bis zu den Füszen an und erkannte ihn wieder.
'

Ah! Ihr seids! Was ist denn das für eine Geschichte von einem Gegen¬
stande, den Ihr gefunden haben wollt?

Und den ich überbringe, antwortete der Akrobat, indem er sich nicht ohne
Anstand dem Fenster näherte, an welchem die Gräfin saß. Es ist eine Ge¬
schichte, welche ausnahmsweise wahr ist.

Wie habt Ihr meinen Namen erfahren? fragte Laurette, welche den Manu
mit gespannter Aufmerksamkeit betrachtete und vielleicht Mitteilungen von größerer
Bedeutung erwartete.

Das war die leichteste Sache von der Welt. Ich brauchte ja nur zu
fragen, wie die schönste Dame hier im Bade heiße.

Die Gräfin machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Kopfe und er¬
rötete vor Unwillen über die Unverschämtheit dieses Kompliments aus solchem
Munde, dann zuckte sie mit den Schultern und sah ans dem Fenster, als ob
sie nicht darauf geachtet hätte.

Was ist es also für ein Gegenstand, den Ihr mir bringt?

Mondejo überreichte ihr das Portemonnaie.

Ah! Richtig, das hatte ich ganz vergessen. Zum Kuckuk! Eure Ehrlich¬
keit hat eine ganze Woche Nachdenken gebraucht, bevor sie diesen heroischen
Entschluß faßte.

Es ist nicht meine Ehrlichkeit gewesen, die mich abgehalten hat, sondern
ein verrenkter Fuß.

Gut! Wie Ihr wollt! Weiter habt Ihr mir nichts zu sagen? Gut. Um
Euch zu beweisen, daß ich Euern Eifer schätze, nehme ich das Portemonnaie
an, aber lasse Euch seinen Inhalt. Leere das Geld in Eure Hände aus und
gebt mir das Portemonnaie.

Der Akrobat legte statt dessen den ganzen Fund auf einen Tisch in der
Nähe und sagte mit einer Würde, die Lcmrette einigermaßen in Verwunderung
setzte: Frau Gräfin, wenn ich hierher kam, um meine Pflicht zu erfüllen, habe
ich mir allerdings geschmeichelt, daß mir eine Erkenntlichkeit zuteil werden
würde, aber ich war stolz genug, eine größere als die mir von Ihnen ange¬
botene zu erwarten.

Nun? unterbrach ihn die Gräfin hochmütig.

Einen einfachen Dank aus Ihrem schönen Munde.

Laurette prüfte mit derselben Neugierde wie früher den Menschen, der in
den abgerissenen Kleidern des Akrobaten mit den Manieren und Worten eines
Stutzers redete.

Wo habt Ihr denn dergleichen gelernt? fragte sie mit etwas gemäßigteren
Tone, und wie kommt Ihr dazu, Euch die Freiheit zu nehmen, es mir zu
sagen?

Mondejo verzog sein Gesicht zu demselben Lächeln, mit welchem er bereits
auf der Straße nach die hochmütige Frage der Gräfin beantwortet hatte,
und schickte sich an, etwas zu erwiedern. Aber in diesem Augenblicke fiel sein
Blick durch das offene Fenster auf die kleine, aus Rina, Adele, Paul und Gcgia


Die Lngel auf Erden.

innerte sich allerdings nicht an das Portemonnaie, aber es war der Ort, wo
sie mit Paul verweilt und das Wunder vollbracht hatte, dieser Natur eine
Herzensaufwallung zu bereiten. Vou plötzlicher Neugierde erregt, befahl sie
dem Diener, den Mann eintreten zu lassen.

Zwei Minuten nachher verbeugte sich Mondejo vor ihr, sie sah ihn vom
Kopf bis zu den Füszen an und erkannte ihn wieder.
'

Ah! Ihr seids! Was ist denn das für eine Geschichte von einem Gegen¬
stande, den Ihr gefunden haben wollt?

Und den ich überbringe, antwortete der Akrobat, indem er sich nicht ohne
Anstand dem Fenster näherte, an welchem die Gräfin saß. Es ist eine Ge¬
schichte, welche ausnahmsweise wahr ist.

Wie habt Ihr meinen Namen erfahren? fragte Laurette, welche den Manu
mit gespannter Aufmerksamkeit betrachtete und vielleicht Mitteilungen von größerer
Bedeutung erwartete.

Das war die leichteste Sache von der Welt. Ich brauchte ja nur zu
fragen, wie die schönste Dame hier im Bade heiße.

Die Gräfin machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Kopfe und er¬
rötete vor Unwillen über die Unverschämtheit dieses Kompliments aus solchem
Munde, dann zuckte sie mit den Schultern und sah ans dem Fenster, als ob
sie nicht darauf geachtet hätte.

Was ist es also für ein Gegenstand, den Ihr mir bringt?

Mondejo überreichte ihr das Portemonnaie.

Ah! Richtig, das hatte ich ganz vergessen. Zum Kuckuk! Eure Ehrlich¬
keit hat eine ganze Woche Nachdenken gebraucht, bevor sie diesen heroischen
Entschluß faßte.

Es ist nicht meine Ehrlichkeit gewesen, die mich abgehalten hat, sondern
ein verrenkter Fuß.

Gut! Wie Ihr wollt! Weiter habt Ihr mir nichts zu sagen? Gut. Um
Euch zu beweisen, daß ich Euern Eifer schätze, nehme ich das Portemonnaie
an, aber lasse Euch seinen Inhalt. Leere das Geld in Eure Hände aus und
gebt mir das Portemonnaie.

Der Akrobat legte statt dessen den ganzen Fund auf einen Tisch in der
Nähe und sagte mit einer Würde, die Lcmrette einigermaßen in Verwunderung
setzte: Frau Gräfin, wenn ich hierher kam, um meine Pflicht zu erfüllen, habe
ich mir allerdings geschmeichelt, daß mir eine Erkenntlichkeit zuteil werden
würde, aber ich war stolz genug, eine größere als die mir von Ihnen ange¬
botene zu erwarten.

Nun? unterbrach ihn die Gräfin hochmütig.

Einen einfachen Dank aus Ihrem schönen Munde.

Laurette prüfte mit derselben Neugierde wie früher den Menschen, der in
den abgerissenen Kleidern des Akrobaten mit den Manieren und Worten eines
Stutzers redete.

Wo habt Ihr denn dergleichen gelernt? fragte sie mit etwas gemäßigteren
Tone, und wie kommt Ihr dazu, Euch die Freiheit zu nehmen, es mir zu
sagen?

Mondejo verzog sein Gesicht zu demselben Lächeln, mit welchem er bereits
auf der Straße nach die hochmütige Frage der Gräfin beantwortet hatte,
und schickte sich an, etwas zu erwiedern. Aber in diesem Augenblicke fiel sein
Blick durch das offene Fenster auf die kleine, aus Rina, Adele, Paul und Gcgia


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[0253] Die Lngel auf Erden. innerte sich allerdings nicht an das Portemonnaie, aber es war der Ort, wo sie mit Paul verweilt und das Wunder vollbracht hatte, dieser Natur eine Herzensaufwallung zu bereiten. Vou plötzlicher Neugierde erregt, befahl sie dem Diener, den Mann eintreten zu lassen. Zwei Minuten nachher verbeugte sich Mondejo vor ihr, sie sah ihn vom Kopf bis zu den Füszen an und erkannte ihn wieder. ' Ah! Ihr seids! Was ist denn das für eine Geschichte von einem Gegen¬ stande, den Ihr gefunden haben wollt? Und den ich überbringe, antwortete der Akrobat, indem er sich nicht ohne Anstand dem Fenster näherte, an welchem die Gräfin saß. Es ist eine Ge¬ schichte, welche ausnahmsweise wahr ist. Wie habt Ihr meinen Namen erfahren? fragte Laurette, welche den Manu mit gespannter Aufmerksamkeit betrachtete und vielleicht Mitteilungen von größerer Bedeutung erwartete. Das war die leichteste Sache von der Welt. Ich brauchte ja nur zu fragen, wie die schönste Dame hier im Bade heiße. Die Gräfin machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Kopfe und er¬ rötete vor Unwillen über die Unverschämtheit dieses Kompliments aus solchem Munde, dann zuckte sie mit den Schultern und sah ans dem Fenster, als ob sie nicht darauf geachtet hätte. Was ist es also für ein Gegenstand, den Ihr mir bringt? Mondejo überreichte ihr das Portemonnaie. Ah! Richtig, das hatte ich ganz vergessen. Zum Kuckuk! Eure Ehrlich¬ keit hat eine ganze Woche Nachdenken gebraucht, bevor sie diesen heroischen Entschluß faßte. Es ist nicht meine Ehrlichkeit gewesen, die mich abgehalten hat, sondern ein verrenkter Fuß. Gut! Wie Ihr wollt! Weiter habt Ihr mir nichts zu sagen? Gut. Um Euch zu beweisen, daß ich Euern Eifer schätze, nehme ich das Portemonnaie an, aber lasse Euch seinen Inhalt. Leere das Geld in Eure Hände aus und gebt mir das Portemonnaie. Der Akrobat legte statt dessen den ganzen Fund auf einen Tisch in der Nähe und sagte mit einer Würde, die Lcmrette einigermaßen in Verwunderung setzte: Frau Gräfin, wenn ich hierher kam, um meine Pflicht zu erfüllen, habe ich mir allerdings geschmeichelt, daß mir eine Erkenntlichkeit zuteil werden würde, aber ich war stolz genug, eine größere als die mir von Ihnen ange¬ botene zu erwarten. Nun? unterbrach ihn die Gräfin hochmütig. Einen einfachen Dank aus Ihrem schönen Munde. Laurette prüfte mit derselben Neugierde wie früher den Menschen, der in den abgerissenen Kleidern des Akrobaten mit den Manieren und Worten eines Stutzers redete. Wo habt Ihr denn dergleichen gelernt? fragte sie mit etwas gemäßigteren Tone, und wie kommt Ihr dazu, Euch die Freiheit zu nehmen, es mir zu sagen? Mondejo verzog sein Gesicht zu demselben Lächeln, mit welchem er bereits auf der Straße nach die hochmütige Frage der Gräfin beantwortet hatte, und schickte sich an, etwas zu erwiedern. Aber in diesem Augenblicke fiel sein Blick durch das offene Fenster auf die kleine, aus Rina, Adele, Paul und Gcgia

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/253>, abgerufen am 21.06.2024.