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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Aus den Tagen der Klassiker.

Beaulieus mehrerwähntes treffliches Buch teilt aus dem Berliner Archiv den
Entwurf eines Schreibens des Herzogs Karl August von Weimar an Dalberg
vom 27. März 1787 mit, aus dem man wohl ersieht, daß gerade bei den¬
jenigen, die Dalbergs Wahl eifrig betrieben hatte", die Zweifel schon vor der
vollbrachten Thatsache erwachten. "Der Endcsgesetzte, heißt es zum Schluß
dieses denkwürdigen Aktenstückes, fiigt noch den sehnlicher Wunsch hinzu, daß
es doch endlich einmal dem Herrn Statthalter gefallen mochte, die Dinge dieser
Welt so zu betrachten und so zu behandeln, wie sie es verlangen, oder wenn
er finden sollte, daß dieses wider seine moralischen Grundsätze lauft, daß er sich
entschließe, sich nicht mehr damit zu bcmcngen und nur ja nicht zu glauben,
daß er im mindesten die Drehungen unsres Erdballs durch irgend eine mensch¬
liche Kraft oder Willen ändern werde." Vermochte man irgend zu glauben,
daß die scharfe Ansprache des Willensstärken Herzogs sich mir auf die kund¬
gegebene Abneigung und das häßliche Jntrigucnspiel in den Domkapiteln beziehe,
so wäre sie trotz alledem beinahe ein Ehrenzeuguis für Dalberg. Allein der
neue Koadjutor offenbarte alsbald die verhängnisvolle Eigenschaft, die Dinge
nicht sehen zu können, wie sie wirklich waren, sondern alle Widersprüche und
Zwiespalte mit unklaren, schönklingenden Phrasen ausgleichen zu wollen. Der
harte Widerstreit realer Interessen war der weichen Natur des Erfurter Statt¬
halters unbequem. So versteigt er sich dazu, den Fürstenbund alsbald in einen
Bund des Kaisers und Reichs verwandeln zu können und sinnt, mit naiv schlauer
oder schönseligcr Bemäntelung der Thatsache, daß der Bund gegen die Autoritäts¬
gelüste Josefs II. gerichtet war, dem Kaiser eine Versöhnung mit dieser Union
an. Die feine Ironie, mit welcher Josef auf solche Phrasen antwortete, schloß
eine vernichtende Kritik der politischen Unklarheit und der charakterlosen Nach¬
giebigkeit Dalbergs in sich ein.

Auch in den Kreisen, denen der Koadjutor als künftiger Beschützer, als er¬
lauchter Mitstrebender galt und in denen man damals noch keine Politik trieb,
kam man gelegentlich zum Bewußtsein der bedenklichen Anlagen eben dieser viel¬
versprechenden Natur. Schillers Schwägerin, Karoline von Beulwitz, welche
für ihn schwärmte und im Oktober 1791 an Schwester und Schwager schrieb:
"Der liebe, liebe Schatz, sein Brief hat mich sehr gerührt. Wohl ist es ein
engelschönes Herz, wert, daß man alles für ihn thue," und sich im Februar
1792 darauf vorbereitete, am künftigen Musenhofe von Mainz die Egeria des
Numa Pompilius Karl von Dalberg zu spielen ("Ich muß fühlen, was ich
dem Schatz sein kann, und welche Gestalt mein inneres Sein gewänne, einem
so hohen, schönen Wesen ein harmonisches Dasein zu geben -- es wäre eine
schöne, edle Frucht meines reifern Lebens"), mußte, von ihrer treuen Lotte und
von Schiller gewarnt, bereits in einem Briefe vom März 1792 zugeben: "Ich
glaube fast jetzt, daß ihr recht habt und daß er keine Konsequenz in dieser Art
von Gefühlen hat - doch muß ich noch gewisser werden, um meiner Seele


Aus den Tagen der Klassiker.

Beaulieus mehrerwähntes treffliches Buch teilt aus dem Berliner Archiv den
Entwurf eines Schreibens des Herzogs Karl August von Weimar an Dalberg
vom 27. März 1787 mit, aus dem man wohl ersieht, daß gerade bei den¬
jenigen, die Dalbergs Wahl eifrig betrieben hatte», die Zweifel schon vor der
vollbrachten Thatsache erwachten. „Der Endcsgesetzte, heißt es zum Schluß
dieses denkwürdigen Aktenstückes, fiigt noch den sehnlicher Wunsch hinzu, daß
es doch endlich einmal dem Herrn Statthalter gefallen mochte, die Dinge dieser
Welt so zu betrachten und so zu behandeln, wie sie es verlangen, oder wenn
er finden sollte, daß dieses wider seine moralischen Grundsätze lauft, daß er sich
entschließe, sich nicht mehr damit zu bcmcngen und nur ja nicht zu glauben,
daß er im mindesten die Drehungen unsres Erdballs durch irgend eine mensch¬
liche Kraft oder Willen ändern werde." Vermochte man irgend zu glauben,
daß die scharfe Ansprache des Willensstärken Herzogs sich mir auf die kund¬
gegebene Abneigung und das häßliche Jntrigucnspiel in den Domkapiteln beziehe,
so wäre sie trotz alledem beinahe ein Ehrenzeuguis für Dalberg. Allein der
neue Koadjutor offenbarte alsbald die verhängnisvolle Eigenschaft, die Dinge
nicht sehen zu können, wie sie wirklich waren, sondern alle Widersprüche und
Zwiespalte mit unklaren, schönklingenden Phrasen ausgleichen zu wollen. Der
harte Widerstreit realer Interessen war der weichen Natur des Erfurter Statt¬
halters unbequem. So versteigt er sich dazu, den Fürstenbund alsbald in einen
Bund des Kaisers und Reichs verwandeln zu können und sinnt, mit naiv schlauer
oder schönseligcr Bemäntelung der Thatsache, daß der Bund gegen die Autoritäts¬
gelüste Josefs II. gerichtet war, dem Kaiser eine Versöhnung mit dieser Union
an. Die feine Ironie, mit welcher Josef auf solche Phrasen antwortete, schloß
eine vernichtende Kritik der politischen Unklarheit und der charakterlosen Nach¬
giebigkeit Dalbergs in sich ein.

Auch in den Kreisen, denen der Koadjutor als künftiger Beschützer, als er¬
lauchter Mitstrebender galt und in denen man damals noch keine Politik trieb,
kam man gelegentlich zum Bewußtsein der bedenklichen Anlagen eben dieser viel¬
versprechenden Natur. Schillers Schwägerin, Karoline von Beulwitz, welche
für ihn schwärmte und im Oktober 1791 an Schwester und Schwager schrieb:
„Der liebe, liebe Schatz, sein Brief hat mich sehr gerührt. Wohl ist es ein
engelschönes Herz, wert, daß man alles für ihn thue," und sich im Februar
1792 darauf vorbereitete, am künftigen Musenhofe von Mainz die Egeria des
Numa Pompilius Karl von Dalberg zu spielen („Ich muß fühlen, was ich
dem Schatz sein kann, und welche Gestalt mein inneres Sein gewänne, einem
so hohen, schönen Wesen ein harmonisches Dasein zu geben — es wäre eine
schöne, edle Frucht meines reifern Lebens"), mußte, von ihrer treuen Lotte und
von Schiller gewarnt, bereits in einem Briefe vom März 1792 zugeben: „Ich
glaube fast jetzt, daß ihr recht habt und daß er keine Konsequenz in dieser Art
von Gefühlen hat - doch muß ich noch gewisser werden, um meiner Seele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/81>, abgerufen am 27.07.2024.