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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Aus den Tagen der Klassiker.

endlich elenden" Aufsätze, die von selten des Koadjutors einliefen, und wußte
sich schließlich nicht anders zu helfen, als daß er wider den Brauch seiner
Monatsschrift bei einem allerdings polizeiwidrig seichte" Elaborat "Über Knnfi¬
schn im" Dalbergs Namen hinzusetzte.

Bis zum Jahre 1783 blieb Dalberg nur das hochangesehene Mitglied
mehrerer Domkapitel und der Statthalter der kleinen erfurtischer Provinz. Allein
das gedachte Jahr brachte die Gründung des deutschen Fürstenbundes "zur
Aufrechterhaltung der bestehenden Reichsverfassung," gegen welche man Über¬
griffe von feiten des unternehmenden und hochstrebenden Kaisers Josefs II. fürchten
zu müssen glaubte. Im Oktober 178S trat auch der Kurfürst von Mainz rück¬
haltlos dem neuen Bunde bei, welcher damit über eine Majorität im Knrfürsten-
kollegium des Regensburger Reichstages gebot. Der Beitritt von Mainz war
im damaligen Reiche ein Ereignis, und in Berlin mußte man bei der Beschaffen¬
heit der geistliche" Staaten fürchten, daß über kurz oder lang dieser Bundes¬
genosse der neuen Union wieder verloren gehen könne. Anders stand es, wenn
bei Lebzeiten des Kurfürsten Karl Joseph dessen Nachfolger erwählt wurde und
ein unzweifelhafter Anhänger des Fürstenbundes war. Für einen solchen An¬
hänger galt Dalberg, auf ihn lenkte Karl August von Weimar, das eifrigste
Mitglied des Fürstenbundes, die Aufmerksamkeit König Friedrich Wilhelms II.
von Preußen. Nach wundersamen Intriguen und Wahlkämpfen, die Ranke in
seinem Werke "Die deutschen Mächte und der Fürstenbund" höchst anschaulich
und drastisch schildert, und zu denen auch Beaulieu-Marconnay ein paar charak¬
teristische Einzelheiten mitteilt, ward Dalberg am 1. April 1787 gewühlt. Es
war nach altem Volksaberglauben ein verhängnisvoller Tag, an dem Dalbergs
Wahl stattfand. Niemand zwar ahnte, daß eben jetzt der letzte "Qnadutter"
(altmainzisch für Koadjutor) des alten Erzstiftes ernannt sei, und Dalberg wußte,
wie es schien, nicht, daß seine Wahl der Krone Preußen 180 000 Gulden für
Bestechungen des Domkapitels, "Dvnceurs" und "Präsente" gekostet. Im
Gegenteil knüpften sich an seine Erwählung zum Koadjutor von Mainz alsbald
auch gleiche Ernennungen zum Regierungsnachfolger in den Bistümern Worms
und Konstanz, sodaß es schien, daß Dalberg dereinst über eine gewisse, zu
selbständigem Handeln befähigende Macht zu gebieten haben werde. Die sämt¬
lichen Borgänge bei Dalbergs Wahl und ihre nachfolgende Bestätigung dnrch
den heiligen Stuhl, sowie die mit der Gründung des Fürstenbundes eingetretene
Rührigkeit täuschten noch einmal darüber, wie morsch und haltlos die Zustände
des heiligen Reiches geworden waren und daß der erste Stoß von anßen die
Existenz des Reiches selbst, vor allem aber der geistlichen Staaten, gefährden mußte.

Schon in dieser fricdcnsseligen und hoffnungsreichen Zeit aber trat zu
Tage, in welchem Widerspruch Dalbergs ehrgeizige Wünsche nach großer po¬
litischer Wirksamkeit und seine persönliche Befähigung für eine solche standen.
Der dilettirende Schöngeist schlug den Staatsmann überall in den Nacken.


Aus den Tagen der Klassiker.

endlich elenden" Aufsätze, die von selten des Koadjutors einliefen, und wußte
sich schließlich nicht anders zu helfen, als daß er wider den Brauch seiner
Monatsschrift bei einem allerdings polizeiwidrig seichte» Elaborat „Über Knnfi¬
schn im" Dalbergs Namen hinzusetzte.

Bis zum Jahre 1783 blieb Dalberg nur das hochangesehene Mitglied
mehrerer Domkapitel und der Statthalter der kleinen erfurtischer Provinz. Allein
das gedachte Jahr brachte die Gründung des deutschen Fürstenbundes „zur
Aufrechterhaltung der bestehenden Reichsverfassung," gegen welche man Über¬
griffe von feiten des unternehmenden und hochstrebenden Kaisers Josefs II. fürchten
zu müssen glaubte. Im Oktober 178S trat auch der Kurfürst von Mainz rück¬
haltlos dem neuen Bunde bei, welcher damit über eine Majorität im Knrfürsten-
kollegium des Regensburger Reichstages gebot. Der Beitritt von Mainz war
im damaligen Reiche ein Ereignis, und in Berlin mußte man bei der Beschaffen¬
heit der geistliche» Staaten fürchten, daß über kurz oder lang dieser Bundes¬
genosse der neuen Union wieder verloren gehen könne. Anders stand es, wenn
bei Lebzeiten des Kurfürsten Karl Joseph dessen Nachfolger erwählt wurde und
ein unzweifelhafter Anhänger des Fürstenbundes war. Für einen solchen An¬
hänger galt Dalberg, auf ihn lenkte Karl August von Weimar, das eifrigste
Mitglied des Fürstenbundes, die Aufmerksamkeit König Friedrich Wilhelms II.
von Preußen. Nach wundersamen Intriguen und Wahlkämpfen, die Ranke in
seinem Werke „Die deutschen Mächte und der Fürstenbund" höchst anschaulich
und drastisch schildert, und zu denen auch Beaulieu-Marconnay ein paar charak¬
teristische Einzelheiten mitteilt, ward Dalberg am 1. April 1787 gewühlt. Es
war nach altem Volksaberglauben ein verhängnisvoller Tag, an dem Dalbergs
Wahl stattfand. Niemand zwar ahnte, daß eben jetzt der letzte „Qnadutter"
(altmainzisch für Koadjutor) des alten Erzstiftes ernannt sei, und Dalberg wußte,
wie es schien, nicht, daß seine Wahl der Krone Preußen 180 000 Gulden für
Bestechungen des Domkapitels, „Dvnceurs" und „Präsente" gekostet. Im
Gegenteil knüpften sich an seine Erwählung zum Koadjutor von Mainz alsbald
auch gleiche Ernennungen zum Regierungsnachfolger in den Bistümern Worms
und Konstanz, sodaß es schien, daß Dalberg dereinst über eine gewisse, zu
selbständigem Handeln befähigende Macht zu gebieten haben werde. Die sämt¬
lichen Borgänge bei Dalbergs Wahl und ihre nachfolgende Bestätigung dnrch
den heiligen Stuhl, sowie die mit der Gründung des Fürstenbundes eingetretene
Rührigkeit täuschten noch einmal darüber, wie morsch und haltlos die Zustände
des heiligen Reiches geworden waren und daß der erste Stoß von anßen die
Existenz des Reiches selbst, vor allem aber der geistlichen Staaten, gefährden mußte.

Schon in dieser fricdcnsseligen und hoffnungsreichen Zeit aber trat zu
Tage, in welchem Widerspruch Dalbergs ehrgeizige Wünsche nach großer po¬
litischer Wirksamkeit und seine persönliche Befähigung für eine solche standen.
Der dilettirende Schöngeist schlug den Staatsmann überall in den Nacken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/80>, abgerufen am 27.07.2024.