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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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politische Wetterfahnen.

Himmel als unvergängliche Zeugen die Größe Napoleons, und verlangte 1814,
daß an die Stelle des Standbildes Napoleons auf der Vendomesäule eine
blaue Weltkugel mit silbernen Lilien und den Adlern von Rußland, Österreich
und Preußen, dazu, ebenso wie am Triumphbogen, eine die Alliirten ver¬
herrlichende Inschrift angebracht werde. Ihm kann jener Präfekt des Pas de
Calais, Lachaise, nu die Seite gestellt werden, welcher die Leser des Nonitsur
1803 durch die Mitteilung erfreute: "Um der Welt Frieden, Ruhe, Glück¬
seligkeit zu sichern, schuf Gott Bonaparte und ruhte aus." Die Pariser
setzen hinzu:


Nsis xour fers xlu8 ä, so" "iss,
L.upÄrs,vient it ut lÄvdkiss.

Natürlich besann sich der Treffliche im Jahre 1814 auf diese Dinge nicht mehr,
sondern glaubte jederzeit der legitimen Dynastie und den Nachkommen des hei¬
ligen Ludwig ergeben gewesen zu sein.

Lacretelle, welcher bei seiner Aufnahme in das Institut den Monarchen
gepriesen hatte, "der mehr Denkmale geschaffen hat als Augustus in derselben
Zeit, in welcher er mehr Siege erfocht als Cäsar," machte 1814 die Entdeckung,
daß jener Monarch nur geschaffen worden sei, um in der Menschheit einen un¬
auslöschlichen Tymunenhaß zu erzeugen.

Von dem Dichter Lebrun wird nus eine Ode vom Jahre 1783 mitgeteilt,
welche Ludwig XVI. mit Mark Aurel, Trajan, Ludwig XII. und Titus ver¬
gleicht, dann eine von 1792, ans welcher wir erfahren, daß seine Leier "in
prophetischem Wahnsinn" stets Freiheit und Gleichheit verkündet habe; eine
dritte ans der Zeit des Konsulats erklärt Bonaparte für "zu groß, als daß er
auf den Thrv" der Könige herabsteigen könne," und zuletzt hatte er auch nichts
dagegen, daß der große Man" sich doch soweit herabließ.

Von einem Maler Menjaud wird behauptet, er habe ein Gemälde, welches
Napoleon, Eugene Beauharnais und die Königin Karoline darstellen sollte, im
geeigneten Momente dahin abgeändert, daß an Stelle jener drei Personen
Ludwig XVIII., der Graf von Artois und dessen Gemahlin sich zeigten. Seinem
Kollegen Meynier wurde die Sache nicht ganz so bequem gemacht. Er hatte
angeblich 1814 ein allegorisches Gemälde auf die Geburt des Königs von Rom
fertig: Frankreich empfängt das Kind aus den Händen der Juno Lucina, Gott¬
heiten huldigen u. s. w. Unter den zurückkehrenden Bourbonen befand sich nun
kein geeigneter Stellvertreter, mithin war es mit dem Ersatz der ornamental
verwendeten Bienen durch Lilien nicht gethan. Doch der Künstler wußte sich
zu helfen, der König von Rom hieß im Kataloge Ludwig XIV., und so konnte
der im Namen des Bonapartismus aufgebotene Olymp ohne weitere Umstände
vor Ludwig XVIII. Paradiren!

Noch etwas ans dem Leben des Marschall Mortier, Herzogs von Treviso!
Am 30. April 1814 wurde er zur königliche" Tafel gezogen, bald darauf zum


politische Wetterfahnen.

Himmel als unvergängliche Zeugen die Größe Napoleons, und verlangte 1814,
daß an die Stelle des Standbildes Napoleons auf der Vendomesäule eine
blaue Weltkugel mit silbernen Lilien und den Adlern von Rußland, Österreich
und Preußen, dazu, ebenso wie am Triumphbogen, eine die Alliirten ver¬
herrlichende Inschrift angebracht werde. Ihm kann jener Präfekt des Pas de
Calais, Lachaise, nu die Seite gestellt werden, welcher die Leser des Nonitsur
1803 durch die Mitteilung erfreute: „Um der Welt Frieden, Ruhe, Glück¬
seligkeit zu sichern, schuf Gott Bonaparte und ruhte aus." Die Pariser
setzen hinzu:


Nsis xour fers xlu8 ä, so» »iss,
L.upÄrs,vient it ut lÄvdkiss.

Natürlich besann sich der Treffliche im Jahre 1814 auf diese Dinge nicht mehr,
sondern glaubte jederzeit der legitimen Dynastie und den Nachkommen des hei¬
ligen Ludwig ergeben gewesen zu sein.

Lacretelle, welcher bei seiner Aufnahme in das Institut den Monarchen
gepriesen hatte, „der mehr Denkmale geschaffen hat als Augustus in derselben
Zeit, in welcher er mehr Siege erfocht als Cäsar," machte 1814 die Entdeckung,
daß jener Monarch nur geschaffen worden sei, um in der Menschheit einen un¬
auslöschlichen Tymunenhaß zu erzeugen.

Von dem Dichter Lebrun wird nus eine Ode vom Jahre 1783 mitgeteilt,
welche Ludwig XVI. mit Mark Aurel, Trajan, Ludwig XII. und Titus ver¬
gleicht, dann eine von 1792, ans welcher wir erfahren, daß seine Leier „in
prophetischem Wahnsinn" stets Freiheit und Gleichheit verkündet habe; eine
dritte ans der Zeit des Konsulats erklärt Bonaparte für „zu groß, als daß er
auf den Thrv» der Könige herabsteigen könne," und zuletzt hatte er auch nichts
dagegen, daß der große Man» sich doch soweit herabließ.

Von einem Maler Menjaud wird behauptet, er habe ein Gemälde, welches
Napoleon, Eugene Beauharnais und die Königin Karoline darstellen sollte, im
geeigneten Momente dahin abgeändert, daß an Stelle jener drei Personen
Ludwig XVIII., der Graf von Artois und dessen Gemahlin sich zeigten. Seinem
Kollegen Meynier wurde die Sache nicht ganz so bequem gemacht. Er hatte
angeblich 1814 ein allegorisches Gemälde auf die Geburt des Königs von Rom
fertig: Frankreich empfängt das Kind aus den Händen der Juno Lucina, Gott¬
heiten huldigen u. s. w. Unter den zurückkehrenden Bourbonen befand sich nun
kein geeigneter Stellvertreter, mithin war es mit dem Ersatz der ornamental
verwendeten Bienen durch Lilien nicht gethan. Doch der Künstler wußte sich
zu helfen, der König von Rom hieß im Kataloge Ludwig XIV., und so konnte
der im Namen des Bonapartismus aufgebotene Olymp ohne weitere Umstände
vor Ludwig XVIII. Paradiren!

Noch etwas ans dem Leben des Marschall Mortier, Herzogs von Treviso!
Am 30. April 1814 wurde er zur königliche» Tafel gezogen, bald darauf zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/666>, abgerufen am 28.07.2024.